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AKTIENMARKT

Aktienkurs fällt: Halten, nachkaufen oder verkaufen?

von Nils Matthiesen

Eine der wichtigsten Regeln an der Börse: Langfristig investieren. Also bestenfalls Aktien oder Fonds kaufen und dann mindestens 15 Jahre – besser mehr – reifen lassen. Am Ende springt so fast immer ein Gewinn heraus, lehrt uns die Geschichte.

Denn Aktien sind volatil, ihr Wert kann sich also plötzlich ändern. Die Umstände, die dazu führen, sind ganz verschieden. Wenn du aber eine höhere Rendite erzielen willst, musst du dieses Risiko eingehen. Je länger du dabei bist, desto geringer aber das Risiko. Was aber, wenn du bei einer Aktie anscheinend aufs falsche Pferd gesetzt hast und der Kurs, statt zu steigen nur runter geht. Ist es dann besser, denn Stecker zu ziehen, bevor der Kurs noch weiter fällt?  Oder besteht die bessere Strategie darin, zu warten?  Schließlich könnte sich der Kurs doch wieder erholen, ist eines der beliebtesten Argumente in so einer Situation.

Fallende Aktienkurse: Für viele neu

Das Problem ist vor allem deswegen für viele Aktieneinsteiger neu, dass die Börsen nach dem Corona-Knick im März 2020 nur eine Richtung kannten: Nach oben. Nahezu alle Aktien stiegen in den darauffolgenden 12 Monaten. Diese Situation war aber eine absolute Ausnahme. Es ist nicht selten, dass Aktien fallen, selbst wenn der Gesamtmarkt steigt. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr stieg der S&P 500 um fast 30 Prozent. Doch immerhin 13 Prozent der in diesem Index enthaltenen Aktien verloren im gleichen Zeitraum. Im Jahr 2020 schloss der S&P mit einem Plus von mehr als 18 Prozent ab, doch ein Drittel aller Aktien lag zum Jahresende im Minus. 

Selbst die besten Aktien schmieren ab

Selbst die besten Aktien verzeichnen immer wieder Rückschläge. Beispiel Apple: Zwar stieg der Kurs in den letzten Jahren über sagenhafte 1.200 Prozent. Aber zwischenzeitlich gab es immer wieder große Abschläge. Allein in dieser Periode gab die Apple-Aktie viermal um mehr als 25 Prozent nach. Ähnlich war es auch bei Amazon und Netflix, zwei weiteren Kandidaten, die für ihre Erfolgsgeschichte an der Börse bekannt sind. Auch hier gab es zwischenzeitlich gewaltige Kursrückschläge von über 80 Prozent. Im Nachhinein betrachtet war es hier richtig die Aktien zu halten oder sogar bei niedrigen Kursen nachzukaufen. Das große Problem aber: Niemand kann dir garantieren, dass eine Aktie noch einmal durchstartet. 

Es gibt genug Beispiele von Unternehmen, dessen Börsenkurse massiv abgeschmiert sind und sich davon nie wieder erholten oder sich letztlich sogar komplett verabschiedeten. Prominente Vertreter dieser gab es in den letzten Jahren vermehrt im Finanzsektor. Etwa die Papiere von Citigroup und AIG, die um 90 Prozent abgesackten und sich davon bislang nicht wieder erholten. Das sind allerdings Extrembeispiele, dazwischen gibt es viele Aktien, die jahrelang nahezu schleichend an Wert verlieren. 

Aktien sind riskant

Klar ist: Das Risiko mit einzelnen Aktien ist im Vergleich zu ETFs oder Aktienfonds unterm Strich höher. Denn wenn du breit investierst, verteilst du das Risiko auf Hunderte oder sogar Tausende verschiedener Wertpapiere. Falls eine Handvoll dieser Unternehmen nicht gut abschneidet, hat das keine großen Auswirkungen. Und du kannst dich darauf verlassen, dass ein Gesamtmarkt-Indexfonds komplett an Wert verliert, sofern die Erde nicht untergeht. Bei Einzelaktien ist das nicht der Fall.

Niemand kennt die Zukunft

Wenn also die Börse steigt und eine deiner Aktien fällt, macht das kein gutes Gefühl. Das negative Gefühl dürfte sich dadurch verstärken, dass es keine allgemeingültigen Regeln dafür gibt, wann man eine schlecht laufende Aktie abstoßen sollte. Zwar gibt es viele Bücher und Fachbeiträge rund um das Thema, die sich beispielsweise um Themen wie Charttechnik und Finanzanalyse drehen. Und sicher kann es nicht schaden, Kennzahlen und Quartalsberichte zu studieren, um sich ein besseres Bild zu verschaffen. Trotzdem kann in Ermangelung einer funktionierenden Glaskugel niemand genau wissen, welche Aktien stärker zurückkommen und welche vollends abstürzen. Da es in diesem Punkt keine Sicherheit gibt, solltest du dich folgendes fragen:

Wie hoch ist deine Schmerzgrenze? Bist du in der Verfassung, einen Verlust in Höhe von 40, 50, 60 Prozent oder höher zu verkraften? Als langfristig orientierter Anleger solltest du mit zwischenzeitlichen Abschlägen von 50 Prozent durchaus klarkommen.

Würdest du verkraften, die Aktie mit Verlusten zu verkaufen? Diese Frage lässt sich viel einfacher beantworten, wenn sich eine Aktie in der Gewinnzone bewegt. Aber sie hilft dir, dein Risikoprofil zu schärfen.   

Hat sich bei der Aktie fundamental etwas verändert? Oder andersherum: Gelten die Argumente nicht mehr, die dich zum Kauf der Aktie getrieben haben?

Gibt es bessere Anlagemöglichkeiten? Jede Anlageentscheidung – kaufen, verkaufen oder halten – solltest du in Erwägung der Alternativen betrachten.

Fazit

Schlecht laufende Aktien sind wie ein Rohrbruch im Keller: Braucht man nicht, man muss sich aber darum kümmern. Triff in Anbetracht der aktuellen Situation und der möglichen Alternativen am besten eine Entscheidung, und hake das Thema für die nächsten Monate ab. Anschließend solltest du die Lage neu bewerten. 

ein Artikel von
Nils Matthiesen
Nils ist Journalist, Texter und einer der ersten Digital Natives. Er beschäftigt sich schon seit über 20 Jahren mit den Themen Vorsorge, Geldanlage und Börse. Persönlich setzt er inzwischen mehr auf Fonds-Sparpläne als aktives Aktien-Picking.