© Tim Schäfer
FINANZWISSEN

Ein konservativer Weg zu den ersten Millionen: Im Interview mit Finanzblogger Tim Schäfer

von Pauline Brinkmann

Als kleiner Junge wuchs er in Mannheim auf und wurde im Jahre 2006 durch seine Leidenschaft für Finanzmärkt nach New York getrieben, von wo aus er seitdem über seinen Blog „Tim Schäfer Media“ fast täglich über das Börsengeschehen berichtet. Als freier Journalist schreibt er außerdem für verschiedene Medien wie „Börse Online“, „Euro am Sonntag“ oder das „aktien Magazin“.

Heute verrät er uns, wie an der Börse quasi jeder zum Millionär werden kann und warum es für erfolgreichen Aktienhandel weder eines dreimonatigen Onlinekurses noch eines Super Mindsets bedarf. Er erzählt uns zudem, warum für junge finanzmarktinteressierte Menschen die Stadtbibliothek die erste Anlaufstelle sein sollte und wie man sich vor dubiosen Investmentversprechen im Internet schützen kann. 

Wann hat Ihr Interesse für Themen wie Investieren und Anlegen begonnen?

Das war eigentlich schon als Jugendlicher ein wichtiges Thema für mich. Ich habe viele Nebenjobs gehabt und wollte mir unbedingt ein eigenes Vermögen aufbauen. Ich habe zum Beispiel bei McDonald’s gearbeitet, wo ich nach der Schule mit dem Fahrrad hingefahren bin. Oder später habe ich dann auch in einer Buchhandlung gearbeitet. Der Grund dafür war, dass von Zuhause aus nicht immer so viel Geld da war und ich mir nicht immer einfach alles kaufen konnte, was gerade „In“ war. Das hat mich dazu motiviert selbst aktiv zu werden. Im Laufe der Zeit wurde mir dann aber auch bewusst, dass ich gar nicht so viel Besitz brauche, wie ich dachte. Ich habe mich zum Beispiel gefragt: Warum sollte ich jetzt wegen eines Paar Lederschuhe den ganzen Tag in der Buchhandlung stehen? Das hat mich dann dazu verleitet, minimalistischer zu leben. Am Anfang habe ich Festgeld und Sparbücher gehabt und mit zwanzig begann ich mit der Anlage in Aktien.

Sie haben in der Vergangenheit öfter gesagt, dass man so früh wie möglich investieren sollte, am besten schon in jungen Jahren. Ab wann ist eine Geldanlage in Aktien denn wirklich ratsam?

Ich würde bereits für ein Kind ein Depot eröffnen, da sich das Geld über die Jahre wirklich summiert. Das machen in Amerika, gerade angesichts der teuren Hochschulausbildung, tatsächlich sehr viele Familien. Außerdem gibt es dort häufig auch steuerliche Modelle, die helfen, dass man steuerfrei sparen und investieren kann.

Gerade angesichts der Wahl stand des öfteren ein kapitalbasiertes Rentensystem zur Diskussion. Was ist ihre Meinung dazu?

Der Kapitalmarkt beziehungsweise der Aktienmarkt sollte auf jeden Fall eine Rolle spielen, wenn es um das Thema Rentenvorsorge geht. Denn die Aktienbörse ist das Beste Vehikel für eine Altersvorsorge, dort hat man schlichtweg die höchste Rendite. Im Schnitt reden wir hier von 8-10% Rendite. Fakt ist: Keine andere Anlageklasse bietet so viel Rendite. Beim Aktienmarkt kommt, wenn man selbst beziehungsweise die Eltern bereits im Kindesalter mit dem Anlegen anfangen, auf Grund des Zinseszinseffektes über die Jahre viel Geld zusammen. Auf diesem Wege, so verrückt es klingen mag, kann fast jeder zum Millionär werden.

Ist der frühe Einstieg auf den Kapitalmarkt auch das Geheimrezept Ihres Erfolges?

Genau, ganz früh anzufangen ist enorm wichtig, denn wenn man zu lange wartet, ist es zu spät. Mit 50 kann man einfach nicht mehr so viel bewegen. Außerdem ist es sehr wichtig Geduld zu beweisen und nicht durch Trading hin und her zu springen mit den Investments.

Ratsam wäre es schon früh in einen ETF einzusparen – mit ganz geringen Gebühren und kostenschonend jeden Monat mit einem Sparplan das Geld anzulegen. Damit kann man selbst bereits mit 16 starten und von dem Taschengeld ein bisschen was investieren oder beispielsweise die Großeltern um kleine Summen bitten. Lässt man das Geld im ETF lange genug liegen, kommt der Schneeball richtig ins Rollen.  

Wären ETFs dann quasi auch ihr Einstiegstipp für junge Menschen, die damit beginnen möchten, ihr Geld gut anzulegen?

Genau mit einem ETF kann man ein schönes Fundament legen. Ich weiß auch, dass das für viele Menschen am Anfang sicher sehr langweilig erscheinen mag, weil sich so wenig bewegt, doch langfristig zahlt sich eine Schwerpunktsetzung in diesem Bereich definitiv aus. Parallel kann man auch noch in andere Aktien investieren von Firmen, mit denen man sich auskennt oder bei denen man sich ein Wachstum verspricht.

Vor was würden Sie junge Menschen warnen, die über Neobroker Apps und Co. investieren? Welche potenziellen Risiken verstecken sich hier?

Das Problem ist, dass diese Apps versuchen, ihre Nutzer dazu zu motivieren regelmäßig sehr aktiv zu sein, das haben sie am Anfang vor allem mit Features wie Feuerwerke, die losgehen oder irgendwelchen Tönen, die erklingen, gemacht. Das Problem bei diesen Apps ist einfach, dass man da zu oft drauf schaut und immer so ein bisschen diese Casinomentalität mitschwingt. Das ist jedoch gerade das Verkehrte an der Börse, denn da geht es vor allem darum, über lange Zeiträume Geduld zu beweisen und die Aktien liegenzulassen, sonst fliegt man schnell auf die Nase. Das Hin und Her macht wirklich Taschen leer, es bringt nichts, sondern kostet nur Steuern und Gebühren.  

Was war für sie persönlich die prägendste Erfahrung an der Börse?

Natürlich habe auch ich viele Fehler gemacht. Ich habe gerade am Anfang viel in Unternehmen investiert, die dann bankrott gegangen sind wie im Solar- oder Mienenbereich. Man sollte gerade zu Beginn konservativ sein und nicht einfach blind Trends hinterherrennen, wie gerade zum Beispiel dem 3D-Trend oder dem Cannabis-Trend… Trends kommen und explodieren, das kann sich kurzfristig lohnen, aber man sollte sich immer auch überlegen, wo steht so etwas in fünf oder zehn Jahren. Das überlege ich mir immer, bevor ich etwas kaufe. Wenn ich das nicht weiß, dann lass ich die Finger weg. Gerade deswegen würde ich zum Investment in ETFs raten.

Was ist Ihr Tipp, wie erkenne ich gute Investments an der Börse?

Eine Strategie, die ich gerne anwende, ist die sogenannte „Dividendenstrategie“. Das heißt ich schaue mir an, ob die jeweilige Firma zum Beispiel im Rahmen der letzten 15 Jahre regelmäßig ihre Dividenden erhöht hat. Da gibt es sogar Unternehmen, die seit 50 Jahren ihre Dividenden erhöhen. Hierauf kann man in der Regel vertrauen und sicher sein, dass Firmen, die über so viele Krisen ihre Dividenden erhöht haben, sowohl gute Produkte als auch ein gutes Management haben. Dann sollte man hier den „Buy-and-Hold-Ansatz“ verfolgen, sprich kaufen und liegen lassen. 

Außerdem kann man sich bei den Wachstumsfirmen, also bei den großen Marktführern umschauen und dort Aktien kaufen. Besonders interessant wird es dann, wenn ein Marktführer eine Krise hat und die jeweilige Aktie kurzzeitig einbricht.

Welche Medien konsumieren Sie, um sich einen guten Überblick über die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten zu verschaffen?

Ich lese das „The Wall Street Journal“, den „Economist“, der erscheint wöchentlich und die Börsenzeitung „Investor‘s Business Daily“, das erscheint ebenso wöchentlich und da geht es vor allem um Wachstumswerte. Außerdem schaue ich regelmäßig in „Yahoo Finance“ hinein, das ist eines der größten Finanzportale der Welt. Sonst lese ich natürlich auch gerne die Deutschen Medien, ich finde gerade den Finanzteil der „FAZ“ beispielsweise sehr gut gestaltet.  

Sie haben mit einem kleinen Betrag angefangen und daraus ein ganzes Vermögen gebaut. Wie realistisch ist es, dass junge Menschen Ihnen dies gleichtun können und ebenso erfolgreich werden? Bedarf es dafür Talent, beziehungsweise einer gewissen Intelligenz, oder gar Glück? Oder geht es an der Börse wirklich nur darum, sich entsprechend in die Thematik einzulesen? 

Theoretisch kann es jeder zu den Millionen schaffen. Wichtig ist hier: Früh anfangen und den eigenen Konsum einschränken. Ich kann nicht leben wie Gott in Frankreich und auf ein großes Vermögen hoffen, sondern sollte beispielsweise anfangen 20%-30% meines Gehaltes zu sparen. Ich lebe zum Beispiel nach wie vor sehr bescheiden, ich habe seit 15 Jahren kein eigenes Auto und schränke mein Konsumverhalten immer noch ein. So kann man sich in 10-20 Jahren ein echtes Vermögen aufbauen. Ich lasse meine Aktien ewig liegen und so gelang es mir, diese teilweise zu verhundertfachen.

Gibt es Branchen, wo sie gerade Post-Corona viel Potenzial sehen?

Die Banken und Versicherungen werden meiner Einschätzung nach auf Grund der Inflationsängste und den daraus folgenden steigenden Zinsen profitieren. Außerdem sind für mich persönlich Lebensmittelhersteller nach wie vor ein attraktives Investment. 

Haben Sie einen Rat, wie sich junge Menschen, in der zunehmenden Flut an Werbung von Finanzapps, neuen Banken und Co. zurechtfinden und dubiose Versprechen enttarnen können?

Ich würde auf jeden Fall dazu raten, niemals Geld an eine Bank zu überweisen, die man nicht kennt.

Bei der Bewerbung von angeblich guten Investments im Bereich der Sozialen Medien würde ich als Nutzer immer überlegen: Wo steht diese Firma in fünf bis zehn Jahren? Wenn ich darauf keine Antwort habe, würde ich nicht investieren. Also selbst recherchieren und dann überlegen: Gibt es ein gutes Produkt, haben die einen guten Ruf, usw. Man kann grundsätzlich auch sagen, dass diese Investmentkurse, an denen man gegen Bezahlung teilnehmen kann, in der Regel unnötig sind, dieses Wissen kann man sich auch aus der Stadtbibliothek oder dem Internet holen.

Gibt es noch etwas, das Sie unseren Leser zum Abschluss mit auf den Weg geben möchten?

Ich würde ihnen auf jeden Fall empfehlen, sich im persönlichen Umfeld Ansprechpartner oder Mentoren zu suchen, die sich auf dem Finanzmarkt gut auskennen. Es hilft ungemein, wenn man im Umfeld jemanden hat, der große Hoffnungen auf einen setzt. Außerdem hat es mich immer motiviert ein Idol zu haben, bei mir waren das damals Charlie Munger und Warren Buffet. Hier habe ich beispielsweise durch Interviews, die sie gegeben haben oder über andere Veröffentlichungen immer etwas dazulernen können. Das ist gerade zu Beginn eine große Hilfe.

 

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.