JAHRHUNDERTBETRÜGER 2/5

Der Zündholzkönig, der alle narrte

von Anton Kleihues

Die größten Finanzbetrüger aller Zeiten haben Milliarden und Abermilliarden veruntreut. In unserer Serie beleuchten wir ihre Geschichten, ihre Masche und ihre Opfer.

Während Bernie Madoffs 50-Milliarden-Dollar-Schneeballsystem einigen Menschen ein Begriff ist, kennen nur wenige die Geschichte des Mannes, den das „Time“-Magazin einst zum „größten Betrüger der Geschichte“ erklärte. Ivar Kreuger ist seit mehr als 86 Jahren tot. Wenn es um die berüchtigtsten Hochstapler des Finanzwesens geht, kommt man um seinen Namen aber auf keinen Fall herum. Um seine Geschichte zu erzählen, ist es interessant, mit seinem Tod dieses erstaunlichen Mannes zu beginnen. Kreuger wurde 1932 in der Avenue Victor-Emanuel in Paris mit einer Pistole in der Hand gefunden. Sein Bruder Torsten vertrat die Ansicht, Ivar sei ermordet worden. Die Vermutungen darüber, wer der Auftraggeber eines Mordes gewesen sei, reichten von der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg über das amerikanische Bankhaus J.P. Morgan bis hin zu Josef Stalin. Unstreitbar ist allerdings, dass Kreuger zahlreiche mächtige Feinde hatte.

Dieser Spekulant war wahrlich kein kleiner Fisch. Er wurde als „Zündholzkönig“ weltweit bekannt, verkehrte mit Regierungschefs auf der ganzen Welt und führte dabei alle an der Nase rum. In den 20er Jahren war er eine Institution und lieh Industrienationen Milliarden. Seine Geschichte beginnt im Jahre 1908, als Kreuger drei kleine schwedische Streichholzfabriken von seinen Eltern erbte. Innerhalb kürzester Zeit übernahm er in der Folge kleiner Konkurrenten, drängte andere Wettbewerber brutal aus dem Markt und stieg zum größten Streichholzfabrikant Schwedens auf. Da es damals noch keine Feuerzeuge oder ähnliches gab, waren die Menschen auf Streichhölzer angewiesen und der Markt noch viel größer. Ehrfürchtig nannten ihn Freund liebevoll und Feinde abschätzig den „Zündholzkönig“. Doch Kreuger war das nicht genug. Nach dem ersten Weltkrieg witterte er das ganz große Geld. Fast alle Regierungen hatten sich unhaltbar verschuldet und brauchten Geld. Etwas, das Kreuger scheinbar im Überfluss hatte. Staaten wie Frankreich, Deutschland und andere Industrienationen liehen sich Unmengen an Geld von dem Schwindler. Im Gegenzug dafür sicherte dieser sich Monopolrechte für sein Streichholzimperium.

Kreuger wurde teilweise frenetisch als Held gefeiert, die Menschen liebten den Schweden und sein Ruhm schwappte sogar in die weit entfernten Vereinigten Staaten. Das „Time“-Magazin schwärmte: „Die Wall Street schaute in Kreugers hypnotisierende, eisblaue Augen und merkte, dass sie diesem Charmeur nicht widerstehen konnte.“ Er hatte keine Mühe, auch die amerikanische Geldelite um den Finger zu wickeln. Alle wollte mit ihm zu tun haben, gesehen werden und seine Anlagetipps hören. Was niemand wusste: Kreuger besaß nie wirklich das Geld, das er so großzügig verlieh. Es war alles eine riesige Lüge: Seine gefälschten Bilanzen, seine wertlosen Anleihen, sein fehlendes Kapital. Um seinen Betrug zu verschleiern, baute der Mann mit den hypnotisierenden Augen ein riesiges, 400 Firmen umfassendes, vollkommen unüberschaubaren Geflecht aus Scheinfirmen auf. Er schob das echte Geld so clever zwischen diesen hin- und her, dass niemand auf den Betrug aufmerksam wurde.

Der Zündholzkönig zündelte immer weiter und spielte dieses Spiel, bis seine Masche beim großen Crash 1929 in sich zusammenbrach. Plötzlich wollten auch die gutgläubigsten Finanziers ihr Geld sehen. Geld, das Kreuger nicht hat und niemals wirklich hatte. Um ihn herum beginnt alles langsam zu zerfallen. Am 12. März 1932 findet man ihn dann erschossen in der Gasse in Paris. Auch nach seinem Tod hat der Schwede noch riesige Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem. Als Reaktion auf sein Tod brechen rund um den Globus die Börsen ein. Millionen Menschen sind ruiniert. Der Papst, damals Pius XI, widmet Kreuger eine eigene Enzyklika – mit dem Kernsatz:

Die Liebe zum Geld ist die Wurzel allen Übels.
Pabst Pius XI

In Amerika reagiert man auf eigene Weise auf den Tod. Nach dem ersten Schock entwickeln die Finanzexperten ein neues Überwachungssystem für Banken und die Börse. Es soll das sicherste System auf der Welt sein. Die Zuständigen sind stolz auf ihre „Finanzpolizeit“. Lange Zeit brüsten sie sich, die schärfste Finanzpolizei der Welt zu haben. Diese Sprüche haben ein jähes Ende, als Bernie Madoffs 50-Milliarden-Dollar-Betrug bekannt wird.

ein Artikel von
Anton Kleihues
Anton studiert Politik in Berlin und liebt es, zu schreiben. Als ZASTER-Redakteur versucht er dabei immer neue, aktuelle und relevante Themen zu behandeln. Am liebsten berichtet er über Politik und Sport.