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REZESSION

Börse und Rezessionen: Das musst du wissen

von Nils Matthiesen

Locker zu bleiben, fällt angesichts der aktuellen Nachrichtlage schwer. Genau das solltest du bei denen Finanzen aber machen. Die Geschichte ist auf deiner Seite.

Geld zu verschenken, macht Spaß. Aber es zu verlieren? Wenn man mit ansehen muss, wie sich große Teile der hart verdienten Ersparnisse in Luft auflösen, ist Schluss mit lustig. Deshalb sind die Anzeichen, dass die Weltwirtschaft in eine Rezession schlittert, so beunruhigend. Denn das bedeutet sinkendes Wirtschaftswachstum auf der einen und fallende Aktienkurse auf der anderen Seite. Wie also als Anleger am besten reagieren? Hier einige interessante Beobachtungen:

Rezessionen sind normal: Seit dem Zweiten Weltkrieg befanden sich zum Beispiel die Vereinigten Staaten in 14 Prozent der Zeit in einer Rezession. Oder: An einem beliebigen Tag in der Nachkriegszeit lag die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Vereinigten Staaten in einer Rezession befanden oder innerhalb von zwei Jahren befinden würden, bei 46 Prozent (!).

Aktienkurse: Die großen Indizes wie der US-amerikanische S&P500 fallen in der Regel VOR einer Rezession viel stärker als während einer Rezession selbst. Das könnte bedeuteten, das wir die größten Börsenrückschläge vermutlich schon gesehen haben.

Aktienauswahl: Defensive Sektoren wie Versorger und Basiskonsumgüter schneiden während einer Rezession in der Regel besser als Technologie- und Finanzwerte ab. Schließlich müssen die Menschen weiter Dinge wie Lebensmittel kaufen. Stattdessen wird eher bei Freizeitaktivitäten wie Urlaub und teuren Anschaffungen wie Autos gespart. 

Global: Europa könnte aufgrund der negativen Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts früher als die USA in eine Rezession geraten. Sollte die US-Notenbank jedoch gezwungen sein, die Zinssätze schneller als erwartet zu erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, könnte dies das Risiko einer Rezession in den USA erhöhen.

Dauer: In der Regel dauern Rezessionen zwischen vier und 21 Monaten. Viele Variablen beeinflussen die Dauer einer Rezession, aber die wichtigste ist die Inflation. Wenn eine Rezession mit einem Rückgang der Inflation einhergeht, können Regierungen und Zentralbanken mit einer Erhöhung der Konjunkturimpulse reagieren und so die schnelle Erholung der Wirtschaft fördern. Bleibt die Inflation jedoch auch bei einer bevorstehenden Rezession hoch, d. h. bei einer Stagflation, dann können sich die Zentralbanken keine Zinssenkungen leisten und die Rezession verlängern. Genau das ist aktuell der Fall.

Warum die jüngste Geschichte so trügerisch ist

Steigende Börsen sind weitaus angenehmer als fallende. Allerdings kennen viele Anleger fallende Börsen kaum noch. Vor allem die, die erst seit März 2009 in Aktien investieren. Zu dieser Zeit hatte der S&P 500 nach einem durch die Finanzkrise ausgelösten Crash 57 Prozent (!) an Wert verloren. Die Wende läutete die US-Notenbank Fed ein, die die Zinssätze auf fast null senkte, Anleihen im Wert von Billionen Dollar aufkaufte und einen Aktienboom einleitete, der nahezu elf Jahre andauerte. Diese glorreiche Zeit endete im Februar 2020, kurz vor Beginn der Covid-19-Pandemie. Es folgte ein kurzer Einbruch, bis die Fed erneut intervenierte und einen weiteren Aufwärtstrend einläutete. Wer also die Börse vor allem in den letzten zwölf Jahren kennenlernte, mag die aktuelle Situation wie ein seltenes Phänomen vorkommen. Die Wahrheit sieht aber anders aus. 

Seit 1929 befand sich der US-Aktienmarkt in fast 24 Prozent der Zeit in einem Bärenmarkt. Von einem Bärenmarkt ist von dem Tag an die Rede, nach dem die Börse um 20 Prozent gefallen ist. Demnach befindet sich der S&P 500 seit dem 3. Januar in einem Bärenmarkt. Bärenmarkt hin, Bärenmarkt her: Starke Einbrüche sind an der Börse vollkommen normal. Sprich: Wenn du dein Geld in Aktien, Fonds und ETFs anlegst, musst du auf größere Rückschläge vorbereitet sein. Und auf Rezessionen. 

Auf Regen folgt Sonnenschein

Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber auch: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wirtschaft weiter langfristig wachsen und dass die Börsen für geduldige, breit aufgestellte Anleger weiter ansehnliche Renditen abwerfen wird. Ein Jahr nach gewaltigen Krisen stand der Aktienmarkt in mehr als der Hälfte aller Fälle wieder höher. Und: In über 70 Prozent (!) standen sie nach drei Jahren wieder höher, und nach fünf Jahren sogar in 80 Prozent.

Klar, das Risiko besteht weiterhin, dass die Märkte noch weiter abrutschen. Jetzt einzusteigen, erfordert auf jeden Fall eine Menge Mut. Denn Aktien zu kaufen, wenn sie steigen, ist psychologisch deutlich einfacher, weil man sich bei jedem Kauf wie ein Investmentgenie betrachtet. Aktien zu kaufen, wenn sie fallen, ist definitiv unangenehmer. Fühlt sich irgendwie falsch an. Aber: Wenn du den richtigen Zeitpunkt vor dem Turnaround erwischst, bist du der große Gewinner. Nur weiß eben keiner genau, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Fazit

Wenn du jetzt schon (auf dem Papier) viel Geld verloren hast, solltest du auf jeden Fall kühlen Kopf bewahren. Du weißt ja: Du solltest kein Geld in Aktien investieren, wenn a) du auf das Geld angewiesen bist und b) es in absehbarer Zeit wieder brauchst. Andersherum: Wenn du Aktien (ETFs, Aktienfonds etc.) kaufst, solltet du mindestens zehn bis 15 Jahre Zeit mitbringen und das angelegte Kapital bis dahin nicht benötigen. Mit dieser Strategie bist du nahezu immer auf der sicheren Seite, zeigt die Börsengeschichte. Die Chancen steht gut, dass auch die aktuelle Krise nur als eine Delle von vielen in die Aktienhistorie eingeht.

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.