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ZUKUNFT BÖRSE

KI-Aktien: Ist der Hype überschritten? Welches Potenzial schlummert in Europa?

von Mike Judith

Nach einem spektakulären Boom rund um das Thema Künstliche Intelligenz (KI) diskutiert der Markt zunehmend über die Gefahr einer Blasenbildung. Die hohen Erwartungen an die Möglichkeiten der KI haben die Kurse von Unternehmen wie Nvidia oder Microsoft in neue Höhen getrieben.

Stand Ende August liegt Nvidia rund 30 Prozent über dem Niveau zu Jahresbeginn, Microsoft notiert ca. 20 Prozent höher. Gemeinsam repräsentieren diese beiden Konzerne mittlerweile rund 15 Prozent des US-Leitindex S&P 500 – ein Rekordwert, der selbst in einem traditionell technologiegetriebenen Markt für Aufmerksamkeit sorgt. Für Anleger stellt sich die Frage: Sind die aktuellen Bewertungen nachhaltig oder bahnt sich eine Überhitzung an?

Unsere Sichtweise

Bei manchen KI-Titeln gab es in den letzten Wochen und Monaten bereits deutliche Kursrücksetzer, wenn die hohen Anlegererwartungen auch nur ansatzweise nicht erfüllt wurden. Gleichzeitig traden Microsoft und Nvidia unverändert nahe ihren Allzeithochs. Unabhängig davon, ob es auch bei diesen Titeln in naher Zukunft nochmal zu Korrekturen kommen wird, wie es im Monat August beispielsweise bei Palantir der Fall war, sehen wir den AI-Trend weiter ungebrochen. Folglich  interpretieren wir etwaige unterjährige, temporäre Kurskorrekturen bei KI-Aktien nicht als langfristigen Trendbruch.

Die fundamentalen Wachstumstreiber sind weiterhin intakt: Der Einsatz von KI-Technologien verändert Geschäftsprozesse in allen Branchen nachhaltig und führt zu Effizienzsteigerungen sowie neuen Geschäftsmodellen. Gleichwohl gilt es, die zunehmende Konzentration auf wenige Mega-Caps kritisch zu sehen. Wir glauben, dass die Chancen im Bereich KI nicht ausschließlich durch Big Tech abgebildet werden. Unser Ansatz zielt darauf, Mehrwert durch gezielte Investments in Unternehmen außerhalb der ersten Reihe zu generieren.

Strukturelle, säkulare Nachfrage

Ein zentrales Diskussionsthema am Markt ist die Frage, ob es zu einem Überschuss an Datenzentren kommen könnte. Zwar mag es hier vorübergehend zu einem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage kommen, allerdings steigt die Nachfrage durch die wachsende Zahl von Anwendungsszenarien langfristig weiter stark an. Unternehmen aller Branchen implementieren KI zunehmend in ihre operative Praxis.

Bemerkenswert ist dabei die Entwicklung von kleineren, spezialisierten Sprachmodellen, den so genannten Small Language Models, die kleinere und spezifische Aufgaben effizienter und kostengünstiger als größere, universelle Sprachmodelle, so genannte Large Language Models, lösen können. Dies senkt signifikant die Kosten pro Abfrage, führt dadurch zu einer breiteren Nutzung und steigert die Nachfrage nach Infrastruktur und Rechenleistung erheblich (auch bekannt als Jevons-Paradoxon).

KI: Enabler und Anwendungen

Unser Investmentteam konzentriert sich in diesem Zusammenhang unter anderem auf zwei zentrale Anlagesegmente:

Enabler: Unternehmen, die die essenzielle Rechenleistung bzw. -infrastruktur für die großen Tech-Konzerne bereitstellen. Ein prominentes Beispiel war Alphawave Semi, ein Anbieter von IP für Konnektivitäts-Chips, die im Cloud Computing und KI-Anwendungen unverzichtbar sind.

Solche Unternehmen liefern die technologischen Grundbausteine, die das Wachstum von Nvidia, Microsoft und Co. überhaupt erst ermöglichen. An Pfingsten wurde dann bekannt gegeben, dass Qualcomm Alphawave Semi zu einer attraktiven Prämie übernimmt, was sich in unseren Strategien aufgrund der prominenten Titelgewichtung von jeweils ca. 6 % positiv auswirkte.

Anwendungen: Firmen, die KI direkt in ihre Produkte und Geschäftsprozesse integrieren. “Ein Beispiel ist der amerikanische Versicherer Lemonade. Mittels Sprachmodellen konnte Lemonade große Teile seiner operativen Prozesse automatisieren. Zudem helfen die neuesten Entwicklungen im KI Bereich dem Unternehmen dabei, Risiken bei der Policenvergabe besser zu bepreisen.

Dies führte zu einem Rekordergebnis im zweiten Quartal 2025”, sagt Marcel Vogler, Fondsberater und Geschäftsführer bei TEQ Capital.

Allokation: Übernahmen validieren Ansatz

Seit dem vierten Quartal 2024 haben wir unsere Allokation gezielt angepasst und dabei das Engagement in den USA reduziert. In der All Cap-Strategie TEQ – Disruptive Technologies beträgt der US-Anteil inzwischen weniger als 30 Prozent. Im Nebenwerte-Fonds TEQ – Small & Mid Cap Technologies liegt er sogar unter zehn Prozent, das Engagement in Europa haben wir deutlich auf inzwischen über 50 Prozent erhöht. Die Substanz unseres Investmentansatzes wird durch die zahlreichen Übernahmen in der Nebenwerte-Strategie unterstrichen – allein in den vergangenen zwölf Monaten wurden fünf unserer Portfoliounternehmen zu attraktiven Prämien übernommen, darunter vier europäische Häuser. Dies verdeutlicht, dass gerade in Europa substanzstarke, aber oft unterschätzte Geschäftsmodelle existieren, die für strategische Käufer interessant sind.

Fazit

Wir sind überzeugt, dass die großen Innovationstreiber der kommenden Jahre nicht allein von den bekannten Big-Tech-Unternehmen ausgehen werden. Gerade im Segment der Nebenwerte finden sich Unternehmen, die durch den Einsatz von KI robuste Wettbewerbsvorteile aufbauen. In einem dynamischen Technologiefeld setzen wir bewusst auf eine selektive Titelauswahl, faire Bewertungen und nachhaltige Geschäftsmodelle.

Wer am nächsten Innovationszyklus teilhaben möchte und gleichzeitig Klumpenrisiken im Portfolio minimieren will, verfügt über attraktive Möglichkeiten, gezielt abseits der großen Tech-Konzerne zu investieren. Häufig entstehen entscheidende Impulse in kleineren, hochspezialisierten Unternehmen. Diese bieten nicht nur erhebliche Aufwärtspotenziale, sondern können sich aufgrund ihrer Bewertungspuffer gerade in schwierigen Marktphasen stabilisierend auf das Portfolio auswirken.

Big Tech ist bereits in den meisten Depots über ETFs hoch gewichtet. Mit steigenden ETF-Quoten nehmen die Konzentrationsrisiken zu. Kluge Diversifikation durch Off-Benchmark-Investments in technologiegetriebene Nebenwerte ist daher das Gebot der Stunde. Mit unseren aktiv gemanagten Portfolios setzen wir gezielt auf technologiegetriebene Nebenwerte.

Dies ist keine Anlageberatung. Bitte informiert euch vor einer Geldanlage über die Risiken und beachtet unsere Hinweise hier.

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ein Artikel von
Mike Judith
Mike Judith ist Partner bei TEQ Capital und ist dort für das internationale Kundengeschäft verantwortlich. Zuvor baute er für DNB Asset Management über 14 Jahre den internationalen Vertrieb auf. Hier managte er zuletzt ein Kundenportfolio von 4 Milliarden Euro. Bevor er im Jahr 2010 zu DNB Asset Management kam, betreute er institutionelle Investoren bei der US-Privatbank Brown Brothers Harriman.