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Wie glücklich macht Geld?

Die Top-Priorität für 2022: Priorisieren

von Frank Behrendt

Die Schlager-Ikone Howard Carpendale lässt sich zu Beginn eines neuen Jahres mit seinem größten Hit hervorragend zitieren: „Hello again“ – alles beginnt im Januar schließlich wieder von vorne. KollegInnen sehen sich am Arbeitsplatz wieder, remote oder in echt, Projekte gehen weiter oder werden im gleichen Stil neu aufgesetzt.

Aber ist es überhaupt ratsam, im gewohnten Trott 2022 da weiterzumachen, wo wir 2021 aufgehört haben? Ich finde nicht. Immerhin haben wir nach 16 Jahren auch eine neue Regierung, die vertraute Kanzlerin Merkel wurde durch den Kollegen Scholz abgelöst. Es gibt einen Koalitionsvertrag mit ganz vielen Zielen, die sich die Ampelkoalition vorgenommen hat. Und doch gilt es in Zeiten von Corona erstmal vordringlich dieses Problem zu lösen. Es hat oberste Priorität. Da sind wir genau beim Thema: Priorisierung. Wozu dient die überhaupt? 

Prioritäten ordnen verschiedene Aufgaben, diverse Wünsche oder unterschiedliche Optionen hierarchisch. Sie geben den einzelnen Positionen eine abgestufte Bedeutung und bringen sie in eine möglichst sinnvolle Reihenfolge. Indem wir Prioritäten setzen bündeln wir nicht nur Ressourcen und Energie – wir helfen uns vor allem dabei, besser zu entscheiden, eigene Ziele zu finden und am Ende zu erreichen. Wer dazu nicht in der Lage ist, wird sich immer wieder verzetteln, falsche Entscheidungen treffen, Deadlines nicht einhalten und wird früher oder später unzufrieden. Im Privatleben genauso wie im Job. Prioritäten sind dabei übrigens nicht statisch, sondern verändern sich mit zunehmendem Alter – ich selbst kann ein Lied davon singen.

Gerade materielle Dinge, die mir einst erstrebenswert erschienen, spielen immer mehr eine untergeordnete Rolle. Grundlage aller Priorisierung ist zu wissen, was man wirklich will – jetzt und künftig. Denn dann kann man Ziele entsprechend justieren. Nicht zu priorisieren ist dagegen keine Lösung, auch kein Gewinn an Freiheit. Im Gegenteil, denn der Weg führt in die Orientierungslosigkeit und garantiert nicht ans Ziel.

Amüsant fand mein früherer Coach immer die Aussage über „die richtigen Prioritäten“ – die gab und gibt es in seiner Logik nämlich nicht. Prioritäten zu setzen hat schließlich immer mit den eigenen Zielen zu tun, und die sind alternativlos richtig, allerdings nicht immer dringlich und massentauglich. In diversen Bestsellern von Effektivitäts-Gurus werden zahlreiche Methoden angepriesen. Sie haben oft wohlklingende Namen wie „Eisenhower-Methode“, „Ivy-Lee-Methode“ oder „ABC-Methode“. In bester Storytelling-Manier gibt es dazu jeweils eine Legende, die erzählt, wie etwa der frühere General und US-Präsident seine Entscheidungen getroffen hat. Am Ende geht es aber immer um die gleiche Essenz: Die Differenzierung zwischen wichtig und unwichtig sowie eilig und nicht eilig.

Dazu braucht es keine dicken Bücher, sondern eigentlich nur den gesunden Menschenverstand, ein Blatt Papier oder ein Smartphone, um seine To Dos zu ordnen, um sie dann konsequent in der definierten Reihenfolge abzuarbeiten. Ganz wichtig ist dabei, dass private Aufgaben auch welche sind, die im Rahmen einer Gesamt-Priorisierungsliste berücksichtigt werden sollten. Denn die Zeit, die uns allen zur Verfügung steht, ist (leider) endlich. Wenn wir also ein To Do zusätzlich aufnehmen, muss ein anderes dafür weichen.

Viele verschieben dann persönliche oder familiäre Dinge nach hinten. Aus meiner Sicht keine gute Idee. „Leider machen viele den Fehler, dass sie nicht im Blick haben, was ihnen langfristig gut tut“, erklärte mir kürzlich beim englischen Tee eine befreundete Psychologin. „Das Leben ist ein Langstreckenlauf, da sollten wir Prioritäten nicht auf Basis von 100-Meter-Läufen setzen“.

Ein treffendes Bild, das ich mir gemerkt habe. Ich selbst habe für mich vor Jahren die Entscheidung getroffen, dass zum Beispiel die Geburtstage meiner drei Kinder für mich absolute Priorität genießen. An ihnen wollte und will ich da sein, die Glückstage mit Emily, Josh und Holly zelebrieren. Komme was wolle. Wie immer im Leben kam auch mal ein wichtiger Pitch um die Ecke. Ich musste mich entscheiden: Geld oder Liebe. Ich griff zum Telefonhörer und rief bei der verantwortlichen Managerin an. Die Ehrlichkeit imponierte ihr, der Geburtstag meiner jüngsten Tochter, der auf einem Ponyhof mit sechs weiteren kleinen Bibi & Tina-Fans gefeiert werden sollte, war auch für sie ein schlagendes Argument, den Termin um einen Tag zu verschieben. Mein Learning: Priorisierung ist wichtig und eine offene und transparente Kommunikation auch. Mit diesem Duo kommt man gut durchs Privat- und Berufsleben. Den Pitch haben wir übrigens gewonnen und zu der Kundin habe ich immer noch einen guten Draht, nächste Woche treffe ich sie zum Kick-Off für das neue Jahr.

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Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.