Das hätte es früher nicht gegeben

Deine Freunde sind nicht zum Kisten schleppen da!

von Emina Benalia

Julia Nadel schreibt über die Dinge, die wir uns heute oft ganz selbstverständlich leisten – und die für unsere Eltern meistens unvorstellbar sind.

Niemals werde ich diesen Moment vergessen, als unsere Freunde, mein Freund und ich den Inhalt unserer Drei-Zimmer-Wohnung in den vierten Stock eines Altbaus hochtrugen. Wir brauchten ungefähr sechs Stunden dafür und danach haben auch Pizza und Bier nichts daran geändert, dass uns unsere Freunde eine sehr lange Zeit mit diesem „Diese Scheiße mache ich nie wieder für dich“-Blick angeschaut haben.

Zwei Dinge lernte ich an diesem Tag: Wenn man sechzehnmal in den 4. Stock hoch muss an einem Tag, ist man eher bereit, alles wegzuschmeißen und in jeder Wohnung von vorne anzufangen – als diese Hölle noch einmal sich selber oder Freunden anzutun. Und: Wer Freunde haben will, muss ab einem bestimmten Alter Menschen zum Umziehen bezahlen, denn die kriegen Geld dafür, dass sie einen anschließend hassen.

Meine Eltern verstehen das ein bisschen – aber eigentlich nicht wirklich. Das liegt vor allem daran, dass meine Eltern in ihrem Leben zweimal umgezogen sind. Und zwar jeweils eine Straße weiter. Diese Umzüge fanden in wochenlangen Mini-Umzügen statt – sie mussten niemals alles auf einmal in einen LKW kriegen und dann alles ganz schnell ausladen. Und falls genau das doch mal notwendig gewesen wäre, hätte einer meiner Verwandten jemanden gekannt, der jemanden kennt, der der Vater vom Schwiegersohn des Typs ist, der einen LKW-Betrieb hat. Geholfen hätte die komplette Familie, denn auf dem Land helfen alle bei allem mit, so ist das eben.

Nach meinem ersten bezahlten Umzug jedoch begriff ich die schier unendliche Macht von Geld. Geld macht nämlich doch glücklich. Zum Beispiel dann, wenn vier Männer in wenigen Stunden eine ganze Wohnung umziehen. Und sich nicht beschweren und einem die Freundschaft am Ende kündigen. Dafür muss man sie auch gut bezahlen, aber die Frage ist ja: Lohnt es sich nicht eher, für einen Umzug zu sparen, als für einen Urlaub, von dem man auch nix mehr hat, wenn man im Anschluss umziehen muss?

Geld macht dann glücklich, wenn man nach so einem Tag genug Energie hat, um alles aufzubauen, anzumalen, aus- und einzupacken. Wenn man nicht nach 8 Stunden Umzug so fertig ist, dass man erstmal krank wird oder tagelang vor Rückenschmerzen nicht schlafen kann.

All das musste ich lernen, weil ich es nie von Zuhause kannte. Ich musste lernen, dass Geld auch dafür da ist, sich Zeit zu kaufen. Zeit, um mal auszuschlafen, Zeit, um fit zu sein, Zeit, um das Leben zu genießen – statt Kartons zu packen. Ich brauchte lang, um zu begreifen, dass Geld etwas ist, mit dem man alles machen kann, was einem guttut. Und dass das für jeden etwas anderes bedeutet.

Meine Freunde, sie bezahlen alle Unternehmen für Umzüge. Das liegt auch daran, dass wir alle viel arbeiten, um uns etwas leisten zu können. Und dass die beiden Wochenendtage dann umso wichtiger sind. Zum Schlafen, Freunde treffen, ausgehen. Weil wir das alle sehr genau wissen, fragen wir uns nur im Notfall. Die Wahrheit ist: Die Freunde um Hilfe zu bitten, um 9 Uhr am Sonntagmorgen umzuziehen und sich so das Bezahlen von Helfern zu sparen, ist egoistisch und asozial. Es geht allen besser, wenn eben diese Freunde erst zum Einrichten vorbeischauen oder um beim Zusammenbau von Möbeln zu helfen.

Am Ende müssen genau das Eltern nicht verstehen – ebenso wenig, warum wir alle so viel arbeiten, immer online sind und alle zwei Jahre umziehen. Was sie aber verstehen, ist, wenn ihre Kinder glücklich und entspannt sind. Das ist nämlich die Sprache, die alle Eltern ohne Worte begreifen.

ein Artikel von
Emina Benalia
"Wenn ich einmal reich wär", sang einst Anatevka in dem gleichnamigen Musical. Als Kind einer Musikwissenschaftlerin kannte Emina Benalia das Lied aus ihren Kindertagen. Viel mehr Wissen wurde ihr über Finanzen, Versicherungen und Geldanlagen zu Hause nicht vermittelt. Umso wichtiger ist es für sie, als ZASTER-Redakteurin diese Themen aufzuarbeiten und ihren Lesern verständlich zu vermittelt – sexy, fluffig, interessant, leidenschaftlich und informativ.