Als Teenager-Hobby belächelt, in der ersten Reihe der Pariser Fashion Week ein absolutes Ärgernis: Was macht der alberne Blogger überhaupt hier? Das war 2010. Mittlerweile haben auch die letzten Kritiker verstanden, wie viel Geld und Einfluss sich hinter den bunten Instagram-Bildern verbringen kann. Der Beruf „Influencer“ (zu deutsch: Beeinflusser) wird zu einem ernstzunehmenden Geschäftsmodell – die Internetstars werden auf Reisen geschickt, von luxuriösen Marken hofiert oder sie laufen für internationale Top-Designer über den Catwalk.
Irre einfach scheint das: Es reicht nur ein Handy, ein Gespür für Mode, ein Foto von einem schmackhaften Avocado-Toast, und schon verdient es sich Unsummen. So leicht ist es natürlich nicht, der Aufbau und die Pflege eines Profils auf Instagram, Youtube oder Facebook bedeutet viel Arbeit. Die sich lohnt: Unternehmen reißen sich um Kooperationen mit den größten Internetstars wie der Italienerin Chiara Ferragni (fast 13 Millionen Follower). Angeblich bringt es die Queen of Instagram pro Jahr auf mehr als acht Millionen US-Dollar. Auch hierzulande verdienen sich die Social-Media-Idole laut „Manager Magazin“ eine goldene Nase: Caro Daur (1,4 Millionen Follower) soll immerhin auf ein Jahresgehalt von einer Million Euro kommen.
ZASTER hörte sich in der Szene um, wie hoch die wahren Honorare sind. Ein deutscher Influencer mit rund 120.000 Followern, der anonym bleiben möchte, erzählt, dass er beispielsweise für einen Werbepost von einem Modelabel 3000 Euro bekommen hat. „Eine kurze Instagram-Story mit Produkterwähnung bringt 800 Euro ein. Dafür habe ich nur 20 Sekunden gebraucht“, sagt er und grinst. Eine bekannte Influencerin mit 200.000 Followern verrät, dass sie von einem Versandhaus für eine eigene kleine Modekollektion angefragt wurde. Honorar: 150.000 Euro.
Die Influencerin Vreni Frost, der 53.000 Fans folgen, ist eine der wenigen, die offen über Geld spricht. In „ZDF WISO“ berichtet Frost, dass sie in einem guten Monat rund 25.000 Euro Umsatz macht. Nach allen Abzügen bleiben ihr noch 9000 Euro. Sie gibt allerdings zu: „70 Prozent der Instagramer bescheißen!“ Mit ihrem Blog neverever.me schreibt sie über Mode und Lifestyle. Auch sie habe sich so genannte Fake-Follower gekauft, sich aber im vergangenen Jahr dazu bekannt und von ihren falschen Fans getrennt.
Laut Branchenkennern sahnen internationale Profis mit mehreren Millionen Fans durchaus bis zu 125.000 Dollar pro Posting ab. Eine Umfrage unter deutschen Influencern hat allerdings ergeben, dass die tatsächlich erzielten Honorare im Durchschnitt bei 600 Euro pro Post liegen. Es wird geschätzt, dass Modefirmen eine Milliarde Euro pro Jahr für Instagram-Posts ausgeben. Wie lange die Geldquelle Instagram sprudelt, weiß aber niemand so genau.
Eine neue Erhebung der Medienagentur Wavemaker ergibt jedenfalls, dass Influencer Marketing langsam an Glaubwürdigkeit verliert. Jeder zweite von 1453 Befragten über 14 Jahren empfindet Influencer als nicht authentisch, und 41 Prozent der Befragten denken sogar, dass Instagramer durch die Kooperation mit Marken an Sympathie verlieren. Ganz düster sieht es bei der Gruppe aus, die Influencern gar nicht folgen: Über die Hälfte erkennen sie nicht als Meinungsmacher an, sondern betrachten sie als Personen, die durch soziale Netzwerke einfach schnelles Geld verdienen wollen.
Bei so manchem Unternehmen stellt man sich unterdessen die Frage, ob die Investitionen sich lohnen, zumindest bei den Luxusfirmen, deren Produkte sich die meist jungen Follower häufig gar nicht leisten können. Ein Mitarbeiter eines bekannten Designers verrät gegenüber ZASTER: „Kim Kardashian hat ein Kleid von uns zu einer Gala getragen. Sie hat stolze 111 Millionen Follower – doch das Kleid wurde daraufhin nur ein einziges Mal verkauft …“
Sicher geht es vielen Labels vor allem um die Kreation eines Hypes. Und dabei sind Influencer aus Europa besonders erfolgreich, wie eine Studie der Werbeagentur von Jung von Matt ergibt. „Es mag sich lapidar anhören, aber Deutschland und Europa bieten für Influencer einen brutalen Standort-Vorteil — vor allem im Fashion-Bereich: London, Berlin, Mailand, Paris — alle Fashionweeks sind wenige Easyjet-Flüge entfernt. Und auch viele Top-Marken sind in Europa ansässig. „Diese massive Dichte an Städten und Marken bietet Influencern zahlreiche Möglichkeiten zur ganzjährigen Inszenierung“, erklärt Toan Nguyen, Partner und Berater bei Jung von Matt/Sports. Solange Millennnials in Stilfragen und Kaufempfehlungen ihren Internetstars noch vertrauen, werden noch viele Likes und Herzchen vergeben …