Drei Fragen an

Was der „Schwarze Schwan“ an der Börse bedeutet

von Marcus Schwarze

Was bedeutet der „Schwarze Schwan“ an der Börse? Was heißen Alpha und Beta? Und wie geht Rebalancieren? Der Kapitalmarkt- und Anlageexperte Malte Dreher beantwortet jeden Donnerstag drei Fragen.

Was ist an der Börse ein Schwarzer Schwan?

Mit diesem Begriff bezeichnet der amerikanischen Bestseller-Autor Nassim Talebein ein Ereignis, das extrem selten ist und mit dem niemand rechnet. So wie ein schwarz gefiederter Trauerschwan eben, den es nur in Australien gibt. Vor der Besiedlung des Fünften Kontinents wäre es deshalb keinem Europäer in den Sinn gekommen, dass ein Schwan eine andere Farbe haben könnte als weiß.

Auf die Börse bezogen bedeutet ein Schwarzer Schwan: Die große Masse der Anleger wird auf dem völlig falschen Fuß erwischt. Was selten gut ausgeht. Als Parade-Beispiel muss denn auch meist die 2007 durch faule Hypothekenkredite ausgelöste Finanzkrise herhalten. Dass etwa die US-Regierung die im Laufe der Krise ins Taumeln geratene Investmentbank Lehman Brothers pleite gehen lassen würde, hatte sich bis zu jenem Tag, an dem es tatsächlich passierte, kaum ein Anleger vorstellen können. Am 15. September 2008 wussten es alle besser.

Taleb zufolge gibt es aber durchaus auch positive Ereignisse, die den Charakter eines Schwarzen Schwans besitzen. Als Beispiele nennt er die Entdeckung der Röntgenstrahlen oder den Börsen-Erfolg der Google-Aktie. Im Ernst: Wer hätte vor 15 Jahren schon daran geglaubt, dass das US-Unternehmen heute in der Weltwirtschaft eine so dominante Stellung einnehmen würde? Taleb rät Anlegern folglich, auf eine Vielzahl unwahrscheinlicher Ereignisse zu wetten – wenn nur eines davon eintritt, reiche dies als Reichmacher völlig aus. Behält der Mannheimer Vermögensverwalter Rolf Ehlhardt recht, winkt dieser Logik folgend in Kürze denjenigen Anlegern viel Geld, die sich für einen von vielen Experten als unwahrscheinlich angesehenen Absturz des Marktes für Hochzinsanleihen positionieren. Warten wir es ab.

Ach ja: Nassim Taleb hat die Redewendung zwar populär gemacht, aber er hat sie nicht erfunden. Das war der römische Dichter Juvenal, der in einem seiner Lustspiele schrieb, eine treue Ehefrau sei so selten wie – genau, wie ein Schwarzer Schwan.

Was hat es an der Börse mit den griechischen Buchstaben Alpha und Beta auf sich?

Auch wenn einigen Menschen als erstes das Sternbild „Alpha Centauri“ in den Sinn kommt, haben die griechischen Buchstaben Alpha und Beta in der Börsenwelt doch eine rein irdische Aufgabe. Aber eine so wichtige, dass Anleger die Kennziffern im Blick haben sollten. Sie können ihnen nämlich helfen, Fondsanlagen richtig einzuschätzen und ein passendes Investment für die persönlichen Ansprüche zu finden.

Beta beschreibt, wie ein Fonds sich verglichen mit seinem Anlageuniversum oder einem Vergleichsindex verhält. Beträgt die Kennziffer beispielsweise exakt 1, bedeutet dies, dass der Wert des Fonds sich genau wie der Wert des gesamten Marktes entwickelt. Wenn das Beta dagegen kleiner ausfällt, folgt der Fonds dem Marktverlauf nur gebremst. Sollte der Wert des Vergleichsindex steigen, nimmt der Fondswert ebenfalls zu, aber in einem geringeren Maß. Umgekehrt dämpft der Fonds in diesem Fall aber auch Absacker des Marktes. Ein Beta größer als 1 spricht dagegen eher risikofreudige Anleger an. Steigt der Vergleichsindex, klettert der Fondspreis noch schneller nach oben. Fällt allerdings der Markt, geht es mit dem Anteilspreis in gleichem Maß stärker nach unten. Ein Beta von 2 beispielsweise besagt, dass der Wert des Fonds doppelt so stark schwankt wie der Markt.

Wenn Experten von Alpha sprechen, meinen sie den Ertrag des Fonds, der über den als Maßstab dienenden Markt hinausgeht. Die Kennziffer zeigt das Ausmaß, in dem sich der Fonds besser oder schlechter entwickelt hat als die Benchmark entwickelt. Wächst ein Markt in einem bestimmten Zeitraum etwa um 4 Prozent, der Fondspreis aber um 6 Prozent, so beträgt das Alpha 2 Prozentpunkte. Weil dies den Teil der Rendite misst, der nicht mit dem Marktverlauf zu erklären ist, steht ein positives Alpha für ein erfolgreiches Fondsmanagement.

Wie geht eigentlich Rebalancieren?

Ein gut gemischtes Portfolio besteht im Idealfall aus mehreren Investmentfonds und vielleicht auch Anleihen oder Aktien. Die Einzelteile sind jeweils zu einem vorher festgelegten Prozentsatz enthalten. Sobald alles aufgebaut ist, beginnt die Pflege des Portfolios. So, wie man im Garten regelmäßig Unkraut zupft, überprüft man auch die Geldanlagen zu bestimmten Zeiten.

Eine Möglichkeit ist hierbei das sogenannte Rebalancieren. Dabei stellt man in einem regelmäßigen Rhythmus die ursprüngliche prozentuale Struktur des Portfolios wieder her. Was gut gelaufen ist, wird zu Teilen verkauft. Was schlecht gelaufen oder einfach nur zurückgeblieben ist, wird nachgekauft. Rein statistisch gesehen, ist der März ein guter Monat für diese Aktion. Hier haben die Aktienmärkte in der Vergangenheit schon oft Höchst- oder Tiefststände markiert, zum Beispiel in den Jahren 2000, 2003 und 2009. Dann hätte man jeweils gute Kauf- beziehungsweise Verkaufskurse am Aktienmarkt für Ver- oder Nachkäufe genutzt.

Für den Fall, dass es die Märkte außergewöhnlich stark durchschüttelt, kann man sich zusätzliche Limits setzen. Dann rebalanciert man sofort, sobald sich die Portfoliopositionen besonders stark verschoben haben. Ein häufiger Wert sind 10 Prozentpunkte Abweichung nach oben oder unten. Wenn diese Marke gerissen wird, greift man ein.

Die Vorteile des Rebalancierens:

  • Man setzt konsequent die Börsenregel „billig kaufen, teuer verkaufen“ um.
  • Durch den festgelegten Zeitpunkt wird man diszipliniert und geduldig und kommt zwischendurch nicht so schnell auf den Gedanken, am Depot willkürlich herumzudoktern. Insgesamt wird man deutlich gelassener, weil man ganz bewusst nicht auf jede kleine Marktturbulenz reagiert.
  • Man erspart sich den Aufwand, einzelne Märkte, Fonds und Renditeaussichten jedes Jahr neu einschätzen zu müssen.

Es gibt aber auch Nachteile: Mit einer Rebalance-Strategie holt man nie die maximale Rendite heraus. Denn oft verkauft man gut gelaufene Positionen zu früh oder steigt zu früh ein, wenn man nachkauft. Aber Hand aufs Herz: Niemand trifft immer genau den richtigen Zeitpunkt zum Ein- und Ausstieg. Niemand.

ein Artikel von
Marcus Schwarze