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HANDWERK

Das Ende des Deutschen Bäckerhandwerks?

von Isabella Müller-Reinhardt

Du bist, was du isst! Doch was passiert, wenn es bald keine Bäcker mehr gibt?

Meine Eltern wohnen in einer netten Gemeinde, südlich von München. Im Umkreis von 850 Metern gibt es sieben Bäcker zur Auswahl. Mein Vater ist bei fünf der sieben Bäcker guter Kunde. Zwetschgendatschi und Brezen holt er nur beim „Hauer“. Den besten Käsekuchen gibt es bei „Lang`s“. Brot kauft er grundsätzlich in der Hofpfisterei. Die Körner-Brötchen dagegen bei der „Lokalbäckerei Brotzeit“. Für Croissant und Baguette fährt mein Vater zu der kleinen französischen Bäckerei „Amadines et Chocolats“. 

Mein Vater ist Rentner, hat viel Zeit und seit er nicht mehr arbeitet, sind sowohl Einkaufen als auch Essen sein liebsten Hobbies und Zeitvertreib. Im Moment fragt er sich, wie viele der sieben Bäcker wohl in einem Jahr noch existieren? Laut dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e.V. gab es im Dezember 2021 in Deutschland 9.965 Meisterbetriebe. Im Jahr 2014 waren es noch 12.611 Betriebe. Das heißt, innerhalb von sieben Jahren ist die Zahl der traditionellen Bäckerei-Betriebe um 21 % (!!) gesunken. 

Seit vielen Jahren geben jährlich um die 500 Bäcker in Deutschland ihr Handwerk auf. Das ist traurig, hat aber nichts mit der derzeitigen Energiekrise oder Inflation zu tun. Das Problem sind wir, die Konsumenten. Wer mehr Wert auf einen günstigen Preis als auf Qualität legt, greift eben im Backshop zu. Die Brötchen dort sind um einiges billiger, industriell hergestellt und schmecken meistens nach nichts. Aber mit 100 Gramm Nutella, Leberwurst oder Käse, ist der Geschmack des Backwerks vielleicht zweitrangig. Brot wird somit zu einem Belag-Halter und Sattmacher, hat aber mit dem traditionellen Handwerk nichts mehr zu tun.

Kein Wunder also, dass Selbstbedienungsbäckereien und Discounter-Backshops schon seit Jahren wie die Pilze aus dem Boden schießen. Auch in den Supermärkten! Aldi, Lidl, Edeka oder Rewe bieten ihren Kunden zu jeder Zeit frisch aufgebackene Teiglinge. Da ist es nicht nur billiger, sondern auch bequemer und schneller, einfach zuzugreifen und nicht noch extra zum Bäcker gehen zu müssen. Im Lidl kostet ein Weizenbrötchen gerade mal 15 Cent (!!). Bei meinem Lieblingsbäcker zahle ich 40 Cent. Menschen, die schon immer auf jeden Cent achten mussten, werden hier nicht lange überlegen, wo sie einkaufen.

Die Inflation verschärft die Lage. Immer mehr Kunden halten jetzt ihr Geld zusammen und der kleine Bäcker von nebenan weiß nicht mehr, wie er die horrenden Energiepreise stemmen soll. Ohne Ofen kann er schlecht backen.

Gestern haben in Hannover hunderte Bäcker vor dem Rathaus demonstriert. Sie fordern von der Politik Soforthilfen, um ihr Handwerk am Leben zu erhalten. Aber auch wir Konsumenten können unterstützen. Wer es sich leisten kann, sollte auch in Zukunft lieber auf Qualität achten und nicht nur auf den Preis. „Du bist, was du isst“! Und solange uns 20 Cent mehr oder weniger nicht in den Ruin treiben, sollten wir uns etwas etwas Gutes tun. Und damit auch den Bäckern.

ein Artikel von
Isabella Müller-Reinhardt
Isabella Müller-Reinhardt

Die in Madrid aufgewachsene Münchnerin arbeitet seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren als Sportmoderatorin für verschiedene deutsche und englische Fernsehsender. Zu den Stationen Müller-Reinhardts zählen unter anderem ARD, ITV, Sport1, Sky und Arena. Zudem plaudert sie in einem Podcast über „Weiberkram“, schreibt diverse Sportkolumnen und hat mit "Mensch Trainer" im Sommer 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht.