© Nataliya Vaitkevich / Pexels
MOBILITÄT

Das 9-Euro-Ticket muss bleiben

von Isabella Müller-Reinhardt

Jetzt ist es raus: Ich bin Antifa. Warum? Weil ich für das 9-Euro-Ticket bin. Alleine das reicht schon für Finanzminister Christian Lindner mich irgendeiner „linken“ Gruppe zu zuordnen. Wenn der wüsste, dass ich heimlich Porsche fahre.

Nein, im Ernst, das 9-Euro-Ticket war und ist „eine der besten Ideen, die wir hatten“, Zitat Olaf Scholz. Und hier geht es auch gar nicht um mich persönlich. Denn ich nutze das 9-Euro-Ticket gar nicht. Ich wohne auf dem Land. Hier kommt der Bus nur alle 60 Minuten. Am Wochenende sogar nur vier Mal am Tag. Mit dem Bus müsste ich zur Stadtbahn.

Von dort ginge es dann weiter. Das ist mir ehrlich gesagt alles zu unflexibel und kompliziert. Aber ich habe das Glück und die Möglichkeiten auf andere Verkehrsmittel auszuweichen. Ich fahre Auto und Fahrrad.

Aber Millionen Menschen in Deutschland haben diese Möglichkeit nicht. Und für die bedeutet das 9-Euro-Ticket Freiheit. Und finanzielle Entlastung! 

In den letzten drei Monaten hat sich das Ticket über 38 Millionen Mal verkauft. 

Alles wird teurer. Lebensmittel, Strom, Heizung, das ganze Leben. Jede Einsparmöglichkeit ist ein Segen. In Deutschland liegt der Preis für eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr bei durchschnittlich 80 Euro für einen Erwachsenen. Zu viel für viele Menschen. 

Aber das 9-Euro-Ticket ist nicht nur ein finanzielles Geschenk. Es gilt bundesweit und das, macht es so herrlich unkompliziert. Wie oft stand ich schon in einer fremden Stadt an irgendeinem Fahrkartenautomaten und war völlig überfordert. Jede Stadt hat eigene Regeln und Preise. Wer soll da noch durchblicken?

In Hannover darf ich mit einer Kurzstreckenkarte fünf Stationen Bus fahren, aber nur drei Stationen mit der Stadtbahn. In München dagegen darf ich vier Stationen fahren aber wiederum nur zwei mit S- oder U-Bahn. In Berlin sind es sechs Stationen Bus und Tram ohne Umsteigen oder aber drei Stationen mit U- und S-Bahn mit Umsteigen. Hallo? Fahrkartendschungel? 

Ein einheitlicher, günstiger Nahverkehr in Deutschland würde nicht nur unseren Nerven und Geldbeuteln helfen, sondern auch das Klima entlasten. Und natürlich kostet das alles sehr viel Geld. Geld, das Christian Lindner nicht rausrücken will. Um genau zu sein, geht es um etwa 10 Milliarden Euro, die das 9-Euro-Ticket den Bund im Jahr kosten würden.

Ein schönes Sümmchen, das irgendwie finanziert werden muss. Vielleicht sollte sich unser Finanzminister mal in Italien, Spanien oder England informieren, wie genau das mit dieser Übergewinnsteuer läuft?Wäre doch eine wunderbare Möglichkeit, in kurzer Zeit an viel Geld zu kommen.

ein Artikel von
Isabella Müller-Reinhardt
Isabella Müller-Reinhardt

Die in Madrid aufgewachsene Münchnerin arbeitet seit mittlerweile mehr als zwanzig Jahren als Sportmoderatorin für verschiedene deutsche und englische Fernsehsender. Zu den Stationen Müller-Reinhardts zählen unter anderem ARD, ITV, Sport1, Sky und Arena. Zudem plaudert sie in einem Podcast über „Weiberkram“, schreibt diverse Sportkolumnen und hat mit "Mensch Trainer" im Sommer 2020 ihr erstes Buch veröffentlicht.