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Wie glücklich macht Geld?

Generation gemütlich? Müssen wir uns wieder mehr anstrengen?

von Frank Behrendt

Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete kürzlich den „Doppel-Wumms“. Sprachästheten zuckten erschreckt zusammen. Kurz danach sorgte CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble (80) für einen verbalen Rumms: Neben seinen Ansichten über Maßnahmen in der Energiekrise „Dann zieht man halt mal einen Pullover an“ äußerte er sich auch grundsätzlich zum Thema Staatshilfen.

Die könnten seiner Meinung nach nicht unbegrenzt sein, der Staat könne schließlich nicht „so eine Art Supermarkt“ sein, „wo die Bürger Schnäppchenjäger sind.“ Da hatten einige schon Schnappatmung im Zeitalter von explodierenden Energiekosten, hoher Inflation und massiven Zukunftsängsten.

Schäuble aber kam im Talk mit einer großen Boulevardzeitung erst richtig in Fahrt: „Die Deutschen werden sich wieder mehr anstrengen müssen.“ Rumms. „Mir macht Sorge, dass so viele Deutsche gerade lieber weniger arbeiten wollen: zum Beispiel in Teilzeit und nie am Wochenende.“ Doppel-Rumms. Eltern, vor allem Alleinerziehende, werden diese Worte mit einem Kopfschütteln vernommen haben. Bei mir haben die Schäuble-Sätze auch für Stirnrunzeln gesorgt. Ich frage mich, ob wir wirklich zu bequem geworden sind? Ob die oft kritisierte nachwachsende Generation mehr Life als Work im Kopf hat und ob die Einstellung, die der erfahrene Politiker mit verbal erhobenem Zeigefinger anprangert, zutrifft: „Immer nur Spaß haben – das ist keine Lebenserfüllung.“ Mir persönlich ist die Schäuble-Schelte zu pauschal.

„Die Deutschen“ gibt es doch gar nicht mehr, beziehungsweise, wer sollen die denn sein? Es fahren schließlich auch nicht „alle Deutschen“ an den Ballermann und grölen „Leyla“, auch wenn man das nach der aufgeregten Berichterstattung in diversen Medien meinen könnte. Aus meiner Sicht ist es zudem nicht opportun, sämtliche Berufstätigen über einen Kamm zu scheren. Mit Sicherheit gibt es welche, die mal eine Schippe drauflegen könnten, die immer fordern, aber nicht bereit sind mehr zu leisten. „Die Berufsfaulenzer“, wie sie mal ein Lehrer an meinem damaligen Wirtschaftsgymnasium titulierte, gab es auf jeden Fall immer schon. Aber eben auch die anderen.

Die Leistungsbereiten, die hochmotivierten, die immer die Extrameile gehen, weil das ihr eigener Anspruch ist. Und der Spin, dass Arbeiten in Teilzeit etwas mit „weniger arbeiten wollen“ zu tun hat, halte ich für mehr als gewagt. Die Teilzeitkräfte die ich kenne, nutzen diese Chance zur Flexibilisierung von Arbeitszeit dafür, den anderen Teil ihrer Zeit für den Nachwuchs oder pflegebedürftige Angehörige zu investieren. Aus meiner Sicht leisten sie damit mindestens einen so wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft wie in einem Unternehmen.

Vielleicht hat Wolfgang Schäuble auch noch nicht so richtig mitbekommen, dass sich die Arbeitswelt dramatisch verändert hat. Ich kann das beurteilen, denn ich war schon vor der Einführung der Notebooks und Smartphones berufstätig. Auch wenn es schon ein paar Jahrzehnte her ist, kann ich mich noch lebhaft daran erinnern, wie wir in der Agentur nachts Booklets „gerödelt“ haben. Die jüngeren werden das nur aus alten Filmen kennen, wenn Präsentationen für Kund:innen zuerst am oft streikenden Kopierer vervielfältigt werden mussten, anschließend mit einer speziellen Maschine gelocht und anschließend mit einer tückischen Drahtspirale gebunden wurden.

Wenn man am nächsten Morgen vor einem Verbandsgremium mit 40 Zuhörer:innen auftrat, war die Nacht vor dem Termin extrem kurz. Da es damals auch noch keine Beamer gab, wurden zudem mühsam Pappen geklebt. Heute braucht man das alles nicht mehr, der Digitalisierung sei Dank. Die neuen technischen Möglichkeiten haben auch dafür gesorgt, dass viele nervige und zeitaufwändige Arbeiten entfallen können. Man spart nicht nur Material, sondern auch Zeit. Warum sollte diese nicht in Freizeit investiert werden? Wichtig ist doch am Ende das optimale Ergebnis. Wer das in einer geringen Zeit hinbekommt, ist effizient. So tickt die Wirtschaft.

Wenn Schäuble mokiert, dass wir uns „wieder mehr anstrengen müssen“, dann muss das für mich nicht automatisch mit einem höhere Zeitinvest im Feld Arbeit einher gehen. Kann die höhere Anstrengung nicht auch bedeuten, dass wir uns weitere intelligente (digitale) Hilfen ausdenken, die uns die Basisarbeiten noch weiter erleichtern? In der Industrie ersetzt schließlich auch Robotik früher benötigte menschliche Körperkraft. Die Arbeit wird uns dennoch nicht ausgehen. Sie wird nur in Zukunft stärker anderswo benötigt. Im Diensteistungssektor oder in der Pflege zum Beispiel. NewWork, Work-Life-Balance, Work-Life-Integration, Workation und viele weitere mögen Buzzwords sein, aber sie drehen sich alle um ein Ziel: Neben der Arbeit auch das Leben nicht zu vergessen. Immer nur Spaß haben mag in der Welt des Wolfgang Schäuble keine Lebenserfüllung sein, immer nur Arbeiten ist aber auch keine. 

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.