Der Schein meines Lebens

Ein Kostüm für die Liebe!

von Bob Schmid

Im Laufe unseres Lebens bekommen wir diesen einen Schein, diesen bestimmten Betrag. Den uns jemand schenkt, den wir finden, gewinnen oder den wir jemandem abluchsen – und: an den wir uns für immer erinnern, weil er uns gerettet, berührt oder beschämt hat. Hier erzählen regelmäßig Menschen die Geschichte vom Schein ihres Lebens.
Heute: Wie Maria R. mit ihrem ersten Gehalt die Liebe ihres Lebens fand.

„Eigentlich sind es vier Scheine. Nach vier Jahren Lehre hatte ich mit 19 meine erste richtige Stelle als Schneiderin bei einem großen Modekonzern. Ich war stolz und überglücklich, musste aber im Akkord arbeiten: Am Band fuhren zwei Hemdsärmel heran, in die ich mit der Nähmaschine Schlitze für Manschetten einarbeitete. Zudem waren die Pausen kurz und es gab nur schnell ein Butterbrot auf die Hand. Aber ich mochte meine Arbeit sehr, weil ich Mode schon damals liebte und mich den ganzen Tag mit Stoffen und Entwürfen umgeben konnte.

In ein Kostüm aus der aktuellen Damenkollektion war ich von Anfang vernarrt: Ein Bleistiftrock – mit Schlitz und kurz, aber schon noch auf Knie. Dazu ein kurzer Blazer, das Ensemble grau mit Glencheck-Karos aus einem ganz leichten Wollstoff und einen knallroten Pullover aus Wolle und Seide.

390 D-Mark sollte das Kostüm kosten – für mich eine astronomische Summe. Aber träumte sogar nachts davon. Mein erster Lohn betrug 850 Mark. Ich war stolz und wusste schon, was ich mir davon kaufen wollte: Das Kostüm.

Mit Herzklopfen ging ich zur Bank und ließ mir 400 Mark aushändigen: Vier blaue Scheine mit einem Adler und einem strengen Mann darauf, den ich nicht kannte. Ich bekam weiche Knie, ich hatte noch nie so viel Geld in Händen gehabt! Sparen war bei meiner Familie immer ein Thema

Als ich am nächsten Tag von der Schicht nach Hause kam, hatte ich das Kostüm gekauft. Ich fühlte mich wie eine Königin! Mein strenger Vater hingegen war außer sich! „Wie konntest Du das denn machen!“, fluchte er. „Sparen sollst du! Für die Aussteuer. So hab‘ ich dich nicht erzogen…!“ Ich hielt dagegen, dass ich mir noch nie was gekauft hatte oder im Urlaub gewesen war. „Das ist mein Kostüm! Von meinem Geld. Das behalte ich!“

Vier Wochen später war im Nebenort Schützenfest. Ich trug das Kostüm. Es war draußen schon sehr warm für Anfang Juni und mein Outfit kratzte ein bisschen, aber das war mir egal! Später sprach mich dann ein junger Mann an, auf den ich schon öfters mal ein Auge geworfen hatte. Er sagte: „Toll siehst Du aus!“ und lud mich zum Tanzen ein.“

Und das Ende: „Wir haben vor Kurzem goldene Hochzeit gefeiert.“

Foto Teaser: Deutsche Bundesbank, Wikimedia Commons

ein Artikel von
Bob Schmid