© Photo Anne Hufnagl / Christian Dobner
ZUKUNFT

Die Aktienrente: Rettung des deutschen Rentensystems?

von Christian Dobner

Die Differenz zwischen dem letzten Nettoeinkommen vor dem Renteneintritt und der Höhe der gesetzlichen Rente bezeichnet man gemeinhin als sogenannte Rentenlücke. Laut Prognose aus dem letzten Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung von Ende 2022 beträgt das durchschnittliche Rentenniveau (vor Steuern) bis zum Jahr 2036 nur noch ca. 45 % des letzten Nettoeinkommens vor dem Renteneintritt.

Der gleichen Prognose ist zu entnehmen, dass im Ruhestand ca. 80 % des letzten Nettolohns benötigt werden, um den Lebensstandard vor Renteneintritt halten zu können. Die Versorgungslücke beträgt somit satte 35 %. Nach einer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) beträgt die durschnittliche Rentenlücke in Deutschland bereits heute in etwa 700 Euro im Monat. Mit Blick auf die Prognose der Bundesregierung für 2036 wird die Rentenlücke massiv ansteigen. Im Ergebnis bedeutet dies starke Einschränkungen oder gar Verarmung im Alter. Auf das aktuelle Rentensystem ist folglich kein Verlass mehr. 

Woran liegt dies? Was kann jeder einzelne dagegen unternehmen? Und ändert die Einführung der sogenannten Aktienrente hieran etwas?

Das deutsche Rentensystem und das Problem mit der Demografie

Das derzeitige deutsche Rentensystem geht dem Grunde nach auf das Kaiserreich zurück, in dem im Jahre 1889 erstmals per Gesetz eine Altersversicherung eingeführt wurde. 

Das Rentenversicherungssystem wurde im Laufe der Zeit immer wieder reformiert und an die sozialen Veränderungen angepasst. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Rentensystem so wie wir es heute kennen eingeführt. Es basiert auf dem sogenannten Umlageverfahren. Dies bedeutet, dass die Beiträge die von den Arbeitnehmern aktuell in die Rentenversicherung einbezahlt werden, die aktuell an die Rentner ausbezahlten Renten finanzieren. Das gleiche Systems – Finanzierung im Umlageverfahren – findet sich übrigens auch in der Pflegeversicherung wieder. Beiträge, die aktuell in die Pflegeversicherung einbezahlt werden, finanzieren die aktuellen Pflegekosten. Bei der Pflegeversicherung haben wir deshalb die gleichen Probleme wie bei der Finanzierung der Renten. Die Lücke bei der Pflegeversicherung ist ebenfalls immens.  

Das System der umlagefinanzierten Rentenversicherung kann finanziell jedoch nur solange gut gehen, wie sich aktive Arbeitnehmer und Rentner die Waage halten. Als das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland eingeführt wurde erlebte Deutschland gerade ein Wirtschaftswunder und einen hohen Geburtenanstieg (Babyboomer). Das sich damals überlegte System zur Finanzierung der älteren Generation war folglich passend. Nun zeigt die demografische Entwicklung in Deutschland jedoch, dass die Bevölkerung in Deutschland altert und schrumpft. Der Anteil älterer Menschen steigt, während der Anteil der Jüngeren zurückgeht. Der Grund hierfür ist die sinkende Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung im Land. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts wir die Bevölkerungszahl in Deutschland bis zum Jahr 2060 drastisch von derzeit etwa 83 Millionen auf nur noch 75 Millionen Menschen sinken.

Die demografische Entwicklung und die bereits heute vorhandenen Lücken in Rente und Pflege zeigen, dass unsere umlagefinanzierte Finanzierung von Rente und Pflege ausgedient hat.

Schließung der Rentenlücke – Staatliche Aufgabe oder „selbst ist der Bürger“?

Es gibt viele verschiedene Ansätze dafür, die Rentenlücke zu schließen. Der Staat versucht dies mit Maßnahmen wie der Anhebung des Renteneintrittsalters um die Rentenbeitragszahlungen zu verändern. Auch die Erhöhung des Rentenbeitragssatzes war in den letzten Jahren immer wieder eine beliebte staatliche Maßnahme. Doch diese Maßnahmen reichen nicht aus, um die Versorgungslücke zu schließen. Der Anhebung des Rentenalters sind schließlich physische und der weiteren Anhebung des Rentenbeitragssatzes wirtschaftliche Grenzen gesetzt.

Wer sich im Alter nicht zu sehr einschränken will ist gut beraten, während seiner aktiven Erwerbsphase auf eine betriebliche und / oder eine private Altersvorsorge zu setzen. Beide Vorsorgearten werden staatlich gefördert. Als private Altersvorsorge kommt weiterhin der Abschluss der bereits im Jahr 2002 eingeführten sog. Riester-Rente oder eine mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossene Rentenversicherung in Betracht. Daneben können der Aufbau eines Immobilien-Portfolios oder Aktieninvestitionen (z.B. ETF-Sparplan) sinnvoll sein. Bei der privaten Altersversorgung sind steuerliche Aspekte nicht ganz unwichtig. Zumeist wird die private Altersvorsorge in der Ansparphase steuerlich begünstigt (z. B. Beiträge können als Sonderausgaben geltend gemacht werden) während die später im Alter ausgezahlten Renten wiederrum voll versteuert werden. Vor Abschluss einer privaten Altersvorsorge lohnt sich ein genauerer Blick auf die spätere Besteuerung.

Die derzeitige Ampelregierung hat sich die Schließung der Rentenlücke jedoch auch zur staatlichen Aufgabe gemacht. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, FDP und Grüne auf eine Reform des Rentensystems verständigt. Die Idee: Zukünftig sollen Renten zusätzlich zu der umlagefinanzierten Rente über Aktiengewinne finanziert und damit die Rentenlücke geschlossen werden. Dieses System der kapitalgedeckten Finanzierung könnte zukünftig auch auf die Pflegeversicherung übertragbar sein. 

Vorbild der Aktienrente, Finanzierung und Risiken

Renten über Investitionen in Aktien zu finanzieren ist keine neue Erfindung. In Ländern wie den USA, Kanada, Australien, Chile, Großbritannien oder auch Schweden, Dänemark und Norwegen gibt es dieses System. In den USA ist die Finanzierung der Renten über Aktieninvestments die tragende Säule des dortigen Rentensystems. Auch Schweden, Dänemark und Norwegen investieren in Aktien zur Finanzierung der staatlichen Renten.

Die Finanzierung der ersten Aktieninvestments des Bundes von rund zehn Milliarden Euro soll über staatliche Kreditaufnahme erfolgen. Unterschiedliche Studien haben allerdings berechnet, dass ein Investment von zehn Milliarden Euro nur der Anfang sein kann. Um die aktuelle Rentenlücke zu schließen würde es – bei einer unterstellten Rendite von acht Prozent auf das Aktieninvestment – ein Investment von mehreren hundert Milliarden Euro benötigen. Dieses Vermögen soll über die nächsten Jahrzehnte durch die Zuführung von mindestens weiteren zehn Milliarden Euro jährlich aufgebaut werden.

Wie jeder Privatanleger durch eigene leidliche Erfahrung weiß unterliegen Aktien großen Schwankungen. Anlagen in Aktien sind risikobehaftet. Hiervon sind auch Anlagen des Bundes nicht verschont. Verluste aus diesen Anlagen, dazu noch kreditfinanziert, würden folglich durch Steuergelder finanziert.

Genauso profitiert die staatliche Anlage jedoch von positiven Kursentwicklungen. Zur Minimierung des Verlustrisikos plant der Bund ausschließlich langfristige Kapitalanlagen und eine globale Diversifizierung des Portfolios.

Fazit

Es ist längst überfällig, dass sich eine Bundesregierung einmal um den „großen Wurf“ in Sachen Rentenreform bemüht. Die stetige Anhebung von Renteneintrittsalter und Rentenbeitrag ist keine Lösung um die immer weiter ansteigende Rentenlücke in den Griff zu bekommen. Zudem bedarf es dringend einer vorausschauenden und nachhaltigen Lösung. Welche Folgen ein „auf Sicht regieren“ für Bevölkerung und Wirtschaft hat, haben die letzten Jahre gezeigt. Es ist längst absehbar, dass das rein umlagenfinanzierte Rentensystem ausgedient hat und damit in Zukunft keine Versorgung mehr sichergestellt werden kann. Die spätere Versorgung auf den Bürger abzuwälzen kann nicht im Sinne des deutschen Sozialstaatsprinzips sein. 

Ich halte es für richtig, dass sich bewährte umlagefinanzierte Rentensystem als Teilbaustein für die Rentenfinanzierung fortzuführen. Es muss jedoch von staatlicher Seite ein weiterer Baustein zur Finanzierung der Renten hinzukommen. Ich halte die Einführung der Aktienrente für einen wichtigen und bedeutenden Schritt gegen eine drohende Altersarmut. Zwar ist die Aktienrente durch mögliche Verluste am Kapitalmarkt nicht ohne Risiko. Länder wie die USA, Schweden oder Norwegen machen es jedoch vor, wie derartige verantwortungsvolle staatliche Investitionen ein starker Grundpfeiler der Rentenfinanzierung sein können. Die Einführung der Aktienrente, wenn auch kreditfinanziert, ist der erste große Wurf in Sachen Rentenreform seit vielen Jahrzehnten und ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist zu wünschen, dass diese Konzept baldmöglichst auch auf Finanzierung der Pflegeversicherung übertragen wird, um die Verarmung pflegebedürftiger Menschen zu stoppen.

Bei aller sich aus dem deutschen Grundgesetzt ergebenden staatlichen Fürsorgepflicht halte ich es in der aktuellen Situation jedoch für falsch ausschließlich darauf zu setzen, dass der Staat sich schon um die Rentenlücke im Alter kümmern wird. Dies kann ziemlich schiefgehen. Ich rate jedem auch privat für das Alter vorzusorgen. Die Möglichkeiten hierfür sind vielfältig und reichen von staatlich (steuerlich) geförderten Anlageprodukten über den Aufbau eines eigenen Immobilien- oder Aktienportfolios. Vor Abschluss einer privaten Altersvorsorge sollten die steuerlichen Folgen bedacht werden. Bei dem Aufbau eines eigenen Immobilien- oder Aktienportfolios kann die Steuerlast durch eine steuereffiziente Strukturierung reduziert werden. Hier lohnt es sich im Vorfeld steuerrechtlichen Rat einzuholen.

ein Artikel von
Christian Dobner
Christian Dobner ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Er ist Gründer und CEO der auf Unternehmenssteuerrecht spezialisierten TLI Steuerberater. Auf seine steuerliche Expertise vertrauen nationale und internationale Unternehmen, erfolgreiche Start-Ups sowie Manager und Unternehmerpersönlichkeiten. Mit passgenauer, praxisnaher und individueller Betreuung legt er Wert auf langfristige Mandatsbeziehungen.