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Der Blick aus Zürich

Euphorie am Anleihe- und Kreditmarkt

von Mikey Fritz

Risiko? Von wegen! An den Anleihe- und Kreditmärkten herrscht derzeit Euphorie. Die Gläubiger sind ausgesprochen zuversichtlich und nehmen gerne Risiken von Dritten auf. Selbst dann, wenn die dafür gezahlten Renditen ausgesprochen dünn sind. 

Die Risikobereitschaft am Anleihemarkt hat ihren Zenit erreicht. Sowohl im Dollar- als auch im Euro-Markt liegen die Finanzierungskosten für Unternehmen auf Rekordtiefs. Entscheidend ist dabei nicht das absolute Renditeniveau, sondern der Abstand der Unternehmensanleiherenditen zu den Referenzwerten – T-Notes und Bundesanleihen. Im Dollar-Raum ist dieser Spread auf den niedrigsten Stand seit 1998 gefallen, im Euro-Raum auf das geringste Niveau seit 2018.

Was bedeutet das? In Krisenzeiten steigen Spreads auf ein Maximum, in Phasen überbordender Euphorie fallen sie auf ein Minimum. Aktuell bewegen sich die Spreads durchschnittlicher Unternehmensanleihen im Euro- und Dollar-Raum bei rund 75 Basispunkten, also 0,75 Prozentpunkten Abstand zu den Renditen der Benchmarks. 

Ein extrem niedriger Spread signalisiert, dass Investoren Unternehmensanleihen fast so sicher einschätzen wie Staatsanleihen – eine klare Übertreibung. Diese Überbewertung entsteht meist dann, wenn zu viel Kapital nach renditestärkeren Anlagen sucht. Ein Minimal-Spread ist daher ein Warnsignal: die Risk-On-Rallye steht am Ende ihres Zyklus.

Euphorie am Anleihe- und Kreditmarkt erreicht einen Zenit

Warum folgt darauf oft eine scharfe Gegenbewegung? Ganz einfach: Renditen lassen sich bei minimalen Spreads nicht mehr steigern. Da niemand eine niedrigere Verzinsung bei Unternehmensanleihen akzeptieren würde als bei Staatsanleihen, kann sich der Spread bestenfalls der Null annähern. 

Die Gewinne für die Anleger entstehen vor allem während dieser Annäherung – sichtbar in steigenden Kursen plus der Kuponzahlungen. Je näher der Spread jedoch an Null rückt, desto geringer sind die Kursgewinne und desto niedriger fallen auch die Kupons neuer Emissionen aus. Am Minimum angekommen, beginnen die Renditen dann zu stagnieren und kippen letztlich, was die Performance ins Negative zieht. In dieser Phase zieht Kapital ab – die Folge können abrupt steigende Marktzinsen sein.

Die Unternehmensanleihemärkte in Dollar und Euro haben zeitgleich ihr Optimum erreicht. Für Unternehmen ist das erfreulich, da sich ihre Finanzierungskosten drastisch senken. Für Anleger jedoch bedeutet es, dass eine Stimmungswende die nächste logische Etappe am Kapitalmarkt ist – ein Punkt, den man in den kommenden Quartalen genau im Blick behalten sollte, denn mit steigenden Fremdkapitalkosten engt sich das zukünftige Wachstum ein. Eine Relation, die vor allem für reife und margenarme Geschäftsmodelle am Aktienmarkt von Bedeutung ist. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.