Wer sind diese Finanzgenies?

Der Kreis der fünf Wirtschaftsweisen

von Anton Kleihues

In den Kreis der Wirtschaftsweisen berufen zu werden ist eine der größten Ehren überhaupt. Nur die besten Wirtschaftsexperten schaffen es in dieses Gremium. ZASTER fasst die interessante Entstehungsgeschichte der Wirtschaftsweisen und deren Aufgaben zusammen.

Der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ ist ein Gremium, das 1963 gegründet wurde. Es besteht aus fünf Finanzexperten, die die Besten ihres Faches sind. Nicht ohne Grund ist die ökonomische, politische und wissenschaftliche Expertise der Weisen in der Öffentlichkeit zum höchsten Grad anerkannt. Viele Ökonomen träumen ihr ganze Leben von einer Berufung in den „Olymp von Wiesbaden“, wo das Gremium tagt, beziehungsweise in die Royal Commission“. Es ist eine der höchsten Auszeichnungen, die einem Ökonomen zuteil werden kann.

Kein geringerer als der „Vater der sozialen Marktwirtschaft“ steckt hinter der Entstehungsgeschichte dieses Gremiums. Der ehemalige Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard schlug 1958 gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Theodor Blank ein „Sachverständigengremium für Wirtschafts- und Sozialpolitik“ vor. Sein Kalkül war, die politische Debatte zu versachlichen. Der Vorschlag stieß aber beim Bundeskanzleramt und der CDU/CSU auf Ablehnung. Sein Chef, der Bundeskanzler Konrad Adenauer, reagierte auf den Vorschlag mit Entrüstung und soll seinen Wirtschaftsminister gefragt haben: „Erhard, woll’n Sie sich ’ne Laus in ’n Pelz setzen?“ Ein politisch brisanter Zwist! Als Erhard in den Jahren darauf allerdings nicht locker lies und es schaffte, auch die Medien hinter dem Vorschlag zu vereinen, blieb Adenauer nichts anderes übrig, als den Wirtschaftsminister und Vizekanzler gewähren zu lassen.

Das Gremium hatte direkt alle Hände voll zu tun: Neben der jährlichen Analyse und Prognose der gesamtdeutschen Wirtschaftslage ist der Auftrag der Finanzexperten, die „Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie in der Öffentlichkeit“ zu erleichtern. Dabei ist die direkte Einflussnahme oder das Aussprechen von Empfehlungen allerdings unerwünscht. Der Grund hierfür ist politischer Natur: Adenauer fürchtete, die Mitglieder des Rats würden zu großen Einfluss nehmen und versuchte dies durch das Verbot zu unterbinden. Schön gedacht- in der Praxis funktioniert das allerdings nicht. In den jährlichen Gutachten und den Stellungnahmen des Gremiums sind indirekte und manchmal auch recht direkte Empfehlungen zu finden. Der ehemalige Wirtschaftsweise Hans-Jürgen Krupp sagte 2014 gegenüber dem Handelsblatt, unabhängige, neutrale Wirtschaftswissenschaft sei eine Fiktion. Er forderte, der Sachverständigenrat solle von dem „Deckmäntelchen der Neutralität“ befreit und in ein Beratungsgremium umgewandelt werden.

Der Rat der Wirtschaftsweisen soll neben Analyse und Prognose der wirtschaftlichen Lage die als Magisches Viereck bezeichneten vier Wirtschaftsziele verfolgen: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges Wirtschaftswachstum. All dies muss vor dem Hintergrund einer gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen auf die Bevölkerung Deutschlands geschehen. Erhard kannte aus eigener Erfahrung die Brisanz der Verteilungsfrage, die uns bis heute immer wieder beschäftigt. Aus diesem Grund war es ihm wichtig, dass das Gremium Volksaufklärung betrieb und Gruppeninteressen verfolgte. Den Menschen sollte klar gemacht werden, dass sie „im selben Boot“ sitzen. Dafür wird ein jährliches Gutachten erstellt, das der Bundesregierung bis zum 15. November zugeleitet wird. Spätestens acht Wochen später muss die Bundesregierung dazu Stellung nehmen. Daher wird das Gutachten jedes Jahr mit Spannung erwartet.

Jedes Mitglied des edlen Gremiums wird auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten berufen. Wiederberufungen sind zulässig. Im Sinne der Ausgewogenheit setzt sich das Gremium meist aus jeweils zwei hochkarätigen Professoren vom Arbeitnehmerflügel und aus dem wirtschaftsnahen Umfeld sowie einem Vertreter eines Wirtschaftsforschungsinstitutes zusammen. ZASTER fasst die aktuellen Wirtschaftsweisen kurz zusammen:

1
PROF. DR. CHRISTOPH M. SCHMIDT

Christoph Schmidt ist seit März 2009 Mitglied und seit 2013 Vorsitzender der Wirtschaftsweisen. Im Gremium spezialisiert er sich auf die Arbeitsmarkt- und Energiepolitik. Er ist Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und Professor für Wirtschaftspolitik und angewandte Ökonometrie an der Ruhr-Universität Bochum.
Schmidt wurde 1962 in Australien geboren, ist verheiratet und hat einen Sohn.

„Wir brauchen keine Technokraten, die Kunst um der Kunst Willen betreiben. Die angewandte Wirtschaftsforschung muss so einfach wie möglich sein – aber auch so komplex wie nötig.”

Christoph M. Schmidt

2
PROF. DR. PETER BOFINGER

Peter Bofinger ist Dienstältester der fünf Weisen. Der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg wurde schon 2004 berufen. Er konzentriert sich auf Europapolitik. Er ist Autor der Bücher „Wir sind besser, als wir glauben – Wohlstand für alle“ und „Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro“.
Bofinger wurde 1954 in Pforzheim geboren und hat eine Tochter.

„In meinem Privatleben bin ich ein sehr flexibler Mensch. Als Ökonom ist es aber wichtig, dass man bestimmte Positionen rüberbringt. Die Kompromisse macht die Politik schon selber.”

Peter Bofinger

3
PROF. DR. DR. H.C. LARS P. FELD

Feld ist seit März 2011 Teil der Wirtschaftsweisen. Seine Arbeitsgebiete im Rat sind die Finanz- und die Sozialpolitik. Er ist Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik in Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts.
Er wurde 1966 in Saarbrücken geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder.

„Steuerungsideale einer liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung sind die Bürgersouveränität im politischen Bereich und die Konsumentensouveränität im wirtschaftlichen Bereich. Die Bürgerinteressen stellen die einzige Legitimationsquelle für Entscheidungen in der politischen Handlungsarena dar.”

Lars P. Feld

4
PROF. DR. ISABEL SCHNABEL

Die einzige Frau im Quintett! Finanzmarktexpertin Isabel Schnabel wurde im Juni 2014 berufen. Sie ist Professorin für Finanzmarktökonomie in Bonn sowie Forschungsprofessorin am Centre for Economic Policy Research (CEPR) sowie am Max-Planck-Institut. Sie untersucht vor allem Bankenregulierung und das „Too-big-to-fail“-Phänomen.
Schnabel ist verheiratet und hat drei Kinder.

„Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Finanzinstitute, die nicht mehr tragfähig sind, tatsächlich abgewickelt werden können. Das gilt insbesondere für die großen, systemrelevanten Banken.”

Isabel Schnabel

5
PROF. VOLKER WIELAND, PH.D.

Last but not least: Wieland ist seit März 2013 Mitglied des Gremiums. Er ist Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt.
Wieland wurde 1995 an der Stanford-Universität in den USA promoviert und arbeitete anschließend für fünf Jahre an der US-Notenbank (Federal Reserve) in Washington.

„Die Nachfrage nach Krediten hängt längst nicht nur von der Höhe der Leitzinsen ab. Entscheidend sind auch die Ertragsaussichten der Unternehmen, die damit neue Investitionen finanzieren wollen. Und für wie kreditwürdig die Bank diese Unternehmen hält. Das ist wie mit dem Wetter: Wenn es mal wieder einen heißen Tag gibt, ist dies auch nicht zwangsläufig eine Folge des steigenden CO₂-Ausstoßes. Es kann auch einfach daran liegen, dass gerade Sommer ist.”

Volker Wieland
ein Artikel von
Anton Kleihues
Anton studiert Politik in Berlin und liebt es, zu schreiben. Als ZASTER-Redakteur versucht er dabei immer neue, aktuelle und relevante Themen zu behandeln. Am liebsten berichtet er über Politik und Sport.