Ich nickte und wünschte ihm unter seinem Post viel Freude an der neuen Aufgabe, die er als riesige Herausforderung beschrieb. Aber seine Motivation wäre schließlich auch riesig. Top Einstellung! Viel Erfolg im neuen Job brauchte ich ihm nicht zu wünschen, denn den wird jemand mit seiner positiven Power meiner Erfahrung nach am Ende immer haben. Woanders neu zu starten, wenn man es sich am bisherigen Arbeitsort gut eingerichtet hat und es dort gut läuft, kostet erstmal Überwindung. Ich erinnere mich an meine eigenen Wechsel, oft nicht mal innerhalb der angestammten Branche, sondern meist der Sprung ins kalte Wasser in einem ganz anderen Terrain.
Als es mir im Unternehmen zu langweilig wurde, verzichtete ich auf die bemerkenswerten Sozialleistungen und wechselte in eine Promotion-Agentur. Mein Vater schlug die Hände über dem Kopf zusammen, denn er wähnte mich künftig im Windschatten eines zwielichtigen Box-Promoters. Auch als ich ihm erklärte, dass ich im Feld der Verkaufsförderung tätig werden würde, beruhigte ihn das nicht. Einen sicheren Job aufzugeben, war seine Sache nicht, aber ich machte es trotzdem. Ich war und bin ein neugieriger Mensch, liebe es, mich in neue Felder reinzutanken, Wissen aufzusaugen und zuvor gelerntes in einer neuen Welt einfließen zu lassen. Weil ich keine Ahnung von der Materie hatte, hatte ich auch keine Angst und schaltete bei Sprüchen wie „das geht nicht“ oder „das haben wir schon immer so gemacht“ automatisch auf Durchzug.
Gemeinsam mit einem tollen Team von Leuten, die ich nach und nach aus allen möglichen Branchen rekrutierte, wurden wir eine extrem erfolgreiche Agentur mit einem ganz besonderen Spirit. Noch heute schwärmen Ehemalige von dem einzigartigen Zusammenhalt, den wir in einem wunderschönen alten Haus in Düsseldorf-Kaiserswerth zelebrierten. Ein Personalberater offerierte mir irgendwann einen Job in der Musikindustrie. Auch da war ich ein Rookie, diente in der Auswahl der KandidatInnen als Joker, denn ich war der einzige, der nicht aus der Branche kam. Aber der smarte CEO der Company wollte das Label für Kinder-Entertainment bewusst umkrempeln, suchte einen Transformator, „einen jungen wilden mit verrückten Ideen“, wie mir der erfahrene Headhunter mit einem Lächeln im ehrwürdigen Breidenbacher Hof in Düsseldorf erklärte. Ich bekam den Job und durfte das machen, wofür ich geholt wurde: Alles verändern. Als ich als erste Amtshandlung den von meinem Vorgänger als „Friesenstube“ eingerichteten Konferenzraum von einem Trupp muskelbepackter Bauarbeiter mit Vorschlaghämmern einreißen ließ, grinste mein Chef. „Bei Veränderungen bleibt oft kein Stein auf dem anderen“, habe ich ihn noch im Ohr. Ein paar Jahre später klingelte wieder ein Personalberater.
Diesmal rief RTL: Der legendäre Pionier des Privatfernsehens, Dr. Helmut Thoma, wünschte sich einen Macher, der den Merchandising-Bereich des schnell wachsenden Kölner Senders weiter ausbaute. Als Stammzuschauer der TV-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ), war ich begeistert. Also heuerte ich in Köln an. Dr. Thoma war ein großartiger Chef. An meinem ersten Arbeitstag bekam ich einen Termin in seinem Büro. Er zeigte mir ein Chart mit den aktuellen Umsatzzahlen der Vermarktungserlöse rund um die TV-Serien des Senders und meinte: „Machen Sie mehr draus.“ Das war´s.
Ich scharte ein Team von MacherInnen um mich, mit einigen hatte ich schon an meinen vorherigen Stationen zusammengearbeitet. Wir verstanden uns blind, teilten die gleichen Werte und schufen zusammen wieder genau den „Winning Spirit“ den es braucht, um Erfolge zu produzieren. Wir taten das, was der Chef uns aufgetragen hatte: Wir machten einfach. Der Umsatz wuchs rasant, es gab nichts, was wir nicht im Angebot hatten – besonders das Merchandising rund um GZSZ war extrem erfolgreich, sogar einen eigenen Duft und eine Lava-Lampe in den Farben des Serien-Logos brachten wir zigtausendfach unter die Leute. An einem kalten Dezembertag kurz vor Jahresende bat mich Dr. Thoma in sein Büro. Es gab Gebäck und einen wunderbaren Kaffee, der Mann kommt aus Wien, er weiß, wie er sein muß. „Ich mag es, wenn Leute nicht dauernd fragen, sondern einfach machen. Machen Sie weiter so.“ So habe ich es seitdem überall gehandhabt und bleibe Fan von Menschen, die mit frischen Ideen, viel Begeisterung und ohne Angst etwas Neues beginnen.