Sie versprechen Finanz-Bildung und Unabhängigkeit, wollen aber vor allem überteuerte Onlinekurse verkaufen: Die Ziele von Finanz-Influencerinnen sind nicht so selbstlos, wie es scheint, meint Autorin Julia Hackober.
Wenn man Finanz-Influencerinnen Glauben schenken mag, dann ticken Frauen offenbar so: Sie reden nur über Klamotten, haben keine Denk-Kapazitäten für komplexere Themen wie Finanzplanung übrig, und deshalb ist es für Frauen nahezu unmöglich, sich aus eigener Kraft aus der finanziellen Unmündigkeit zu befreien.
Zum Glück gibt es inzwischen jede Menge Finanz-und Immobilien-Influencerinnen, die nicht müde werden, immer und immer wieder in einfachen Worten zu erklären, wie man es schaffen könne, all diese wahnsinnig schwierigen Angst-Themen endlich zu verstehen. Es geht ganz einfach: Man muss nur ein paar tausend Euro in ihre Onlinekurse investieren, und schon ist der Weg frei zum Finanz-Glück.
Ironie off. Das Thema ist eigentlich nicht lustig, sondern empörend, wie ich jüngst in einem digitalen Immobilien-Workshop feststellte. Dort hatte ich mich, 34 Jahre alt und typischerweise mit der Wohnraum-Frage in der Großstadt aktuell schwer beschäftigt, angemeldet, um “Mut und Wissen“ zum Thema Immobilien-Kauf zu tanken”, das wurde mir vorab versprochen, und auch, dass ein Immobilienkauf für wirklich jeden “gut machbar” sei.
Ganz so happy wie die beiden sehr bunt angezogenen Damen, die im Workshop suggerierten, mit nur wenigen Tricks könne es praktisch jede Frau zu einem ähnlichen Immobilien-Imperium bringen (den beiden gehören 60 Eigentumswohnungen), war ich nach einer Stunde Immo-Talk aber nicht: Im (kostenfreien) Workshop wurde sehr viel darüber geredet, wie einfach es sei, als unwissende, unbedarfte Frau ohne Geld zu einer Eigentumswohnung zu kommen (“frage deinen Partner, deine Eltern oder eine Freundin nach Eigenkapital”, super Tipp, danke…) – doch dann sollte ich plötzlich 3000 Euro dafür bezahlen, um im Anschluss-Workshop an die wirklich relevanten Informationen wie Kalkulations-Tipps zu kommen (“denn Fehler beim Immobilienkauf können noch viel teurer werden”).
In dem Moment ist mir klar geworden, dass Influencerinnen, die sich vordergründig aufopferungsvoll um die finanzielle Bildung und Freiheit von Frauen kümmern, sich vor allem ihre eigene Zielgruppe schaffen. Je öfter man Frauen einredet, dass sie ja keine Ahnung von Finanzthemen hätten, was ja verständlich sei, weil so komplex und schwierig, desto größer scheint die Hürde zu werden, sich eigenständig ein paar Basics anzueignen.
Nicht falsch verstehen: Es ist natürlich ein legitimes Geschäftsmodell, Wissen gegen Geld weiterzuvermitteln, und genauso legitim ist es, die Entscheidung zu treffen, sich lieber in hübschen Pastellfarben aufbereitete Informationen reinzuziehen, als mühsam selbst zu recherchieren. Und dass finanzielle Bildung ein wichtiges Thema ist, will ich sicher nicht abstreiten.
Nur: Man muss sich eben schon gewahr sein, dass Finanzcontent nicht aus reiner Nettigkeit erstellt wird, dass es NICHT nur darum geht, ein WICHTIGES Thema publik zu machen, über das sonst NIEMAND sprechen würde – sondern dass Female-Finanz-Accounts schlicht monetäre Ziele verfolgen.
Und diese Ziele werden eben auch über die Taktik erreicht, ein ziemlich seltsames Frauenbild immer und immer wieder in die Öffentlichkeit zu zerren, um daran die Notwendigkeit des eigenen Angebots festzumachen: Das Bild der reichlich doofen Frauen, die mit ihrem Leben so überfordert sind, dass eigentlich unklar ist, wie sie es überhaupt geschafft haben sollen, genügend Geld zu verdienen, um ein paar tausend Euro für Onlinekurse ausgeben zu können, die sie wiederum in die finanzielle Unabhängigkeit begleiten sollen.
Sorry, aber Frauen ist nicht erst seit der Erfindung von Social Media klar, dass sie sich um ihr Geld kümmern müssen. Aber das vergisst man offensichtlich leicht, wenn man in der engen Welt einer durchoptimierten Content-Nische lebt.
Also sprechen Finanz-Influencerinnen mit ihrer Zielgruppe wie mit hilflosen Rehen, denen man, überspitzt gesagt, erst mal erklären muss, was ein Konto ist. So beschwerte sich eine andere Finanz-Influencerin kürzlich auf Linkedin darüber, dass auf Instagram eines ihrer Outfit-Fotos “ohne jeglichen Mehrwert” mehr Engagement und Reichweite erreicht habe als die meisten ihrer Finanz-Content-Posts.
Das habe sie “enttäuscht”, schrieb die Influencerin, auch wenn sie wisse, dass “vor allem Mütter” oft keinen Nerv mehr für “schwierige” Themen hätten – sie wünschte sich einfach nur, Informationen über ETFs würden das gleiche Interesse hervorrufen wie Outfit-Posts. Garniert war der Post noch mit einer Frage ans Publikum: Was alle, die sich noch nicht mit Finanzen beschäftigen, denn bräuchten, um sich intensiver damit auseinanderzusetzen?
Nun: Garantiert nicht den nächsten überteuerten Onlinekurs, der mir ein neues “Money Mindset” verspricht. Wie wär’s stattdessen mit endlich, endlich mehr Bewusstsein dafür, dass es auch Frauenhirnen durchaus möglich ist, sich mit mehreren unterschiedlich herausfordernden Themen am Tag zu beschäftigen?!
Dieser Text wurde zuerst in SUNDAY DELIGHT veröffentlicht, dem wöchentlichen Newsletter-Magazin von Julia Hackober zu Themen des modernen Lebens. Julia Hackober ist freie Kulturjournalistin, schreibt vor allem über Popkultur und Gesellschaftstrends und lebt in Berlin.