© Estancia Sebastian Heitmann
KLIMAWANDEL

„Climate first!“ – Extantia Gründer Sebastian Heitmann im Interview

von Pauline Brinkmann

Wir haben mit Sebastian Heitmann, dem Gründer und Partner von Extantia, gesprochen und uns zu Investitionen in grüne Technologien ausgetauscht. Sebastian hat mit „Extantia“ einen Investmentfonds für nachhaltige Startups aus Deutschland und Europa aufgebaut und kompensiert seit 2005 sowohl seinen eigenen, als auch seinen unternehmerischen CO2-Fußabdruck. Die bisher getätigten Investitionen von Extantia haben das Potenzial, die jährlichen globalen CO2 Emissionen um über 8% zu verringern und perspektivisch mit weiteren Investments in nachhaltige Technologien schließlich bis zu 100% der europäischen CO2 Gesamtemissionen zu reduzieren. Was hinter seiner Philosophie steckt, was ihn persönlich antreibt und welche Tipps er besonders für Kleinanleger hat, haben wir hier für Euch zusammengefasst.

Du bist Gründer und Partner von Extantia und investiert privates Kapital in nachhaltige Geschäftsmodelle. Wann ist für Dich ein Geschäft nachhaltig?

Unser Ansatz ist „climate first“! Sprich als erstes schauen wir uns an, welche Einsparungsmöglichkeiten das Unternehmen im Kontext der CO2-Reduktion hat. Das ist eine wissenschaftliche Analyse, im Rahmen derer wir uns den gesamten Lebenszyklus der Unternehmen und Technologien anschauen und so den Footprint ermitteln könnten. Wir schauen uns dabei auch die „Embody Emissions“ an, die im Aufbau der Geschäfte und Technologien entstehen. Hier ist unsere Faustregel: Bis zum Jahre 2030 muss jede Technologie ein Nettoreduzierer sein, sprich ihre Embody Emissions abgearbeitet haben. Sollten diese Kriterien erfüllt sein, können die nächste Schritte des Investments eingeleitet werden. Grundsätzlich richten wir unseren Blick was die Bewertung angeht jedoch auch immer auf die Zukunft und das Potenzial.

Mit welcher Motivation und Absicht stellen Euch die Investoren das Geld zur Verfügung? 

Die Motivation kann sehr unterschiedlich sein. Einige Kapitalgeber geben tatsächlich einen Großteil ihres Vermögens zu uns und setzen mit voller Überzeugung auf diese nachhaltigen Geschäftsmodelle. Andere denken pragmatisch und vermuten, dass der grüne Sektor einfach nur ein weiterer Sektor im Kapitalmarkt ist, der zukünftige gute Renditen verspricht und somit eine Alternative oder Erweiterung bisheriger Vermögenswerte sein kann. Grüne Investments in Technologien in der Entwicklung bringen auch ein gewisses Risiko mit sich. Das ist unseren Anleger bewusst, jedoch können dadurch auch höhere Renditen bei Erfolg entstehen. Wichtig ist auch: Wir investieren nicht in den Ausbau bestehender Technologien, wie z.B. Energieträger im Bereich der Erneuerbaren Energien, sondern in die Erschaffung neuer Technologien. 

Denn wichtig ist zu wissen, dass wir zur Erreichung des Paris Agreements stand heute nur 50% der Technologien auf dem Markt haben, die wir dafür tatsächlich benötigen werden. Unser Ziel ist es diese Innovationslücke zu schließen und in radikalen neuen Ideen zu investieren mit Fokus auf Transparenz und Messbarkeit. Wir suchen sogenannte „Gigacorns“, das sind Firmen, die im besten Fall eine Gigatonne CO2 reduzieren können. Das würde ungefähr dem Gesamtausstoß Deutschlands pro Jahr entsprechen.

Jetzt hast Du viel über die konkreten Beweggründe gesprochen. Doch wie muss ich mir einen klassischen Investor bei Extantia vorstellen? Sprechen wir eher von jungen Geldgebern oder dem klassischen Mittelstand? 

Unsere heutigen Investoren kommen in der Regel aus dem deutschen Mittelstand und investieren als Privatperson. Teilweise ist es die zweite oder dritte Generation in einem Familienunternehmen, die ihr Kapital sinnvoll einsetzen möchten. Es sind aber auch einige Selfmade-Unternehmer dabei, die nicht geerbt haben und mit ihren Investments einen positiven Beitrag leisten möchten. Wichtig ist jedoch auch zu bedenken, dass wir natürlich keine Charity-Organisation sind, sondern immer mit dem Gedanken der ökonomischen Sinnhaftigkeit und Rendite arbeiten. Mit Institutionen oder Unternehmen hatten wir bisher wenig Kontakt. Das ändert sich aktuell aber und wir diskutieren auch dort entsprechende Investments. 

Was steckt hinter all diesen grünen Innovationen und Technologien? Kannst Du uns mal ein konkretes Beispiel nennen, wie CO2 genau reduziert werden kann? 

Ein super Beispiel ist unsere Beteiligung an einem Unternehmen für Geothermie. Wir sitzen sprichwörtlich auf der größten Batterie der Welt. Konkret gesagt soll die Erdwärme als Energiequelle genutzt werden, ohne dabei Ressourcen oder große Energieverluste in Kauf zu nehmen. Eine Quelle, die uns eigentlich immer zur Verfügung steht und jetzt nur noch mit der entsprechenden Infrastruktur und Zuverlässigkeit mit Technologie gefördert werden kann. 

Reicht es dann aus, mit neuen Technologien CO2-Emissionen zu reduzieren? Oder müssen wir nicht eher noch einen Schritt weitergehen und entstandene Emissionen aus der Luft ziehen, um Klimaziele zu erreichen?

Negative Emissionstechnologien sind ein sehr spannendes Thema, mit dem wir uns auf der Metaebene auch schon beschäftigen. Das wird mit Sicherheit perspektivisch auch ein großer Markt werden. Fakt ist, dass wir „Net Zero“ nur erreichen werden, wenn wir zwangsläufig CO2 absorbieren können. Demnach schauen wir uns vor allem Absorptionsprozesse an, die wir auch ökonomisch für sehr sinnvoll halten. Denn tatsächlich ist die Bekämpfung des Klimawandels rein technologisch mit bereits vorhandenen Technologien schon heute möglich, das Problem ist in dieser Hinsicht jedoch der Preis. Studien haben errechnet, dass wir 5 Trilliarden Euro im Jahr aufwenden müssten, um dieses Ziel zu erfüllen. Dieser Preis ist ohne Frage aufs Jahr gerechnet zu hoch, er wird sich jedoch in der Zukunft nach unten entwickeln und dann sind wir auch bereit den Preis zu bezahlen. 

Für Kleinanleger sind Investments in einzelne Unternehmen sehr schwierig zu realisieren und mit hohem Ausfallrisiko verbunden. Was hältst Du von sogenannten ESG ETFs. Also Indexfonds, die als Sparplan genutzt werden und nachhaltige Kriterien der UN erfüllen sollen. 

Leider sind die ESG Kriterien noch sehr weich formuliert und gehen nicht weit genug. Viele der aktuellen ESG-Kriterien sind vor allem auf Vermeidung und Reduktion von Abfall gerichtet, aber bis wir wirklich für negative CO2-Emission sorgen, ist es noch ein langer Weg. 

Ich würde auch nicht zu sehr auf die Selbstregulierung des Finanzmarktes hoffen, es braucht wahrscheinlich noch mehr Druck von der regulatorischen Seite. Es ist schlichtweg noch zu viel Geld im traditionellen Finanzsektor im Umlauf, auch in klassischen ETFs, welche wahrscheinlich auch in zehn Jahren noch profitabel sein werden.

Wie stehst Du zu den energieintensiven Kryptowährungen? Wie schätzt du den Energieverbrauch durch das Mining ein?

Grundsätzlich sind Kryptowährungen ein sehr spannender Markt. Es sind neue Wege das Finanzsystem anders zu denken. Die dahinterstehende Technologie halte ich für sehr relevant und spannend. Bezüglich der Miningfrage würde ich die Kirche im Dorf lassen. Die globale Serverindustrie macht meines Wissens nach 2-3% der Emissionen auf der Welt aus, wobei Kryptomining dort wahrscheinlich weniger als 10% der Gesamtemissionen von den 2-3% ausmacht. Außerdem haben viele Serverfarmen einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien mit drin, das müsste man dann auch noch mit reinberechnen. Die großen Player wie Microsoft oder Amazon beispielsweise sind große Konsumenten von Erneuerbarer Energie und bauen teilweise ihre Server dorthin, wo sie direkten Zugang zu grüner Energie haben. Man sollte somit nicht pauschal sagen, dass Krypto klimaschädlich ist. Das größere Risiko ist meines Erachtens eher die Regulatorik.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.