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INSPIRATION

„Reine Männer-Panels sehen hinterweltlerisch aus“ – Im Gespräch mit Finanzexpertin Anke Dembowski

von Zaster Redaktion

Anke Dembowski arbeitet seit 1989 in der Fonds-Branche: Zuerst als selbständige Anlageberaterin mit einem der ersten Fonds-Shops, dann im Deutschland-Vertrieb eines Versicherers, und jetzt als Finanzjournalistin. Im Jahr 2024 gründete sie zusammen mit zwei Kolleginnen das Karrierenetzwerk „Fondsfrauen“. Wir sprechen mit ihr über die Entwicklungen, die es in der Finanzbranche in dieser Zeit gegeben hat, und warum ein Frauennetzwerk gerade in der Finanzbranche so wichtig ist. Demnächst zieht Anke Dembowski von ihrem Haus an Land auf ein Segelschiff um und arbeitet dann von dort.

In Ihrem beruflichen Werdegang seit 1989 haben sich die Rahmenbedingungen im Fonds- und Finanzbereich deutlich verändert: Wenn Sie heute zurückblicken, welche Überzeugung tragen Sie nach wie vor mit sich und welche mussten Sie revidieren?

Als ich 1989 in der Fondsbranche anfing, war gerade die 1. EU-Investmentrichtlinie (OGAW-Richtlinie) in Kraft getreten. Der Markt war durch wenige ausländische Player geprägt, im Wesentlichen durch zwei: Templeton und Pioneer (heute Amundi). Beide haben Aktien-Investments promotet. Jeder „alte Hase“ im Markt kann sich vermutlich an das legendäre strukturierte Verkaufsgespräch von Dr. Klaus Jung erinnern, in dem er Aktien-Investments und den Zinseszins erklärt hat. Geblieben ist davon: Es geht nichts über ein langfristiges Investment, das sich im Schnitt mit 7-8% p.a. verzinst. Dann braucht man nicht lange über kleine oder sehr kleine Rentenerhöhungen zu diskutieren: Wer hier alles richtig macht, wird bei Rentenbeginn über ein solides Kapital verfügen, mit dem er oder sie sich eine schöne Altersvorsorge leisten kann.

Was ich revidieren musste, ist der Gedanke, dass Weiterentwicklungen am Kapitalmarkt stets für Fortschritt sorgen. Ich habe lernen müssen, dass es sich bei Produktinnovationen oft um bloße Modeerscheinungen handelt, die allenfalls den Produktanbietern Vorteile bieten, aber leider nicht immer den Anlegern. Das 1. große Ding in meiner Laufbahn war die Blase der Aktienmärkte in Japan und überhaupt, der „Asiatischen Drachen“, wie man sie damals nannte. Es wurden viele Asien- und Japan-Fonds aufgelegt und verkauft. Die extrem hohen Bewertungen wurden in dieser Zeit einfach mit „Japan is different“ begründet. So anders war Japan dann aber leider doch nicht, und der Markt implodierte. Er fiel auf normale Bewertungs-Kennzahlen zurück und verharrte für mehrere Jahrzehnte in diesem Tal.

Anfang der 90er Jahre kamen dann Garantiefonds auf – ein toller Gedanke: Man sollte damit von den Renditechancen der Aktienmärkte profitieren, bei gleichzeitigem Schutz vor Abwärts-Bewegungen. Leider gingen die geschürten Hoffnungen nicht auf: Weder profitierten die Anleger so richtig von den Aufwärts-Phasen, noch klappte es mit den Garantie-Schutz. Heute gibt es solche Fonds nicht mehr. Spoiler: ETF-Anbieter mit US-Wurzeln versuchen etwas ähnliches einzuführen: Buffer-ETFs.

Danach waren geschlossene Fonds eine heiße Sache. Geschlossene Immobilien-, Schiffs- und Medienfonds wurden feilgeboten. Sie sollten tolle Langfrist-Investments darstellen, mit denen sich obendrein noch Steuern sparen ließen. Die Vermittler hatten mit Sicherheit ihre Provision verdient – oft im zweistelligen Bereich! Wer sehen möchte, wie hoch die Verluste für die Anleger waren und immer noch sind, wirft mal einen Blick in die Zweitmarktbörsen. Dort werden die Beteiligungen an den einst heiß beworbenen geschlossenen Fonds wie sauer Bier angeboten: Zwischen 10 und 60 Prozent der ursprünglichen Beteiligungssumme wird da meistens geboten, wenn sich überhaupt noch jemand erbarmt, als Aufkäufer aufzutreten. Entsprechend wurden viele solcher Beteiligungen mittlerweile wertlos verramscht. Verlustquote 100% – aber das Finanzamt erkennt diesen Verlust teilweise nicht an, d.h. die Verluste sind nicht oft noch nicht einmal mit anderen Gewinnen verrechenbar – das schmerzt dann doppelt.

Um die Jahrtausendwende wurden dann Zertifikate als der letzte Schrei unter den Finanzinnovationen angepriesen. Mit ihnen sollte man alles Mögliche gestalten können – es gab – neben anderen komplexen Kreationen – Turbo- und Absicherungs-Produkte. Aber auch ganz wilde Dinge wie diese: Hier ist ein Korb aus 25 Aktien. Wenn eine davon in den nächsten 36 Monaten um mehr als 40% im Wert fällt, verlieren Sie ihren gesamten Einsatz; wenn nicht, erhalten Sie 3 oder 5 % p.a. nach Kosten. Auf keiner Kirmes würde man solche abstrusen Wetten abschließen, aber Zertifikate fanden eine Weile lang einen guten Absatz, und Menschen haben sie gekauft.

Was ich daraus gelernt habe? Egal welche Sau als nächste Finanzinnovation durchs Dorf getrieben wird, man muss genau hinschauen! Man darf nicht davon ausgehen, dass sie erfunden wurden, um zum Glück der Anleger beizutragen. Aber von Investmentfonds – insbesondere von Aktienfons – bin ich nach wie vor überzeugt!

Sie sind Mit-Gründerin von Fondsfrauen. Welche besondere Herausforderung war in der Gründungsphase am unerwartetsten, und wie haben Sie sie gemeistert?

Wir haben die Fondsfrauen zu dritt gegründet: Anne Connelly, Manuela Fröhlich und ich. Unsere Idee war, ein Frauennetzwerk für Frauen in der Fonds- und Finanzbranche aufzubauen, sie in der Branche zu unterstützen und untereinander zu vernetzen. Das haben wir getan, und dann kam -unerwartet für uns alle – die Corona-Pandemie. Für ein Netzwerk ist es sehr misslich, wenn man sich nicht mehr treffen darf. Wie also netzwerken oder große Veranstaltungen wuppen? Wir haben im Lockdown dann beispielsweise die Fondsfrauen-Award-Verleihung in einem Film-Studio gedreht, haben Expertinnen digital dazugeschaltet, und hunderte unserer Mitglieder konnten das Event an ihren Bildschirmen verfolgen.

Einige der Formate, die wir damals eher zwangsweise als freiwillig gefunden haben, behalten wir bis heute bei, weil sie unser Netzwerk-Angebot sinnvoll ergänzen: Die digitalen Lunch Talks. Dort diskutieren Expertinnen zu einem bestimmten Thema und bringen es in kurzer Zeit auf den Punkt. Die Zuhörerinnen essen dabei ihr Lunch und hören am Bildschirm zu, und haben nebenher sozusagen ein Häppchen Weiterbildung und gleichzeitig drei, vier oder mehr Frauen aus dem Netzwerk kennengelernt.

Das Thema Sichtbarkeit von Frauen in der Finanzbranche liegt Ihnen am Herzen. Mit welchem konkreten Impuls möchten Sie heute Frauen ermutigen, die bislang zurückhaltend waren?

Es ist ganz wichtig, in der Branche sichtbar zu sein, denn wenn Dich niemand im Hinterkopf gespeichert hat, kann auch niemand an dich denken, wenn es um eine interessante Podiumsdiskussion, ein tolles Jobangebot oder ein spezielles Projekt geht, das dich weiterbringen könnte. Aber nicht jede Frau ist extrovertiert und plaudert aus dem Stehgreif munter bei jeder Fachkonferenz. Es gibt jedoch für jede Frau einen geeigneten Weg, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Zurückhaltende Naturen bereiten sich vielleicht besonders gut vor, ehe sie sich vor Publikum äußern – dann geht‘s.

Technik-Affine gehen über Social Media, Kontakt-Liebhaber besuchen einfach gute Konferenzen. Jede kann ihren Weg finden. Gerade Frauen müssen aufpassen, dass sie nicht in die Fleißige-Bienchen-Falle tappen. Seid ruhig professionell und fleißig, aber betrachtet auch Netzwerken als Teil Eures Jobs und vernetzt Euch! Das ist gut für Euch und stützt Eure weitere berufliche Entwicklung!

Netzwerke wie Fondsfrauen kombinieren „Karriere“, „Inspiration“ und „Vernetzung“: Welche von diesen drei Dimensionen begegnet Ihnen bei Ihren Mitgliedern meist als Ausgangspunkt, und wie wandelt sich das über die Zeit?

Vielen Frauen gefällt der Vernetzungs-Gedanke. Ich persönlich bin beispielsweise eher nicht schüchtern und komme auf jeder Konferenz gut mit Menschen ins Gespräch. Trotzdem finde ich, dass es auf einem reinen Frauen-Event noch geschmeidiger, noch barrierefreier geht. Auf unseren Events unterhält sich wirklich jede Teilnehmerin gut; schüchterne Naturen werden einfach angesprochen und integriert – das geht ganz von selbst. Daher gehe ich davon aus, dass das Thema „Vernetzen“ viele Frauen als erstes begeistert hat. Auf unseren Events lernt man dann viele Frauen kennen, und erhält Impulse von den Vorträgen und Podiumsdiskussion. Ich bin mir sicher, dass da oft der Funke überspringt und sich viele Frauen davon inspiriert fühlen.

Hoffentlich ist das auch von unseren Beiträgen und Interviews im Blog und unseren Posts in den diversen Social-Media-Kanälen der Fall! Und wenn dann das Netzwerken – das ja nebenbei auch Spaß macht – Früchte trägt, und sich die eine oder andere Opportunität auf dem Karriereweg bietet, dann haben wir doch alles richtig gemacht! Und das war nachweislich öfter der Fall. 

Wenn Sie sich für einen Moment vorstellen, Sie stünden am Steuer eines Segelboots: Wie würden Sie die Richtung für Fondsfrauen in den nächsten fünf Jahren setzen, welche Winde erwarten Sie, und wie bereiten Sie Mannschaft und Boot vor?

Die Wetterprognosen haben gerade eine Schlechtwetterzone in den USA auf dem Schirm, mit Anti-DEI-Maßnahmen, die Präsident Trump derzeit ohne Rücksicht auf Verluste durchsetzt. Die raue See kann bis nach Europa rüber schwappen, aber zum Glück kommt diese Strömung hierzulande nur abgemildert an. Trotzdem müssen wir wachegehen und die Augen offenhalten, regelmäßig Pegelstand, Strömung und Wellenhöhe prüfen. Dazu führen wir regelmäßig Studien durch. Im Oktober haben wir beispielsweise die 5. Auflage der Studie „Zeitenwende im Asset Management: Gender Diversity zwischen Fortschritt und neuer Zurückhaltung“ veröffentlicht. Die Fondsfrauen haben sie gemeinsam mit KPMG Deutschland und der Universität Mannheim erstellt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich zwar mehr Frauen in der Asset Management-Branche bewerben, aber proportional weniger eingestellt werden. Die Kapitäne achten nicht mehr so sehr darauf, dass die Mannschaften gut durchmischt sind; ihnen sind auch reine Männer-Crews recht.

Wir sehen das zunehmend auch auf Panels; die sind auf manchen Veranstaltungen wieder rein männlich besetzt; das sieht doch einfach hinterweltlerisch aus! Noch bis vor wenigen Jahren gab es explizite Quoten-Ziele, aber viele Charter-Gesellschaften haben sie kassiert und begnügen sich mit sporadischen Schönwetter-Events für Frauen. Da gibt’s dann Prosecco und Häppchen, aber das Hilft den Frauen weder bei der Steuerung ihres Vermögens noch bei ihrer Karriereentwicklung bis zur Kapitänin. Wir adressieren diese Veränderungen und machen den Unternehmen klar, dass Diversity nicht nur ein nice-to-have-Ziel ist, sondern das diverse Teams zu leistungsstärkeren Crews und besseren Etmalen führen.

Gerade in einer Branche mit hoher Veränderungsdynamik (Regulierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit): Wenn Sie eine Kompetenz nennen müssten, die in Zukunft über Erfolg entscheiden wird und die noch zu wenig gefördert wird: Welche wäre das?

Es hört sich vielleicht banal an, aber Flexibilität ist Trumpf. Im Finanzsektor muss man sich laufend auf neue Strömungen, Regulierungen und auch Modewellen einstellen. Vielleicht haben wir Frauen das mit den Modewellen besonders gut im Blick (lacht).

Außerdem dürfen wir davon ausgehen, dass Finanzen mit Emotionalität, Einfühlungsvermögen und Empathie zu tun haben. Warum? Geld und Finanzen sind nie Selbstzweck, sondern sind dazu da, um im Leben eingesetzt und genutzt zu werden. Daher kann Geld Gefühle wie Sicherheit und Geborgenheit, aber auch Misstrauen und Gier freisetzen. Das heißt, man muss sich in die Situation von Menschen hineinversetzen und ihnen zuhören, was sie brauchen, welche Ziele sie mit ihrem Geld, ihrem Vermögen verfolgen. Nur so lassen sich sinnvolle Produkte und Strategien entwickeln. Frauen wird nachgesagt, Empathie und Emotionen besonders gut zu können, daher sollte es meiner Meinung nach viel mehr Frauen im Wealth Management oder im Private Banking geben.

Welche Themen im Finanz-Sektor werden derzeit noch zu wenig beleuchtet?

Der Vermögensverzehr erhält aus meiner Sicht noch zu wenig Aufmerksamkeit. Ich verstehe das gar nicht: Die Discount-Banken promoten 10-Euro-Sparpläne, an denen sie kaum etwas verdienen, anstatt sich auch mal um die Babyboomer zu kümmern, die teilweise schon beträchtliche Vermögen aufgebaut haben. Mit Eintritt der Rente sind die Vermögen ja nicht schlagartig weg; schließlich sollen sie noch über 20 oder 30 Jahre reichen und müssen gemanagt werden. Da ist doch Geschäft zu machen, das für beide Seiten gut ist! Aber schauen Sie sich mal an, welche Online-Banken überhaupt einen Auszahlplan anbieten… da muss man wirklich lange suchen, um fündig zu werden!

Bei der aktuellen Rentendiskussion wird immer das Schreckgespenst von 15 Millionen Babyboomern erwähnt, die sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden. Ja, diese Tatsache ist schon seit 60 Jahren bekannt, denn mindestens so lange leben die Babyboomer schon! Aber wer sagt mir denn heute, wieviel ich monatlich entnehmen kann, wenn ich einen Betrag von 100.000 Euro aufgebaut habe und Kapitalerhalt anpeile? Und wieviel, wenn ich davon ausgehe, 100 Jahre alt zu werden, und das Kapital bis dahin reichen soll? Auch über die Umschichtung vor Beginn der Rentenphase wird kaum gesprochen.

Soll ich denn marktabhängig umschichten oder rein mechanisch, also einen bestimmten Prozentsatz des Depots? Wieviel soll ich in liquide Anlagen holen? Und wie halte ich meinen Liquiditäts-Topf ausreichend gefüllt? Manche Berater machen es sich leicht und empfehlen einfach eine 100-prozentige Rentenquote ab dem Tag, wo ich mich zur Ruhe setze. Wie blöd, ich will ja auch dann noch Rendite… schließlich will nur ich mich zur Ruhe setzen, aber mein Vermögen soll noch für mich arbeiten – und zwar möglichst hart!

Zum Schluss: Wenn Sie eine Szene aus Ihrer journalistischen Tätigkeit auswählen müssten, eine Begegnung oder ein Projekt, die Sie als besonders prägend empfunden haben, welche wäre das, und warum?

Das war Anfang der 90er Jahre. Heinz Gerlach, der Gründer des Gerlach-Reports, hatte mich engagiert, auf einer seiner Anlageberater-Veranstaltungen die Themen Standardabweichung, Volatilität und Risiko zu erklären. Zuhörer wären „ein paar“ Anlageberater. Meine Uni-Zeit lag noch nicht lang zurück, daher hatte ich das Thema aus der Statistik-Vorlesung noch frisch im Kopf, aber ich kannte die Branchen-Veranstaltungen noch nicht – ich war ja noch relativ neu.

Als ich zu dem Event in Frankfurt kam, traf mich fast der Schlag: Da saßen mindestens 300 Anlageberater, eine Riesen-Bühne war aufgebaut, und vor mir sprach der legändere Vertriebs-Trainer Axel Bertling. Und dort sollte ich sprechen?!? Natürlich hatte ich mich vorbereitet, aber ich hatte mit einem guten Dutzend Zuhörern und einem weniger förmlichen Rahmen gerechnet. Mir wurde ganz mulmig zumute.

Ich habe mir dann eine bestimmte Ecke im Zuhörerraum ausgesucht und mich auf sie fokussiert, und mir vorgestellt, nur die (wenigen) Zuhörer, die in dieser Ecke saßen, wären da. Damit hatte ich gleich viel weniger Lampenfieber, und der Vortrag klappte prima. Seitdem erkundige ich mich immer ausführlich, wie viele Zuhörer erwartet werden und schaue mir auch gern den Veranstaltungsraum vorher an, wenn dazu die Möglichkeit besteht. Wenn ich den Ort kenne, in dem ich einen Vortrag halten soll, beruhigt mich das.

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