WIRTSCHAFT 2.0

„Wir müssen aus dem alten Geldsystem aussteigen“ – Bitcoin-Experte Aaron Koenig im Interview

von Michael André Ankermüller

Aaron Koenig ist seit 2011 in der Bitcoin-Wirtschaft engagiert. Im Zuge seines neuen Buches „Freakin‘ Crisis Proof: The Handbook of Financial Freedom“ haben wir uns mit Aaron unter anderem über Wirtschaft, Vermögenssicherung und Bitcoin unterhalten.

ZASTER-Redaktion: Corona und die Weltwirtschaftskrise. Was denkst Du, wird in Deutschland passieren? Deflation, Inflation, Hyperinflation? Oder bleibt alles langfristig beim Alten?

Aaron König: Wir werden viele Insolvenzen und eine massive Wirtschaftskrise erleben. Die Inflation – also die Aufblähung der Geldmenge – ist ja schon in vollem Gang und wird wahrscheinlich dazu führen, dass das Euro-System kollabiert. Für alle, die noch den Banken und Regierungen vertrauen, werden harte Zeiten anbrechen. Daher ist es wichtig, aus dem alten Geldsystem auszusteigen und sich selbst um sein Leben und sein Vermögen zu kümmern.

Wie sollte man – sofern man etwas Vermögen besitzt – vorgehen in Hinblick auf Vermögenssicherung?

Ich bin kein Vermögensberater, aber mein Freund Steffen Krug vom Institute for Austrian Asset Management, mit dem ich für mein Buch zusammengearbeitet habe, empfiehlt ein Portfolio aus 30% Edelmetallen, 10% Minenwerten, 20% Aktien von soliden Familienunternehmen, 20% Aktien von Unternehmen, die auch in Krisenzeiten nachgefragte Produkte herstellen, 10% Bargeld und 10% Kryptowährungen. Ich persönlich würde natürlich Kryptowährungen deutlich höher gewichten, aber das hängt davon ab, wie risiko-affin man ist.

Ist eine Währungsreform innerhalb der EU denkbar?

Eine Währungsreform halte ich für unwahrscheinlich, dazu ist die EU viel zu schwerfällig und ineffizient. Wahrscheinlicher ist die Rückkehr der Staaten zu nationalen Währungen wie D-Mark, Franc oder Peseta, was aber auch keine gute Lösung wäre, da sie nach wie vor auf einem Staatsmonopol beruhen. Am besten wäre es, die EU in viele kleine Einheiten aufzulösen, etwa in der Größenordnung von Liechtenstein, und das Staatsmonopol auf Geld ganz abzuschaffen. Das klingt jetzt etwas utopisch, aber in Krisenzeiten ist vieles möglich, was man sich vorher nicht hätte vorstellen können.

Droht möglicherweise sogar die Abschaffung von Bargeld?

Daran wird ja schon konkret gearbeitet, denn in Zeiten von Niedrig- oder sogar Negativzinsen würde ja jeder vernünftige Mensch sein Geld von der Bank abholen und bar lagern. Dann würde allerdings das Teilreservesystem der Banken zusammenbrechen, das ja nichts weiter als ein Betrugssystem ist, bei dem nur ein Bruchteil des Geldes, das die Banken ihren Kunden schulden, tatsächlich verfügbar ist. Der Hauptgrund für das Bargeldverbot ist natürlich, dass die Regierungen gern jede unserer Zahlungen überwachen möchten und noch mehr von unserem Eigentum rauben wollen, als sie es jetzt schon tun.

Glücklicherweise haben wir heutzutage mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen digitales Bargeld zur Verfügung, dass nicht vom Staat kontrolliert, nicht eingefroren oder konfisziert werden kann. Es ist sicher für viele Menschen etwas gewöhnungsbedürftig, Bitcoin als Bargeld anzusehen, weil man es nicht anfassen kann. Aber Bitcoin ist von Anfang so konzipiert worden, dass es dieselben Eigenschaften hat wie Bargeld, nur eben in digitaler Form. Das Bitcoin-Whitepaper trägt ja sogar den Untertitel “A Peer-to-Peer Electronic Cash System”.

Du bist ein Experte im Bereich Kryptowährungen? Ist das Geschäft mit Bitcoins nicht wahnsinnig risikobehaftet? Oder sind Bitcoins möglicherweise die Währung der Stunde?

Es gibt sicher Menschen, die sich mit Bitcoin sehr viel besser auskennen als ich, insbesondere Software-Entwickler und Kryptographen. Meine Expertise liegt eher darin, Bitcoin so einfach zu erklären, dass auch normale Menschen es verstehen können. Ja, Bitcoins sind durchaus riskant, der Kurs wird weiterhin stark schwanken und natürlich ist auch ein Totalausfall nicht völlig auszuschließen. Wer kein Risiko eingehen möchte, sollte also lieber die Finger von Bitcoin lassen. Noch sehr viel riskanter wäre es allerdings, sein Geld in Euros auf der Bank zu lassen.


Wenn nicht alles beim Alten bleibt, wovon ich ausgehe, wie könnte unsere Finanz- und Wirtschaftsordnung nach Corona in Deutschland aussehen?

Dazu habe ich im Schlusskapitel eine sehr optimistische Utopie unter dem Titel “Imagine” verfasst. Sie beschreibt eine Gesellschaftsordnung, die auf Freiwilligkeit beruht, in der es keine Machtstrukturen wie die zur Zeit herrschenden Nationalstaaten mehr gibt. An ihre Stelle treten privatwirtschaftlich betriebene Städte, oder basisdemokratisch organisierte Mikrostaaten, aus denen man leicht auswandern kann, und die daher ihre Bürger gut behandeln müssen. Insofern wird es Deutschland wohl noch als Kulturraum geben, aber nicht mehr als Nationalstaat. Das Staatsmonopol auf Geld ist natürlich auch abgeschafft und die Leute benutzen das Geld ihrer Wahl, also vermutlich Edelmetalle und Kryptowährungen. Wie schon Lennon sang: „You may say that I’m a dreamer, but I’m not the only one“.

Stichwort: Bedingungsloses Grundeinkommen. Was denkst Du persönlich darüber?

Es würde nur dann funktionieren, wenn genug Menschen freiwillig Geld in einen Topf einzahlen, aus dem dann so ein Grundeinkommen ausbezahlt würde. Das könnte man über Blockchain-basierte Smart Contracts steuern, so dass niemand sich daran bereichern und niemand betrügen kann. Sobald jedoch ein Staatsapparat dazwischensteht, ist so ein Projekt zum Scheitern verurteilt – wie alles was von einer zentralen Bürokratie beherrscht wird. Sozialismus ist bisher immer und überall gescheitert, weil es unmöglich ist, durch ein zentrale Bürokratie die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen – Hayek nennt das die “Anmaßung von Wissen”.

Daher ist eine freie Marktwirtschaft, in der die Menschen selbst entscheiden können, was sie produzieren, verkaufen und kaufen, einer zentralen Planwirtschaft immer haushoch überlegen, das hat die Geschichte der sozialistischen Experimente deutlich gezeigt. Das gilt genauso für die soziale Absicherung. Ein vom Staat verteiltes bedingungsloses Grundeinkommen würde da keine Ausnahme machen.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.