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REICH MIT 30?

Das große Problem mit vielen Finanztipps

von Nils Matthiesen

Tipps und Ratschläge, wie du dein Geld vermehren kannst, sind immer willkommen. Du musst sie aber mit Vorsicht genießen.

Schon Georg Friedrich Händel wusste: „Man muss lernen, was zu lernen ist, und dann seinen eigenen Weg gehen.“ In eine ähnliche Kerbe schlägt Profitrainer und Buchautor Ingo Krawiec, der meint: „Echtes Lernen findet immer durch uns selbst statt. Ein Lehrer kann nur wichtige Impulse setzen.“ Wenn du das nächste Mal einen schlauen Tipp eines Finanzbloggers oder eines anderen Fachmanns rund ums Thema Geld hörst, solltest du dir beide Sprüche immer wieder vor Augen führen. Denn: Ratschläge zu persönlichen Finanzen erteilen Experten stets auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen. Die müssen aber nicht der Norm oder deinen Umständen entsprechen. 

Erfolg nicht einfach reproduzierbar

Ein gibt zum Beispiel viele Geschichten von Personen, die mit 30 bereits ausgesorgt haben. Die Zutaten für so einen unglaublichen klingen dabei stets ähnlich: Entweder sehr erfolgreich an der Börse gewesen oder ein Startup erfolgreich aufgezogen. Wie wird man also mit 30 Jahren Millionär? Man ist sehr fleißig, top gebildet, verdient eine Menge Geld und investiert es gewinnbringend. Eigentlich ganz einfach, oder? Das Problem an der Sache: Wie einfach lässt sich das nachmachen? Schwierig bis gar nicht, gilt wahrscheinlich für die meisten. 

Das Problem mit solchen Ratschlägen ist, dass sie auf außergewöhnlichen Umständen basieren. Genauso wie in den Nachrichten nie von den Leuten die Rede ist, die nicht im Lotto gewonnen haben, hören wir selten von den Menschen, die einen bestimmte finanziellen Ratschläge befolgt haben und nie reich geworden sind. Es heißt nicht umsonst „Geschichte wird von Siegern geschrieben“, und das gilt auch für die meisten Finanzratschläge.

Das Post-hoc-Fehlschluss-Syndrom

Natürlich ist es klüger, Finanztipps von einem Millionär zu lesen als von einem armen Schlucker. Das bedeutet jedoch nicht, dass du diese Erfahrungen 1:1 umsetzen solltest. In vielen Fällen gehört auch einfach Glück dazu. Diesen Umstand gestehen sich viele reiche Menschen aber nicht ein und erklären stattdessen, wie sie es geschafft haben. Das ist so, als würde man einen Pfeil abschießen und im Anschluss erst das Bulls Eye hinpinseln. Dieses Konzept, das als Post-hoc-Fehlschluss bekannt ist, erklärt, wie Menschen kausale Erklärungen für ihren Erfolg finden, obwohl diese Erklärungen ungenau sein könnten. Wenn dir also das nächste Mal ein Finanzguru erklärt, er sei wegen diesem oder jenen reich geworden, sei dir immer bewusst, dass die ganze Geschichte dahinter meist viel komplexer ist.

Das wahre Geheimnis des Reichwerdens

Dazu kommt: Das eigentliche Geheimnis hinter „reich werden“ ist gar keines. Entweder du erbst fürstlich oder verdienst unfassbar viel. Du kannst so viel über Sparmaßnahmen wie „selbst Brötchen schmieren“ oder „mehr Fahrrad fahren“ sinnieren, aber erfolgversprechender ist, dass du überdurchschnittlich viel Einkommen generierst.  Sicher gibt es Menschen, die schon in jungen Jahren 100.000 Euro plus verdienen und alles verprassen. Aber wenn du als Single ein stattliches Gehalt hast, ist es überhaupt nicht so schwer viel zu sparen und so früher oder später finanziell unabhängig zu werden. In diesem Fall muss man nicht einmal auf viel verzichten. Leider verdient der Durchschnittsdeutsche aber nicht so viel, dass er mehrere hundert oder sogar tausende Euro pro Monat auf die hohe Kante legen könnte. Zwar gelten wir Deutschen mit einer Sparquote von 16 Prozent (!) als Sparweltmeister, bei einem Netto-Durchschnittseinkommen von 2.084 Euro macht das „nur“ rund 328 Euro pro Monat. Respektabel, keine Frage. Richtig reich wird man dadurch aber nicht.  

 Fazit

Es gibt nicht „den einen Weg“ zu Reichtum und finanzieller Freiheit. Es bringt daher wenig, die Strategie erfolgreicher Menschen zu kopieren und zu hoffen, dass sie auch bei dir funktionieren. Tipps sind zwar immer willkommen, aber frage dich stets genau, ob sie auch für deine speziellen Umstände geeignet sind. 

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.