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e-Mobilität

Elektrisch, praktisch, gut?

von Nikolina Krstinic

Augen auf, Ohren auf, e-Mobilität ist da! Sie verspricht 100 Prozent elektrischen, emissionsfreien Verkehr – am Boden und in der Luft. Was sie kostet und kann hat ZASTER für Sie herausgefunden.

Es weht ein kühler Wind an jenem 20. April 2017 am Flugplatz Oberpfaffenhofen, rund 28 Kilometer westlich von München. Bisher machte der April seinem Namen als wechselhafter Monat alle Ehre, doch das hält den Senkrechtstarter der Firma Lilium Aviation nicht davon ab, seinen Jungfernflug zu meistern. Der Lilium Jet ist das weltweit erste unbemannte vertikal startende und landende Fluggerät seiner Art, und es soll bis 2025 in Serie gehen. Ein elektrisch betriebener Jet ohne Verbrennungsmotor, ohne Benzin, und ohne direkte Emissionen. Lediglich der Strom muss bereitgestellt werden, der Rest ist reine Kalkulation, die vom Boden aus betrieben wird.

Während die Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär (CSU) im März dieses Jahres müde belächelt wurde als sie von Flugtaxis sprach, ist der Traum vom elektrischen Fliegen längst zur Realität geworden. Der CEO des Münchener Startups Lilium Aviation, Daniel Wiegand, und seine Kollegen haben allen Grund zur Freude: In einer Finanzierungsrunde im September 2017 flossen ganze 90 Millionen US-Dollar (damals rund 77 Millionen Euro) in das Unternehmen. Der Zweisitzer mit dem bezeichnenden Namen „Eagle Jet“ avancierte quasi über Nacht zum Superstar unter den e-Jets. Und die Investorencouch ist prominent besetzt: Der chinesische Internet-Riese Tencent Holdings, der Fonds Atomico, ein Unternehmen von Skype-Gründer Niklas Zennstrom, und Obvious Ventures, eines der Unternehmen von Evan Williams, der Mitgründer von Twitter ist. Sogar das Private Banking Unternehmen des Hauses Lichtenstein (LGT) hat schon in das Startup investiert.

Doch das Mobilitätskonzept der Zukunft wirft eine Menge Fragen und Spekulationen auf. Ist der Beruf des Piloten bald Geschichte? Wohl eher nicht, denn die Fluggeräte sind derzeit nur für Kurzstreckenflüge konzipiert, zum Beispiel für die extra-schnelle Anreise zum Flughafen. Und wie viel soll ein Flug im elektrisch betriebenen Flieger kosten? Den Gründern der Firma Volocopter aus Bruchsal zufolge nicht mehr als eine Taxifahrt im Stadtgebiet. Sie glauben an die bemannte Luftfahrt, und bauen das erste voll-elektrisch betriebene Flugtaxi der Welt, das von einem Piloten gesteuert werden soll. So wollen sie eigenen Angaben zufolge „modernen Städten helfen, ihre wachsenden Mobilitätsprobleme zu lösen.“

Auch die Daimler AG verlautbarte in einer Pressemitteilung vom Dienstag ab 2019 ein neues Mobilitätssystem für den öffentlichen Personennahverkehr zu lancieren. Die Rede ist vom eCitaro – einem vollelektrisch betriebenen Bus ohne Brennstoffzelle oder direkten Emissionen. Er soll vorerst bis zu 200 Kilometer weit fahren können, später rechnet man mit Strecken von bis zu 400 Kilometern. Die Batterien können gewechselt werden und es gibt einen Abbiege-Warn-Assistent, der den gefährlichen toten Winkel, der Fahrradfahrern oft zum Verhängnis wird, überwacht. Rund 200 Millionen Euro Investmentbudget will Daimler künftig in die infrastrukturelle Vernetzung durch e-Mobilität fließen lassen. Als einer der ersten Kunden wurden die Berliner Verkehrsbetriebe BVG genannt. Alternativ dazu finden sich elektrisch betriebene Motorroller und PKWs landesweit in nahezu jeder Großstadt.

Doch nicht nur auf dem deutschen Markt wird fest mit einem Umschwung in Sachen e-Mobilität gerechnet. Auch die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA, der milliardenschwere Elon Musk (Tesla, Hyperloop) und Larry Page, der CEO von Alphabet (vormals Google) investieren in innovative und emissionsfreie Alternativen zum normalen Straßen- und Flugverkehr. So zum Beispiel in den „Flyer“ der Firma Kitty Hawk, der das Fliegen zu einer alltäglichen Angelegenheit für Menschen wie Sie und mich machen soll, und dabei noch die Umwelt schont. Auch die Airbus-Tochter A3 baut an einem Flugtaxi mit dem Namen „Vahana“, das zur Verbesserung der innerstädtischen Infrastruktur beitragen könnte. Denn mehr Verkehr in der Luft bedeutet auch weniger Verkehr auf den Straßen, und würde in Ballungsräumen wie Los Angeles oder Shanghai große Distanzen mit minimalem Aufwand überwinden.

Das klingt soweit fantastisch, doch noch ist es schwer zu sagen, wie viele Kilowattstunden Strom man realistisch betrachtet benötigen würde, um ein ganzes Land auf elektrisch betriebene Verkehrsmittel umzustellen. Zumal der genutzte Strom allenfalls aus erneuerbaren Energiequellen kommen sollte, um sauberer Strom zu sein. Ein Beispiel: Würden alle PKW-Fahrer in Deutschland (knapp 44 Millionen) künftig auf Benzin und Diesel verzichten, und stattdessen auf Elektroautos umsteigen, müssten unzählige Kraftwerke gebaut und eine Vielzahl von Windrädern bereitgestellt werden. Der Stromverbrauch würde schlagartig in die Höhe schießen und es käme womöglich zu einer Umverlagerung der Umweltproblematik.

Was wir heute schon mit Sicherheit sagen können ist, dass bis dahin noch viel Zeit vergehen wird: Aber wer weiß – womöglich fliegen Sie eines Tages ihre Kinder zur Schule …

ein Artikel von
Nikolina Krstinic
Nikolina Krstinic studierte in Wien und Berlin Kulturwissenschaften, Journalismus und Unternehmenskommunikation. Sie ist als freie Autorin und Journalistin tätig - seit Februar 2018 auch für Zaster.