© Julian Liniger
KRYPTOWÄHRUNGEN

„Gerade die jüngeren Generationen vertrauen den Finanzinstitutionen nicht mehr“ – Im Gespräch mit Relai Gründer Julian Liniger

von Theresa v. Rehlingen-Prinz

Julian Liniger studierte Betriebswissenschaften und Psychologie. 2020 gründete er die größte Bitcoin Sparplan App Europas Relai. Mehr als 40.000 User nutzen die App, um ihr Vermögen in Bitcoin zu sichern und über das Dollar Cost Average Model zu sparen. Das Onboarding auf der App dauert eine Minute und ist super einfach. ZASTER-Autorin Theresa von Rehlingen-Prinz hat sich mit Julian zum Interview getroffen.

Wie begann deine Bitcoin Journey und wie kommt man mit einem Psychologie- und Betriebswirtschaftshintergrund zu Bitcoin?

Eigentlich bin ich gar nicht für Tech veranlagt und kein Zahlenmensch, ich kann nicht mal den Code meiner eigenen App lesen. Die einzige Prüfung, die ich in der Uni wiederholen musste, ist Wirtschaftsinformatik. Ich habe mich immer für Trading, Investments und Aktien interessiert, aber Bitcoin hat mir damals ein guter Freund gezeigt, der Informatik studiert hat. Ich habe es zuerst nicht wirklich verstanden, aber was mich fasziniert hat war, dass es ein Asset ist, dass hoch und runter geht, man 24/7 traden kann und das es unabhängig von Banken und Regierungen ist.

Du hast 2020 Relai gegründet, warum seid ihr Bitcoin only?

Ende 2018 hatte ich die Idee dazu, 2019 haben wir angefangen an dem Projekt zu arbeiten und 2020 haben wir die Firma dann gegründet und die App live geschaltet. Tatsächlich waren wir am Anfang noch nicht unbedingt bitcoin only. Zuerst wollten wir mit bitcoin anfangen und dann andere Währungen addieren, aber dann war es, wie es bei den meisten Leuten in dem Space ist, – je länger sie dort unterwegs sind, desto eher verstehen sie, dass Bitcoin das Signal ist und alles andere nur Geräusch. Man beginnt zu verstehen, dass Bitcoin die revolutionäre Finanz- und Spartechnologie des 21. Jahrhundert ist und potenziell die globale Reservewährung für die Welt werden kann.

Das ist am Ende der fundamentale Unterschied zu allen anderen Kryptowährungen, die grundsätzlich zentralisierte Startups sind und die Blockchain Technologie nutzen. Die können zwar spannend sein, aber die meisten sind es nicht. Viel Spekulation kann spannend sein, aber sie alle haben eigentlich nichts mit Geld oder einem wertspeichernden Asset zu tun. Bitcoin ist das neue Sound Money (Geld, das nicht anfällig für eine plötzliche Auf- oder Abwertung der Kaufkraft auf lange Sicht ist, unterstützt durch selbstkorrigierende Mechanismen, die einem freien Marktsystem innewohnen) und eine Spartechnologie. Deshalb fokussieren wir uns bei Relai ausschließlich darauf. Wir wollen eine Spar-App sein, die Leuten den einfachsten Zugang ermöglicht und nichts mit dem ganzen Trading und Start Up Investments von Kryptowährungen zu tun hat.

Was ist deine langfristige Vision für Relai?

Globale Expansion und Expansion in verschiedene Kundengruppen. Wir wollen Relai Divisionen weltweit, um Menschen den einfachsten Zugang zu bitcoin zu ermöglichen, – in allen Währungen und auch für alle Kunden. Jetzt gerade besteht das Angebot für individuelle Investoren. Ziel ist es auch für Mittel und Großinvestoren verfügbar zu sein. Jeder sollte die Möglichkeit haben, den einfachsten Zugang zu bitcoin zu bekommen. Wir glauben wirklich fest daran, dass Bitcoin die beste Speichertechnologie ist, die die Menschheit je hervorgebracht hat und wollen, dass alle auf der Welt in den nächsten zehn Jahren Zugang dazu haben. Aktuell sind wir „nur“ in Europa mit zwei Währungen, Euro und Schweizer Franken tätig,– also auch hier sind wir noch sehr früh auf der Reise.

Hält Relai die bitcoin der Kunden? Und warum sind meine Coins auf einem Non Custodial Wallet besser aufgehoben als auf einem Exchange mit Custodial Wallet?

Viele Leute, die zu uns kommen, haben ein Bewusstsein und Verständnis dafür bekommen, was es bedeutet, sein Geld selbst zu halten. Bei den großen Playern wie Celsius und FTX, die kaputt gegangen sind, hat man gemerkt, was passieren kann, wenn man seine (bit)coin nicht selbst hält, sondern einer dritten Partei zur Verwahrung überlässt. Wir sind der festen Überzeugung, dass der Trend dahingeht, dass Leute selbst ihr Geld verwahren wollen. Es hat große Vorteile, wie kein Counterparty Risk oder, dass man eben niemandem vertrauen muss.

Non Custodial Wallets bedeuten, dass man sein Geld selber halten kann und niemand Zugang hat. Dementsprechend kann niemand einem etwas wegnehmen, hacken, zensieren oder einfrieren. Du hast die volle Kontrolle und kannst dein Geld grenzenlos, verschicken oder abheben.

Gerade die jüngeren Generationen, Millennials im Speziellen, vertrauen den Finanzinstitutionen nicht mehr. Sie möchten eben selbst wieder die Kontrolle über ihre Finanzen übernehmen. Dafür ist Bitcoin das beste Tool. Es ist aber auch sehr wichtig, dass man Bitcoin richtig nutzt und mit dem richtigen Approach. Deshalb sind wir so sehr darauf erpicht, dass das Onboarding so leicht wie möglich ist und dass man die bitcoin 24/7 kaufen kann und direkt in sein eigenes Non Custodial Wallet bekommt. Wir und auch niemand anders haben Zugang, sondern wirklich nur der Besitzer.

Wie wichtig ist Self Custody und hatte das Debakel bei FTX oder Celsius Einfluss auf euer Business Model?

Die Leute sind gerade dafür sensibilisiert worden, wie wichtig Bitcoin only und Swiss Regulation sind, weswegen es auf uns als Business einen sehr positiven Einfluss hatte. Wir sind das Gegenteil von FTX oder Celsius. FTX war hauptsächlich auf Shitcoins fokussiert, hatten ein Custodial Wallet und waren in den Bahamas reguliert. Der Beweis für unser Business Modell ist, dass Menschen, die ihre Coins noch auf Börsen haben, jetzt zu Services wie dem unseren strömen.

Wir hatten im November 2022 tatsächlich den mit Abstand besten Monat, den wir je hatten, weil wir sehr viele neue Kunden und neues Volumen akquirieren konnten. In den populären Meinungen der breiten Masse führen solche Ereignisse dazu, dass das Vertrauen in den ganzen Kryptospace verloren geht. Das liegt aber auch daran, dass viele Bitcoin eben nicht von Altcoins unterscheiden können. Das hat natürlich auch zu bitcoin Verkäufen geführt. Deshalb auch der Preissturz, von dem ich glaube, dass er nur kurz- bis mittelfristig anhält und dass Bitcoin dieses Vertrauen auch wieder zurückgewinnt. Ich glaube aber auch, dass bitcoin fundamental unabhängig von solchen Gegebenheiten ist. Bei anderen Kryptowährungen bin ich da eher skeptischer,– gerade solche Altcoins wie FTT (der eigene Coin von FTX), der ja auch in dem ganzen FTX Drama involviert war, führen dazu, dass Leute zu Recht das Vertrauen in Altcoins verlieren. Das sind Momente, die das Vertrauen langfristig in bitcoin sogar noch stärken werden.

Wo siehst du Bitcoin im Jahr 2030 und wo siehst du die DACH-Region in der Bitcoin Adaption?

Bis 2030 wird bitcoin ein wirklich etabliertes Spar Asset sein, dass Leute in ihrem Portfolio haben, wenn nicht sogar ein Hauptteil ihres Geldes in bitcoin gehalten wird. Ich glaube, dass es übers Band weg, kleine Sparer, Firmen, Hedgefonds, Banken, Zentralbanken, Pensionskassen und so weiter also alle Institutionen und Individuen, die Geld halten, sicher einen Teil davon in Bitcoin halten werden. Wir (Bitcoin Befürworter) haben sogar die Vision, dass bitcoin die globale Reservewährung wird und es keine Fiat Währungen mehr gibt und Transaktionen nur noch mit Bitcoin abgeschlossen werden. Das glaube ich, werden wir im Jahr 2030 noch nicht erreichen. Denn, wir überschätzen immer, was wir kurzfristig tun können und unterschätzen, was wir langfristig tun können. Obwohl der Impact der Technologie riesengroß ist und ich glaube, dass wir mit Bitcoin diese Vision in den nächsten 50 Jahre erreichen können, wird das über die nächsten zehn Jahren wahrscheinlich noch nicht der Fall sein. Die Menschen adaptieren die Technologie einfach weniger schnell als die Technologie sich entwickelt. Beim Internet hat es schlussendlich 40 Jahre gedauert, bis es sich wie am heutigen Tag voll etabliert hat. Das wird bei Bitcoin nicht anders sein.

Was hältst du von dem digitalen Euro? Und was unterscheidet CBDS (Digitales Zentralbankgeld) von Bitcoin?

Digitales Zentralbankgeld hat einen großen und wichtigen Unterschied zu bitcoin, und zwar, dass es nicht dezentral ist. Digitale Zentralbankwährungen sind absolut zentral und eigentlich nichts anderes als Fiat Währungen, die wir jetzt haben, nur eben digital. Unterschiede zum jetzigen System sind einfach, dass man den Euro anstatt bei einer Geschäftsbank direkt auf einem Konto bei der Zentralbank haben kann. Man gewinnt also ein paar Effizienzen, weil man einander zum Beispiel 24/7 Geld schicken kann. Man hat aber auch große Nachteile, wie zum Beispiel, dass alles hundert Prozent getrackt und zensiert werden kann. Geld kann aus unterschiedlichsten Gründen eingefroren,- und Transaktionen gestoppt werden.

Wenn man zum Beispiel etwas getan hat, dass aus Sicht der Regierung und der Zentralbank nicht ok ist, könnte es sein, dass man plötzlich nicht mehr an sein Geld kommt. Es besteht die Chance, dass wir in ein System reinkommen, dass extrem kontrollierbar- und sehr autoritär ist. Das sind Ängste, die die Bitcoin Community auch hat. Grundsätzlich ist digitales Zentralbankgeld die Antithese zu bitcoin. Bitcoin ist dezentral und nicht von einer Zentralbank oder Organisation gesteuert. Es ist ein offenes, transparentes, neutrales, globales und zensurresistentes System. Was auch ein wichtiger Faktor ist, dass bitcoin prinzipiell disinflationär, also die Inflation wird immer kleiner. Bei digitalen Zentralbankwährungen wird es für Staatsbanken noch einfacher, Geld zu drucken, weshalb das System dadurch noch inflationärer werden wird. Bitcoin ist fundamental anders als (digitale) Zentralbankwährungen.

Hältst du auch andere Coins, falls ja, warum?

Es ist tatsächlich noch so, dass ich Artefakte, also so fünf, sechs andere Altcoins halte, die ich noch von früher habe. Ich habe alles gemacht,– verschiedene Kryptowährungen gekauft und habe in Dutzende ICOs investiert. Ich habe noch ganz kleine Beträge verteilt und das Meiste verkauft. Die, die ich noch halte, haben sich für den Verkauf noch nicht gelohnt und denke, dass sie vielleicht noch mal in die Höhe schnellen und ich sie dann verkaufe. Systematisch bin ich schon lange nicht mehr in Altcoins investiert.

Die Währung von Ethereum (Ether) zum Beispiel, ist grundsätzlich dazu gedacht, Zugang zu der Ethereum Plattform zu geben, damit man dann die Rechenleistung nutzen kann, um zum Beispiel Apps oder andere Kryptowährungsschemata zu bauen. Man bezahlt dann mit Ether für die Rechenleistung. Es war nie das Ziel von Ethereum Geld zu sein. Sie haben aber auch sehr hohe Transaktionsgebühren und sind zentralisiert. Bitcoin ist gegenwärtig vor allem ein Wertspeicher, das liegt aber auch daran, dass wir noch früh in der Entwicklung sind.

Jedes neue Geld, das war auch bei Gold oder bei Fiat Währungen so, musste sich üblicherweise in drei Phasen etablieren. Zuerst wird das Geld zum Wertspeicher, d.h., es muss den Wert halten oder idealerweise auch in Kaufkraft steigen. Als zweites wird es zum Tauschmittel, um damit Waren und Dienstleistung kaufen zu können. Zu guter Letzt muss es noch zur Recheneinheit werden, damit man Produkte bepreisen kann und eine weltweite Akzeptanz erreicht. Bitcoin ist definitiv noch in der ersten Phase und somit ein Wertspeicher in der Entstehung. Wenn man sich die vergangenen zehn Jahre anschaut, geht der Wert trotz Volatilität jährlich ungefähr 100% hoch.

Für was hast du deinen ersten Bitcoin ausgegeben?

Das war für mich einfach Trading, Spekulation. Ich habe nicht gecheckt, dass das eine Finanzrevolution ist. Ich habe nur gedacht: “Diese digitale Währung ist cool, da kann man 24/7 traden ohne Bank.“ Ich habe da auf jeden Fall noch nicht gedacht, dass das so einen weitreichenden Einfluss auf die Welt haben kann. Viel mehr sah ich es als ein Spiel, wie eine Aktie, die ich kaufe, um Gewinn zu machen und auch wieder verkaufen kann. Ich habe meinen ersten BTC für 500 Euro über einen Freund gekauft, der mich in das Thema eingeführt hat. Ich habe ihm damals 500 Schweizer Franken in Bargeld gegeben und er hat ihn für mich gekauft und gehalten. Als ich ihn dann gefragt habe, wo der Kurs steht, und er meinte 550 Schweizer Franken, habe ich gedacht, yes, 10 Prozent Gewinn gemacht. Daraufhin hat er ihn verkauft und mir das Bargeld wiedergegeben. Was ich dafür gekauft habe, kann ich dir nicht sagen, aber es war einer von vielen dummen Entscheidungen, die ich seit 2015 im Kryptospace getroffen habe.

Erst seit ca. zwei Jahren habe ich wirklich verstanden, dass diese ganzen Krypto-, ICO- Geschichten und auch Bitcoin Trading alles Müll ist und das Bitcoin einfach wirklich eine langfristige Spartechnologie ist. Am besten ist man aufgehoben, wenn man einfach wöchentlich oder monatlich einen gewissen Betrag da rein investiert. Das mache ich jetzt automatisiert mit Relai über einen festen Sparplan. Wenn der Preis wirklich sinkt, kaufe ich fixe Beträge nach.

ein Artikel von
Theresa v. Rehlingen-Prinz
Theresa ist Kommunikationstrategin und Texterin. Davor arbeitete sie national und international im Venture Capital Bereich. Nebenbei beschäftigt sie sich auch viel mit weniger prominenten Alternativanlagen wie z.B. Kryptowährungen.