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Achtstundentag?

Ist der Achtstundentag noch zeitgemäß?

von Isabella Müller-Reinhardt

Seid ihr schon mal nach New York, Neu-Dehli oder Toronto geflogen? Mit einem Direktflug von Frankfurt aus, sitzt ihr etwa acht Stunden im Flieger bis ihr am Zielflughafen landet. 

Acht ganze Stunden! Und wenn man die mit Nichtstun verbringt, wird erst klar, wie lange und auch langweilig 480 Minuten wirklich sind. Anders sieht das an einem gewöhnlichen Arbeitstag aus. Je nachdem, wie beschäftigt du bist und wie viel Freude dir Deine Arbeit bereitet, können acht Stunden schon mal wie im Fluge vergehen. Wie anstrengend acht Stunden Arbeit aber für Körper und Geist sein können, zeigt sich nach Feierabend oder am Wochenende. 

Jetzt stellt euch mal vor, ihr müsstet jeden Tag 14 Stunden buckeln! Und das sogar an sechs Tagen in der Woche. Was für uns nach blankem Horror klingt, war für unsere Urururgroßeltern noch Alltag. Im 19. Jahrhundert waren nämlich 80 Stunden-Wochen nicht unüblich. Für weltweites Aufsehen sorgte damals der walisische Unternehmer und Sozialreformer Robert Owen. Mit seinem berühmten Slogan „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf“ kam erstmals die Idee eines Achtstundentages auf. 100 Jahre später war es dann in Deutschland soweit: 1919 wurde für Arbeiter und Angestellte der Achtstundentag eingeführt. Weitere 75 Jahre später, also 1994 wurde das Ganze dann sogar gesetzlich festgeschrieben. 

Und jetzt, weitere knapp 30 Jahre später kommen immer mehr Experten mit immer neueren Studien um die Ecke, die alles wieder anders sehen. Ist ein Achtstundentag im Jahr 2022 noch zeitgemäß? Laut einer Studie aus Großbritannien ist ein Mensch gar nicht in der Lage sich über acht Stunden voll zu konzentrieren. Im Schnitt arbeiten wir nur 2 Stunden und 53 Minuten effektiv. Was spricht also dagegen, die Arbeitszeit bei gleichem Lohn zu reduzieren? Laut einer weiteren Studie der Hans-Böckler-Stiftung nichts. Denn eine kürzere Arbeitszeit resultiert potenziell in höherer Produktivität. Ähnliche Erfahrungen haben so manche, große Arbeitgeber in Schweden bei einem spannenden Experiment gemacht. Der Autohersteller Toyota hat beispielsweise die tägliche Stundenzahl von acht auf sechs reduziert. Das Ergebnis? Gleiche Produktivität, höherer Umsatz und zufriedene Mitarbeiter. 

Jetzt müsste sich das Gleiche mal ein großes Unternehmen in Deutschland trauen und den Vorreiter geben. Und wenn es gut geht, ziehen andere nach. Und dann heißt es vielleicht bald, „Sechs Stunden Arbeit, zehn Stunden Freizeit und acht Stunden Schlaf“.

Ihr wisst ja: happy Mitarbeiter, happy life!

ein Artikel von
Isabella Müller-Reinhardt
Isabella Müller-Reinhardt

Die in Madrid aufgewachsene Münchnerin arbeitet seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren als Sportmoderatorin für verschiedene deutsche und englische Fernsehsender. Zu den Stationen Müller-Reinhardts zählen unter anderem ARD, ITV, Sport1, Sky und Arena. Zudem plaudert sie in einem Podcast über „Weiberkram“, schreibt diverse Sportkolumnen und hat mit "Mensch Trainer" im Sommer 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht.