Manuel Streifeneder beschäftigt sich auf seinem Blog DerFinanznomade.de mit vielen verschiedenen finanziellen Themen und dem Frugalismus als Lebenskonzept. Dabei zeigt er ganz transparent, was er jeden Monat einnimmt und ausgibt, in was er investiert und wie das mit dem Optionshandel funktioniert.
Im Interview erklärt er, warum der Verzicht auf Markenklamotten kein Verzicht ist, wie der Tod seines besten Freundes seine Einstellung zu Geld radikal veränderte und welche drei Grundprinzipien ihm halfen, finanziell frei zu werden. Außerdem verrät er, warum er Einzelaktien den ETFs vorzieht und worin er die größten Gefahren für angehende Frugalisten sieht.
Viele Menschen verbinden Frugalismus mit Verzicht. Wie definierst du persönlich Frugalismus – wo ziehst du die Grenze zwischen bewusstem Konsum und verzichtender Lebensweise?
Das wird tatsächlich in den Medien gerne so dargestellt, vermutlich weil es dann so schön kontrovers ist und mehr Klicks bringt. Für mich ist Frugalismus aber tatsächlich etwas komplett anders als Verzicht. Es geht darum, für sich selbst herauszufinden, was einem wirklich wichtig ist und was einem selbst Spaß und Erfüllung bringt.
Denn viel zu oft werden wir verleitet, Dinge zu kaufen, damit uns unsere Nachbarn oder Freunde bewundern. Oder damit die Gesellschaft denkt, man hätte es geschafft. Aber wenn man ehrlich zu sich selbst ist, machen das neue Auto, die Markenklamotten oder die große luxuriöse Wohnung nur relativ kurz Freude. Man gewöhnt sich sehr schnell daran. Es ist das neue Normal. Die Kosten dafür wollen aber von Monat zu Monat wieder erarbeitet werden – oft mit Überstunden. Und das macht unglücklich.
Was dagegen langfristig glücklich macht, sind oft Erlebnisse, Freizeit und Freiheit. Von tollen Urlauben oder besonderen Aktivitäten – am besten noch mit guten Freunden – erzählt man noch Jahre und erinnert sich gerne zurück. Die Freiheit, nur in Teilzeit zu arbeiten, oder immer mal wieder früher aus der Arbeit zu kommen, keine Überstunden machen zu müssen, ist Gold wert.
Unterm Strich ist Frugalismus eine sehr persönliche Angelegenheit. Und eine Frage der Prioritäten. Was ist mir wirklich wichtig? Dort kann ich gerne auch viel Geld ausgeben. Bei allem anderen kann ich versuchen zu sparen oder die Ausgaben gleich ganz weglassen.
Für mich ist es daher kein Verzicht. Ich muss nicht verzichten, weil mir viele Dinge einfach nicht wichtig sind. Ich „verzichte“ nicht auf ein teures Auto, Markenklamotten oder die 20.000-Euro-Küche. Ich brauche es einfach nicht. Aber auf meine Asien-Reisen möchte ich nicht verzichten. In meinen Augen gibt es nichts Besseres, als mit meiner Freundin Nicole und einer Kokosnuss und einem Bier abends am Strand auf Bali zu sein und den Sonnenuntergang zu genießen, während in Deutschland Winter ist.
Viele streben finanzielle Unabhängigkeit an, doch der Weg dorthin ist sehr individuell. Welche drei Grundprinzipien haben dir am stärksten geholfen, finanzielle Freiheit zu erreichen?
Erstens: Lerne zu sparen. Nur, wer weniger ausgibt als er einnimmt, kann langfristig finanziell frei werden. Jeder gesparte Euro muss nicht mehr verdient werden. Und du kannst sofort starten, Einsparpotenziale zu finden. Quasi jeder hat Möglichkeiten, irgendwo weniger auszugeben. Sei ehrlich zu dir selbst, und rede dir nicht ein, dass du nirgends sparen kannst.
Zweitens: Erhöhe dein Einkommen, zumindest temporär. Nutze den Mehrverdienst durch Überstunden, Nebengewerbe oder Nebenjob, um deine Sparquote zu pushen. Ich nenne das Berserkersparen. Wenige Jahre am Anfang legen den Grundstein für die spätere finanzielle Freiheit. Du musst erstmal so leben, wie andere nicht leben wollen, um später dann so zu leben, wie andere nicht leben können.
Drittens: Beschäftige dich mit der Börse und lerne mit Schwankungen umzugehen. Punkt eins und zwei nutzen quasi nichts, wenn du das Geld nicht an der Börse anlegst. Du machst keine Rendite, die Inflation arbeitet gegen dich. Daher muss dein Geld an die Börse. Anfangs in breit gestreute ETFs. Gewöhne dich an die Schwankungen.
Aber wenn du dich besser auskennst und Spaß an der Aktienbewertung hast, würde ich dir Einzelaktien empfehlen. Dort sind wesentlich höhere Renditen möglich, außerdem kannst du auf Dividendenzahler setzen und dir so schnell ein passives Einkommen erarbeiten. Obendrauf könntest du noch den Optionshandel im Stillhaltergeschäft setzen. Das war bei mir der Gamechanger.
Gab es ein konkretes Ereignis oder eine Situation, in der sich deine Einstellung zu Geld, Sparen oder Investieren schlagartig verändert hat? Und wie wirken diese Erkenntnisse bis heute nach?
Ja, das gab es tatsächlich. Und zwar, als damals mein bester Freund Krebs bekommen hat und es nach langem Kampf nicht geschafft hat. Er meinte nur: „Was hatte ich denn vom Leben? Ich bin nur in die Schule gegangen, habe studiert und gearbeitet.“ Das hat mich massiv ins Nachdenken gebracht, was ich eigentlich von meinem Leben will.
Fest stand dann nur: Ewig in diesem Job bleiben – der mir zwar Spaß gemacht hat, aber auch unglaublich viele Überstunden verlangt hat – war keine Option. Ich wollte frei werden. Mein eigener Chef sein, unabhängig sein. Das hat mich dann zum Ziel der finanziellen Unabhängigkeit gebracht.
Auch heute noch hinterfrage ich vieles, ob es mir wirklich Freude bereitet. Ich versuche, ein gutes Leben zu leben und Spaß daran zu haben. Man weiß nie, wann es vorbei ist, oder man zumindest gesundheitlich eingeschränkt ist.
Welche gängigen Annahmen oder Mythen über Geldanlagen hältst du für gefährlich – und was empfiehlst du stattdessen für eine solide Strategie?
Am gefährlichsten finde ich eigentlich die Anleger, die in Einzelaktien gehen und diese Entscheidung nur aufgrund des vergangenen Kursverlaufs oder irgendwelcher News und Hypes treffen. Das kann mal gut gehen, aber in der Regel verlieren solche Anleger langfristig Geld.
Für mich ist die Fundamentalanalyse – also die Auswertung der Bilanzen der letzten Jahre – in Verbindung mit den Multiples eine solide Strategie. Das heißt, man sucht sich Unternehmen raus, die gute Umsätze, Gewinne und Cashflows machen, das am besten schon jahrelang mit relativ geringen Schwankungen. Im Idealfall beteiligen sie die Anleger noch über eine nicht zu kleine Dividende.
Hat man solche Unternehmen gefunden, geht es darum, herauszufinden, ob sie aktuell teuer oder günstig sind. Dies kann man anhand der Multiples – Preis in Relation zu Umsatz, Gewinn, Cashflow, Eigenkapital – erkennen. Wer dann diese guten Unternehmen günstig einkauft, macht meiner Meinung nach langfristig nichts falsch. Um diesen Vorgang zu vereinfachen, habe ich TradingOpps.de programmiert.
Wem das aber zu viel Arbeit ist, der sollte einfach breite ETFs kaufen. Gerne per Sparplan oder auch mit Einmalkäufen bei Rücksetzern.
Wie balancierst du für dich den Wunsch nach Unabhängigkeit mit den manchmal nötigen Kompromissen beim Lebensstandard, Komfort oder in der Sicherheit?
Das ist eine gute Frage. Ich glaube, am meisten hilft mir, dass ich relativ genügsam bin. Ich brauche nicht viel, um mich wohl zu fühlen. Strom, Internet, eine bequeme Sitz- und Schlafgelegenheit, die richtige Temperatur. Das heißt unterm Strich muss ich nicht wirklich viele Kompromisse eingehen.
Bei meiner Freundin sieht das etwas anders aus, sie hat da mehr Ansprüche als ich. Deshalb haben wir jetzt auf unseren Reisen schon öfters geupgradet – größere, schönere Wohnungen. Aber das ist okay für mich, sie soll sich ja auch wohl fühlen.
Ansonsten fehlt uns öfter mal die Verbindung zu Gleichgesinnten – Themen wären: Finanzen, Reisen, Selbstständigkeit –, weil es auch nicht so einfach ist, unterwegs die richtigen Leute kennenzulernen. Wobei das in Deutschland gefühlt noch schwieriger ist.
Auch das Thema größere Wohnung – wir leben aktuell zu zweit auf 67 Quadratmetern – ist ein Dauerbrenner. Eine Terrasse oder ein größerer Balkon wären schon ganz schön, aber wenn ich dafür das Reisen aufgeben müsste, geht es auch so.
Die Sicherheit ist auch so ein Thema, gerade in der deutschen Kultur. Es wird ja eine Festanstellung als absolut sicher angesehen, und ich habe darauf verzichtet. Aber für mich ist das ein Trugschluss. Denn jemand mit 5.000 Euro Ersparnissen, einem großen Kredit fürs Haus und Festanstellung ist für mich viel weniger sicher als jetzt zum Beispiel ich mit den über 400.000 Euro, keinen Verpflichtungen und dafür keinem Job.
Mein Worst-Case ist also: Ich müsste mir wieder einen Job suchen und wäre dann in der Position, die andere als ganz normal ansehen. Hätte aber viele Jahre meines Lebens viele schöne Reisen erleben dürfen und könnte von den Erinnerungen zehren.
Wenn du zurückblickst: Welche deiner Entscheidungen in Bezug auf Einkommensquellen – etwa passive versus aktive Einnahmen – würdest du heute anders treffen, und warum?
Hmm, es gibt ja immer etwas zu optimieren und es ist auch noch kein Gelernter vom Himmel gefallen. Ich glaube, wichtig ist, dass man Fehlentscheidungen noch möglichst früh – mit wenig Geld, am Anfang – trifft, damit sie nicht großartig schmerzen. Der Lerneffekt ist dann trotzdem da.
Bei mir konkret: Ich hatte früher mal in Unternehmen investiert, welche hohe Dividendenrenditen hatten, ohne mir die Fundamentaldaten anzusehen. Das war ein Fehler. Denn die Dividendenkürzung kam immer irgendwann. Und damit auch der Kursverlust. Würde ich so heute nicht mehr machen.
Außerdem bereue ich es, nicht schon früher mit mehr Kapital in den Optionshandel eingestiegen zu sein. Viel zu lange habe ich an ETFs festgehalten. Das ist aber eher ein Thema der Opportunitätskosten. Denn die ETFs liefen auch nicht schlecht, aber der Optionshandel halt noch viel besser.
In Bezug auf das aktive Einkommen denke ich manchmal darüber nach, ob der Zeitpunkt meiner Kündigung der richtige war. Ein, zwei Jahre länger im Job hätten mir definitiv nochmal ein höheres Startkapital für die finanzielle Unabhängigkeit gegeben. Andererseits hätte ich die ganzen Erlebnisse auf den Reisen der letzten Jahre so nicht machen können. Egal wie man’s macht, ist es falsch.
Wo siehst du aktuell die größten Chancen und Risiken für jemanden, der heute mit dem Ziel finanzielle Unabhängigkeit startet – etwa in Bezug auf Wirtschaft, Inflation oder gesellschaftliche Trends?
Ich glaube, das größte Risiko ist mittlerweile, sich von irgendwelchen Trends und FOMO lenken zu lassen. Wenn ich mir da die ganzen AI-Unternehmen und die Bewertungen ansehe, wird mir ganz schlecht. Ja, bisher ließ sich damit sehr gut Geld verdienen, aber halt nur, wenn man auch mal ausgestiegen ist. Alle, die immer noch drin sind, werden es vermutlich nach dem Platzen der Blase bereuen. Und dann wird man wieder vielerorts hören: „Die Börse ist doch nur was für Zocker“.
Das zweitgrößte Risiko sehe ich in der immer stärkeren Verbreitung von Social Media und den kurzen Videos darauf. Die Leute bekommen dadurch eine immer kleiner werdende Aufmerksamkeitsspanne und können komplexe Zusammenhänge oft nicht mehr erkennen und verstehen.
Gleichzeitig sehe ich diesen Trend aber wieder als Chance für alle diejenigen, die sich dem entziehen und stattdessen auf Lesen, Entschleunigung und tiefe Durchdringung von Themen konzentrieren. Mit diesen Skills sticht man hervor und kann sich sehr gut positionieren.
Die Chancen sind, wie schon lange Zeit, die gleichen: Man kann sich Freiheit und Unabhängigkeit erarbeiten. Auf dem Weg dorthin wird man über viele Fragen stolpern: Welches Wirtschaftssystem ist am besten, wie viel Steuern sind gerecht, in welchem Land will ich leben. Die Beantwortung kann zwar erstmal schwierig sein, aber hat man das für sich geklärt, steht einem so gut wie nichts mehr im Weg.
Aktuell hat man auch Zugang zu so vielen Finanzdaten und -informationen wie noch nie in der Geschichte. Das ist eine massive Chance für die breite Masse, sich hier weiterzubilden und damit einen positiven Einfluss auf die eigenen Finanzen auszuüben.