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Moderner Eskapismus

Auf der Suche nach dem verlorenen Glück

von Nikolina Krstinic

Der Mensch ist ein Fluchttier. Nur zu oft verlässt er seinen natürlichen Lebensraum, um in der Ferne das große Glück zu suchen. Auf Social-Media-Kanälen liegen Hashtags wie #Wanderlust im Trend. Doch die moderne Realitätsflucht ist teuer – und nicht ganz ungefährlich.

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Für 9.500 Euro kaufen sie einen alten Schulbus und bauen diesen in dreimonatiger Sisyphusarbeit zu einem Loft auf Rädern um. Die Reise beginnt, und mit ihr die mediale Inszenierung einer Suche nach Erfüllung. Während Authentizität und Selbstverwirklichung zunehmend zur Ware einer narzisstischen Spaßgesellschaft ohne tieferen Sinn werden, kann der verträumte Betrachter gemütlich vom Sofa aus das überragende Schauspiel der Natur und das weniger überragende Schauspiel dieser beiden mutmaßlichen Freigeister bestaunen. Das kennen wir bereits aus dem 2007 erschienenen Filmepos Into The Wild, der sich derselben Grundidee bedient. Doch ein solches Unterfangen ist nicht nur aus soziologischen Gesichtspunkten, sondern auch aus wirtschaftlichen höchst interessant. So schreibt der französische Autor Frédéric Beigbeder in seinem 2001 erschienenen Roman mit dem Titel 99 Francs: „Alles ist käuflich: die Liebe, die Kunst, der Planet Erde, Sie, ich” – und trifft damit den Nerv der Gesellschaft, in der wir leben.

In der kunterbunten Welt von Selima Taibi und Felix Starck scheint Geld nur eine Nebenrolle zu spielen. Nachdem Starcks erster Film Pedal The World auch ein wirtschaftlicher Erfolg war, hatte das Paar jede Menge davon. Nach „Expedition Happiness“ hatten die beiden eine mediale Aufmerksamkeit unter den reisefreudigen Mittzwanzigern generiert, die ihresgleichen sucht. Innerhalb der inspirierten Fangemeinde gab es etliche Nachahmer, die bereits, bevor es richtig losging, kläglich scheiterten. So berichten die Tampa Bay Times in einem Artikel darüber, wie der Amerikaner Tanner Broadwell (26) und seine Partnerin Nikki Walsh (24) ihr gesamtes Hab und Gut verkauften und ein Segelboot erstanden, um die Welt zu umsegeln. Der Traum endete am zweiten Tag mit einem gesunkenen Boot und leeren Händen. Das heißt, nicht ganz: Ihren Mops (2) konnten sie gerade noch vor dem Ertrinken retten. Auch die Freigeister aus Expedition Happiness haben einen Hund auf ihrer 25.000 Kilometer langen Reise dabei. Immer wieder geraten sie in Schwierigkeiten mit Behörden und überlegen früher abzureisen, immer wieder erinnern sie sich, dass der geplante Film ihre finanzielle Absicherung bildet und sie nicht ausschließlich zum Spaß auf Reisen sind. Im Film selbst wird das nicht angesprochen. Ebensowenig wird gesagt, dass allein der Ertrag aus dem Verkauf des Buses zum Ende der Reise rund 100.000 Euro beträgt.

Zwar empfehlen die beiden Weltenbummler jedem, der den Drang verspürt, eine solche Reise zu machen, dies auch zu tun. Die Finanzierung einer Unternehmung dieser Größenordnung und die Gefahren, die diese birgt, werden nicht offengelegt.

Hier geht’s zum Filmtrailer von „Expedition Happiness“:

ein Artikel von
Nikolina Krstinic
Nikolina Krstinic studierte in Wien und Berlin Kulturwissenschaften, Journalismus und Unternehmenskommunikation. Sie ist als freie Autorin und Journalistin tätig - seit Februar 2018 auch für Zaster.