Wir arbeiten uns gerade durch die Ergebnissaison für 2024 und sind aus einer Reihe von Gründen optimistisch, was die Aussichten für europäische Aktien angeht. Erstens sind die Marktbewertungen angemessen bis moderat günstig. Zweitens sehen wir ermutigende Anzeichen in unserer Analyse des Unternehmensverhaltens. Wir beobachten keine schlechte Investitionstätigkeit, was normalerweise ein negatives Signal für die Entwicklung der Aktienmärkte ist.
Wir sind uns zudem der negativen Schlagzeilen bewusst, die in den letzten Jahren mit Europa verbunden waren – sei es das schwache Wachstum, sei es die politische Instabilität in Deutschland oder Frankreich. Auch wenn die Unsicherheit anhält, sind die Bewertungen der europäischen Aktienmärkte nicht teuer, und jede positive Entwicklung könnte ein Katalysator dafür sein, dass diese Aktien die gedämpften Erwartungen übertreffen.
Eine zusätzliche politische Ungewissheit entsteht durch die von Trump angedrohten Zölle, die kurzfristig für Volatilität sorgen. Allerdings gibt es viele europäische Unternehmen, die durch ihre internationale Präsenz einen gewissen Schutz haben – insbesondere diejenigen, die bereits in den USA produzieren.
Auf der Suche nach den attraktivsten Chancen in Europa erkannte unser Cashflow-Solution-Anlageprozess im letzten Jahr attraktive Chancen bei Finanz- und Konsumwerten, was uns dazu veranlasste, diese Sektoren überzugewichten. Unser Prozess sucht nach Unternehmen, die deutlich mehr Barmittel erwirtschaften, als sie für ihr geplantes Wachstum benötigen, die aber von den Anlegern gemessen daran niedrig bewertet werden und die von Managern geführt werden, die sich einer intelligenten Verwendung des Kapitals verschrieben haben.
Der Bankensektor
In den letzten Jahren ergaben unsere Investment-Screens, dass sich der europäische Bankensektor heute in einer ganz anderen Lage befindet als nach der Finanzkrise von 2008, die ein Jahrzehnt der Underperformance einleitete. Beginnen wir mit den Bewertungen: Europäische Bankaktien sind nicht teuer, wenn man die Höhe ihrer Nettoerträge betrachtet, und obwohl in den letzten Jahren eine Neubewertung stattfand, werden einige Banken immer noch mit einem Abschlag auf ihrem Buchwert gehandelt. Was die Fundamentaldaten betrifft, erfreuen sich Banken im Durchschnitt eines besseren Gewinnwachstums und einer besseren Bilanzqualität. Notleidende Kredite sind im Allgemeinen recht niedrig, und Banken erwirtschaften zunehmend mehr Überschusskapital. Aus Sicht der Aktionäre ist das positiv, weil sich das in einem höheren Kapitalrückfluss für die Aktionäre niederschlagen sollte.
Die italienische Bank UniCredit war in den letzten Jahren eine unserer größeren Bankpositionen. Unter dem neuen CEO schaffte sie in letzter Zeit ein beträchtliches Wachstum und durchlief eine umfangreiche Umstrukturierung. Es gibt zwar Spekulationen über eine mögliche Übernahme der Commerzbank, aber eine solche Transaktion würde uns lediglich dazu veranlassen, diese Position zu überprüfen. Wir überwachen alle unsere Positionen fortlaufend und achten dabei besonders auf die Entwicklung der Bilanz und des Cashflows.
UniCredit ist ein gutes Beispiel für das starke Ertragswachstum im europäischen Bankensektor, aber es gibt auch eine Reihe von Unternehmen, die als Selbsthilfeunternehmen attraktiv sind.
Deutsche Bank zum Beispiel war viele Jahre lang in Ungnade gefallen. Der neue CEO hat in den letzten Jahren eine Reihe von Veränderungen im Managementteam und eine Umstrukturierung des Geschäfts eingeleitet. Wir haben die Aktie im Jahr 2023 zu einer sehr niedrigen Bewertung gekauft. Seitdem hat sich die Aktie etwas erholt, wird aber immer noch mit einem Abschlag von über 30% auf den Buchwert gehandelt. Das Unternehmen ist dabei, die Altlasten allmählich zu beseitigen und erwirtschaftet zunehmend mehr überschüssiges Kapital. Das untermauert die jüngste Ankündigung des Unternehmens, bis 2025 über Dividenden und Aktienrückkäufe mehr als zwei Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten zu wollen.
Zyklische Konsumaktien
Wenn wir uns die Möglichkeiten im zyklischen Konsum ansehen, halten wir einige der Einzelhändler für Luxusgüter für sehr günstig. Die Unternehmen hatten in den letzten 12 bis 18 Monaten mit Gegenwind in Form der chinesischen Konjunkturabschwächung und ungünstiger Währungstrends zu kämpfen. Eine Belebung des chinesischen Konsums könnte eindeutig ein Segen für den Sektor sein. Trotz des gemischten Marktumfelds erwies sich der Börsenhandel bei einigen dieser Luxusmarken als recht widerstandsfähig.
Einer unserer Favoriten ist der an der Pariser Börse notierte Luxusanbieter Hermes, der eine starke finanzielle Performance mit einer sehr hohen Kapitalrendite gezeigt hat.
Das Unternehmen ist für uns auch deshalb interessant, weil es eine große Familienbeteiligung hat. Wir stellen häufig fest, dass Unternehmen mit einer großen Familienbeteiligung in ihrem Geschäft einen starken Fokus auf der Cash-Generierung und einen umsichtigen Ansatz für die Verwendung dieser Barmittel haben, was gut mit unseren Vorstellungen übereinstimmt.
Weil es sich um ein sehr cash-generatives Unternehmen handelt, kann es seine Expansion selbst finanzieren, indem es sein Filialnetz und seine Produktpalette ausbaut. Außerdem kann es viel Geld an die Aktionäre zurückzahlen. Derzeit verfügt das Unternehmen über einen Nettobarmittelbestand von etwa 12 Milliarden Euro.
In den nächsten Wochen werden zahlreiche europäische Unternehmen ihre Geschäftsberichte für den Zeitraum bis Ende 2024 veröffentlichen.
Das ist eine gute Gelegenheit für Anleger, die Berichte auf Cashflow-Daten und Bilanzveränderungen hin zu überprüfen und dabei besonders auf Änderungen der Rechnungslegungsgrundsätze, Revisionen der Vorjahresabschlüsse und die angegebenen Wachstumsprognosen zu achten.
Während wir unsere Portfolios mit Blick auf die neuesten Daten und Analysen optimieren, sind wir optimistisch, was die Aussichten für europäische Aktien anbelangt, und zuversichtlich, dass wir einige der attraktivsten Aktien mit gutem Cashflow in Europa finden können.
Ein Gastbeitrag von Samantha Gleave, Co-Head of the Liontrust Cashflow Solution Team.