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Wie glücklich macht Geld?

Individuell nutzbare Zeit – ein Top-Investment im Business-Alltag

von Frank Behrendt

Jeder clevere Anleger setzt gerne auf etwas, was im Laufe der Zeit immer mehr an Wert gewinnt. Was in der Business-Logik gut ist kann in der persönlichen Denkweise nicht schlecht sein. Zeit war, ist und bleibt ein kostbares Gut, vor allem, wenn es sich um selbstbestimmbare Freizeit handelt. Sind wir nicht am Ende des Tages alle irgendwie Getriebene?

Ob vor, während oder nach Corona, der Terminkalender – egal ob analog oder digital – gibt den Takt vor, besetzt Zeitfenster, treibt uns durch die Tage. Man „blockt“ einen Termin, damit ist er so gut wie weg. Die schraffierte Zeitzone im Timer ist verloren für die individuelle Gestaltung. Wenn alle Zugriff auf den Kalender haben, erschreckt man zudem, wie schnell man „zugebucht“ wird. Maximale Transparenz hat eben auch ihre Tücken.

Die Pandemie hat uns alle digitaler gemacht. Statt wie früher Termine persönlich wahrzunehmen, trifft man sich jetzt im Call. Klick und Hallo, Punkte abarbeiten, auf Call verlassen drücken und weiter zum nächsten. Kürzlich hörte ich in einem kurzweiligen Podcast zweier Coaches, dass viele Unternehmen sich über eingesparte Reisekosten freuen. Die damit verbundene Reisezeit hatte aber durchaus etwas Positives. Denn da wurde im Zug auf dem Weg zum Termin auch mal aus dem Fenster geschaut, im Flugzeug entspannt über den Wolken ein Tomatensaft mit Salz & Pfeffer geschlürft oder im Auto die Lieblings-Musik gehört. Jetzt bimmelt dauernd die akkustische Erinnerung für die nächste digitale Konferenz im Smartphone. Ich höre von vielen, die remote work als anstrengender empfinden als reale Meetings.

„Dieses Call auf Call nervt ganz schön“, klagte kürzlich eine Kollegin. „Wir müssen lernen, uns in der neuen digitalen Welt analoge Rückzugsorte zu schaffen“, schrieb mir ein Kommunikationswissenschaftler. Und der geschätzte Kommunikationschef der Krankenkasse DAK, Rüdiger Scharf, kommentierte unter einem Beitrag auf LinkedIn: „Wir wissen, dass unser Handy regelmäßig ans Ladekabel muss, damit der Akku wieder aufgeladen wird. Das gilt auch im Job. Ruhe und Erholung sind wichtig, damit wir gesund und leistungsfähig bleiben.“ Word.

Die Lösung kann dabei nicht sein, sich ab und zu völlig ermattet in den Urlaub zu schleppen, um sich dort selbst wieder halbwegs ins Lot zu bringen. „Wir brauchen im immer schnelleren und anstrengender werdenden Berufsleben jeden Tag ein bisschen Urlaub“, hat mir mein früherer Coach Bertold Ulsamer mit auf den Weg gegeben. Ich habe es mir gemerkt und sorge seitdem dafür, dass jeder Tag neben den Business-Ritualen auch Auftankmomente an meiner persönlichen Ladestation beinhalten. Hilfreich ist dabei, das Smartphone mal temporär auszuschalten. Denn in unserem elektronischen Dauerbegleiter blinkt, piept oder klingelt immer irgendwas, das uns im Hamsterrad der Arbeitswelt festkettet. Einfach mal an die Luft, ins Grüne schauen, mit einem netten Menschen über das Leben quatschen, Gedichte oder eine Kurzgeschichte lesen, das bringt einen raus – und später wieder erfrischt rein. Dabei könnte man sich durchaus auch mal von der typischen Mittagspause lösen, mehrere kleine Power-Breaks passen ohnehin besser in die heutige Arbeitswelt, die längst nicht mehr so statisch wie die frühere Nine-To-Five-Taktung daherkommt.

Von einem Bankdirektor hörte ich eine wunderbare Geschichte die zeigt, wie wichtig es ist, das Termin-Korsett auch mal zu überlisten. Bei der Abschiedsfeier seiner langjährigen Assistentin fragte diese den Direktor, wer denn eigentlich dieser Coach „Dr. Frei“, wäre, den ihr Chef jeden Mittwoch um 16:00 Uhr konsultierte. Er grinste und beichtete, dass es besagten Ratgeber gar nicht gab. „Dr. Frei“ war lediglich eine erfundene Terminroutine, um sich einmal in der Wochenmitte eine kleine Auftank-Auszeit zu gönnen. Die verbrachte der Mann regelmäßig gemeinsam mit seiner Frau in ihrem Lieblingskaffee. Das Investment in Freizeit, auch während der Arbeitszeit zahlt sich am Ende immer aus. Denn inspirierte, erfrischte MitarbeiterInnen haben immer bessere Ideen, sind ausgeglichener und leisten in Summe, selbst in kürzerer Arbeitszeit, einen höheren Mehrwert. Der vorhin erwähnte Coach, der sich im Podcast darüber beklagte, dass im Zuge der Zoom- und MS-Teams-Konferenz-Mania die entspannenden Reisezeiten abhandengekommen sind, hat sie für sich wieder eingeführt. Zwischen den virtuellen Meetings baut er jetzt Blöcke für „Reisezeit im Kopf“ ein. 15 Minuten, in denen er sich einen Kaffee macht, kurz nach draußen geht und in den Himmel schaut. Eine einfache aber gute Idee, um zwischendurch immer mal wieder Zeit für sich zu haben. Clever, wie ich finde. Denn selbstbestimmte Zeit bleibt schließlich auch künftig eines der besten Investments der Welt.

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.