Bevor ich mich von einem selbsternannten Schlaumeier vercoachen lasse, würde ich lieber Geld für eine neue Margarine im Butterregal ausgeben, wenn ich damit der bleiben darf, der ich bin. Wer dieses schöne Stück TV-Werbegeschichte in den 80er Jahren nicht live miterlebt hat, den Clip gibt’s immer noch auf YouTube. Sich zu verbessern, Potenziale zu heben, Schwächen abzustellen ist nichts wirklich Neues. Im Sport hatten alle Trainer:innen nie etwas anderes im Sinn.
Irgendwann haben dann auch Führungskräfte damit angefangen, inzwischen optimieren sich eigentlich alle. Keine Frage, die sozialen Netzwerke haben einen nicht unerheblichen Anteil an dem Boom, gerade wenn es um den Lifestyle der Generation Instagram geht. Schlanker, schöner, fitter turnen es Ikonen mit millionenschwerer Reichweite wie Pamela Reif täglich vor. Der Boom der Selbstoptimierung hat zum Ziel, das individuelle Leben zu perfektionieren.
Damit die Sich-Selbst-Verbesser:innen es auch schön übersichtlich haben, ist eine ganze Industrie mit mehr oder weniger hilfreichen Gerätschaften entstanden. Los ging es mit Fitnessarmbändern, Nahrungsergänzungsmitteln und Smartwatches. Mittlerweile lassen sich einige schon Chips unter die Haut implantieren, damit der bessere Lebensstil rund um die Uhr überwacht werden kann. So sehr sich Ärzte darüber freuen, dass ehemalige Couch-Potatoes oder Bürostuhl-Dauersitzer:innen sich nun mehr bewegen, man sollte es nicht übertreiben.
Im Deutschen Ärzteblatt wurde bereits geschrieben, dass die Selbstoptimierungs-Welle schon mal „groteske Ausmaße annimmt.“ Steve Ayan, Psychologe und Buchautor („Hilfe, wir machen uns verrückt. Der Psychokult und die Folgen.“) hat in einem Interview treffend gesagt: „Wir zerbrechen uns den Kopf darüber, wie wir das Bestmögliche aus allem herausholen. Das raubt uns die Ruhe und Gelassenheit, um zu erkennen, was wir eigentlich haben.“ Womit wir wieder beim Zufriedenheitsaspekt des „Ich-will-so-bleiben-wie-ich-bin“ Werbefilms sind. Mein weiser Psychologenfreund Bertold rät dazu, nicht ständig um uns selbst zu kreisen, sondern uns auch mal hängen zu lassen.
Die ständige Fokussierung darauf, wie es einem heute geht, ob der Job die Erfüllung bringt, was als nächstes To-Do auf der persönlichen Optimierungsliste steht, führt am Ende dazu, dass der Pegel der Unzufriedenheit steigt. Diverse Studien haben ergeben, dass Menschen, die sich ständig darauf konzentrieren, zufrieden zu sein, am Ende real weniger Zufriedenheit erleben. Wer ständig darauf achtet, ob er auch ja glücklich ist, nimmt viel stärker wahr, wenn er es mal nicht ist.
Exemplarisch für den Drang nach Perfektionismus steht die Spezies der sogenannten „Lohas“, abgekürzt steht die Bezeichnung für „Life of Health and Sustainability“. Sie beobachten sich ständig selbst auf dem Weg zum großen Glück und zum perfekten Ich. Sich immer nur anzutreiben, sich Dinge zu versagen, alles durchzutakten und unvermeidliche Dinge als „No-gos“ zu klassifizieren, die es zu verhindern gilt, geht an die Substanz.
Der renommierte amerikanische Psychologe Barry Schwartz unterteilt Menschen in „Maximizer“ und „Satisficer“. Die Satisficer geben sich mit ihrer getroffenen Wahl rasch zufrieden. Maximizer dagegen wollen unter allen denkbaren Optionen immer die beste finden und zweifeln oft noch lange an ihrer Wahl. Sie werden leider oft depressiv, weil sie beständig das Gefühl plagt, nicht die beste Chance genutzt zu haben. Für die psychische Gesundheit ist es dagegen wichtig, Bereiche zu bewahren, in denen Stress und Leistung mal gar keine Rolle spielen, wo man sich mal nicht entscheiden muss.
Ein geistiges Detoxing gewissermaßen. Einfach mal nichts machen ist herrlich entschleunigend. In den Himmel schauen und Wolken verfolgen, sich von der Sonne wärmen lassen, dem Rauschen der Wellen lauschen – einfach nur so. So heißt übrigens ein wunderbares Lied aus dem Musical „Der kleine Tag“ des populären Kinderliedermachers Rolf Zuckowski, mit dem ich in meiner Zeit in der Musikbranche zusammenarbeiten durfte. Als er zu uns ins Büro kam und den Refrain des Stücks vorspielte waren wir alle begeistert, weil er es so einfach und klar auf den Punkt brachte, worum es bei allem Verständnis für Ziele auch mal gehen sollte: “Nicht weil es Geld bringt, nicht weil es nützt, nicht damit andere es bewundern – Nein, nur so, einfach nur so.“