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Der Blick aus Zürich

Die „Everything“ Rallye kommt in Europa an

von Mikey Fritz

Die „Everything“ Rallye kommt in Europa an. Nach den Big Caps geht die Hausse in die Breite und erfasst auch die Mid- und Small-Caps.

Die Diskrepanz zwischen dem DAX und dem restlichen deutschen Aktienmarkt war in den letzten Monaten frappierend. Der Blue Chip Index performte im Einklang mit der Wall Street, aber alle anderen deutschen Benchmarks blieben zurück. Als erstes brach im 1. Quartal der TecDAX aus und folgt nun dem DAX. Doch MDAX und SDAX machten keine Anstalten, sondern liefen weiter seitwärts. Der Mid-Cap Index notiert immer noch rund 10.000 Punkte unter dem Allzeithoch, während der DAX von Rekord zu Rekord stürmt. Die gute Nachricht ist:

Im März hat sich der Knoten gelöst. Sowohl der MDAX als auch der SDAX beginnen nach oben auszubrechen. Der Fokus liegt auf dem Small-Cap Index, der derzeit eine 1-jährige Widerstandszone rund um die Marke von 14.000 Punkten überwindet. Das Vorbild ist hier der Russell 2000 Index, der den Weg für Europa ebnet. Der MDAX, die derzeit schwächste deutsche Benchmark, kämpft aktuell mit der gleitenden 200 Tage-Linie, hat aber sehr gute Chancen, dem Rest des Marktes nach oben zu folgen. 

Bekommen wir einen Super-Juni?

Einer der wichtigsten Katalysatoren hinter diesem Run ist die steigende Erwartung, dass wir einen Super-Juni bekommen. Die Schweizerische Nationalbank hat bereits vorgelegt und die Zinsen im März gesenkt. Vorausschauend, denn die Inflation wird in den Augen der SNB so schnell sinken, dass mit Blick auf 2025 / 26 das Thema Deflationsbekämpfung wieder in den Fokus kommt. Davon sind die anderen Notenbanken, abgesehen von der Bank of Japan, weit entfernt. Deren Augenmerk liegt nun zunehmend auf der Konjunkturentwicklung. 

Verbal wurden im März mehrere Zinssenkungen vorbereitet. Sowohl die Bank of Canada, die Bank of England, die Europäischen Zentralbank als auch die Federal Reserve signalisierten alle mehr oder weniger deutlich, dass man die Tür für eine Zinssenkung geöffnet hat. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Kapitalmarkt auf eine Zinsveränderung vorbereitet werden soll, die in wenigen Monaten ansteht. Kurzum: Die Börse beginnt darauf zu spekulieren, dass die Zinsen im Euro, Kanada-Dollar, Pfund und im US-Dollar im Juni parallel sinken werden. Eventuell auch noch im Franken.

Bullisches Momentum

Sinkende Zinsen bedeuten, dass mit einer Reflation der Bewertung zu rechnen ist. Und das gilt sowohl für den Aktienmarkt als selbstverständlich auch für den Anleihemarkt. Dort kaufen sich die großen Adressen verstärkt in die kurzlaufenden Unternehmens- und Staatsanleihen mit den guten bis sehr guten Bonitäten ein. Das Risiko ist gering, aber die Rendite sehr attraktiv, wie im aktuellen Zürcher Finanzbrief (https://www.zuercher-boersenbriefe.ch/Zuercher-Finanzbrief-0724) dargestellt.

Im Ergebnis: Die größte Upside haben in diesem Umfeld die Aktien. Vor allem, weil immer noch ein nennenswerter Teil der Anleger der Rallye skeptisch gegenübersteht. Schaut man auf die Perspektiven für die Konjunktur, ist das verständlich. Die Börse ist jedoch kein Abbild der Realwirtschaft, sondern kann sich für einen langen Zeitraum von ihr abkoppeln. Länger als die Solvenz der meisten Bären reicht. 

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Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Mikey Fritz an der Börse. Seine Karriere begann er als Wirtschaftsredakteur für die n-tv „Telebörse“. Es folgte die Gründung der FM Research in Berlin, welche Privatkunden und institutionelle Kunden mit eigenem Kapitalmarkt-Research beriet. Vor 15 Jahren setzte er einen neuen Schwerpunkt auf das Portfoliomanagement bei großen Vermögensverwaltern in der Schweiz und Deutschland sowie auf die Beratung von Finanzinstituten. Die Redaktion des Zürcher Finanzbriefes ist und bleibt aber sein Steckenpferd.