© Michael Bohn
Nachgefragt

3 Fragen an Michael Bohn

von Michael André Ankermüller

Michael Bohn ist Redaktionsleiter der Greiff Research Institut GmbH und verfügt über 20 Jahre Investment-Erfahrung. ZASTER trifft ihn fortan zum Finanzaustausch.

Die Börse kennt aktuell nur eine Richtung, nämlich nach oben. Womit hängt das deiner Meinung nach zusammen?

Wenn man „die Börse“ im Sinne von „einige Indizes“ interpretiert, dann stimmt das wohl. Schaut man tiefer rein, so erkennt man schnell, dass für die Aufwärtsbewegung nur ganz wenige, im Index sehr hoch gewichtete Titel verantwortlich sind, die die Indizes nach oben hieven. Das gilt beispielsweise für die USA und auch für Deutschland. In den USA sind es die großen Tech-Konzerne, die zugegebenermaßen im vergangenen Jahr (2022) auch deutlich unter die Räder kamen. Viele Marktteilnehmer rechnen mit Zinssenkungen in absehbarer Zeit, was dann wiederum den Tech-Sektor beflügeln kann, Und so stürzen sich viele Anleger auf ihre heißgeliebten Tech-Titel, was die Kurse antreibt. Der Rest der Index-Titel entwickeln sich seitwärts, viele erlitten seit Jahresbeginn sogar Verluste. Gewichtet man im S&P 500 alle Titel gleich, so steht ein kleines Plus in Höhe von ca. 5%, während der klassische S&P 500 mit rund 15% Wertzuwachs deutlich besser performt hat aus genau den geschilderten Gründen. Die Aufwärtsbewegung findet also nicht in der Breite statt. Ob das nun „gesund“ ist oder nicht? Wir werden sehen.
 
Haben wir möglicherweise die Krise an den Aktienmärkten hinter uns gelassen?

Wir sehen neue Höchststände, daher die Frage: Welche Krise? Im Ernst: Ich denke, dass die Höchstkurse der Indizes ein wenig täuschen und die Krise unter der Oberfläche noch glimmt. Ob daraus ein Flächenbrand, ein Strohfeuer oder nur ein kleines Aufflammen wird, lässt sich nur schwer prognostizieren, da es von vielen Faktoren abhängt.
 
Was denkst du, wie es in den kommenden Monaten bis Jahresende weitergehen wird? Neue Allzeithochs oder deutliche Korrekturen?

Victor Hugo sagte einst: „Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“ Man kann dies durchaus auf die Aktienmärkte und das Verhalten vieler Anleger übertragen. Jedoch macht eine kurzfristige Einschätzung meiner Meinung nach wenig Sinn, außer ich möchte an der Börse spekulieren und kurzfristig Gewinne erzielen.

Trotzdem werden jedes Jahr Experten dazu befragt und die Ergebnisse sind oft ernüchternd, wie weit die Profis danebenliegen. Aber da ich nun gefragt werde, gebe ich meine persönliche Einschätzung ab. Ich denke, dass wir im Herbst höhere Schwankungen sehen werden und eine Korrektur ist ebenfalls sehr wahrscheinlich (das Unbekannte). Damit meine ich hauptsächlich die etablierten Märkte USA und Europa. Ein Teil Cash zu halten, um günstig(er) einzusteigen oder nachzukaufen, ist kein Fehler. Allerdings ist es auch nicht ratsam, das Vermögen komplett in Cash zu halten, um auf den Rücksetzer zu warten. Kommt er nämlich nicht, schaut man dem Zug hinterher, der schneller abfahren kann, als manch Anleger lieb ist. Also sollte man bereits bzw. eigentlich immer investiert sein (die Chance). Denn wer immer nur auf einen Crash wartet, wird selbst beim Auftreten eines solchen nicht investieren (das Unerreichbare).  

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ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.