Ein Traum aus Eis © Wikipedia
Der Schein meines Lebens

Eis, Eis, Baby!

von Hannes Lustermann

Im Laufe unseres Lebens bekommen wir diesen einen Schein, diesen bestimmten Betrag. Den uns jemand schenkt, den wir finden, gewinnen oder den wir jemandem abluchsen – und: an den wir uns für immer erinnern, weil er uns gerettet, berührt oder beschämt hat. Hier erzählen regelmäßig Menschen die Geschichte vom Schein ihres Lebens.
Heute: Wie ZASTER-Redakteur Hannes Lustermann als Kind im Italien-Urlaub ein ganzes Vermögen vernaschte.

Saure Gummitiere, Überraschungseier, Kaugummi-Eis … die Liste meiner kindlichen Süßigkeitsträume war genauso endlos wie ungesund. Ganz normal für einen Siebenjährigen also. Nur konnte ich mir selbst kaum welche kaufen, von meinen damals 30 Pfennig Taschengeld in der Woche. Schließlich sparte ich das meistens lieber für Fussballbildchen von Panini auf – die kennen Sie sicher. Folglich musste ich meistens meine Eltern fragen, wenn ich etwas naschen wollte. Gemeinerweise, so kam es mir manchmal vor, suchten sie dann oft Sachen aus, die Ihnen auch selber schmeckten und aßen dann ganz viele mit! Aber gut, daran hatte ich mich bereits gewöhnt.

Nun, wir waren in Italien im Urlaub. Es war heiß und ich wollte Eis, um es mal kurz und knackig zu formulieren. Kein Wunder, bei all den vielen Gelaterias, von denen die Leute mit apfelgroßen bunten Kugeln wegspazierten, die in leckeren Waffeln steckten. Meine Eltern hatten aber erstmal andere Pläne. Irgendwo wollten sie erst hin, bevor wir dann alle gemeinsam Eis essen gehen konnten. Ich fügte mich in mein schweres Schicksal.

Entmutigt, entmündigt, freudlos, EISLOS.

Auf dem Zeltplatz angekommen, sagte mir mein Vater, ich dürfe jetzt für uns alle wie versprochen ein Eis holen…. Und gab mir 3000 in Scheinen! Italienisches Geld, Lire. Von Wechselkursen wusste meine kindliche Wenigkeit nichts. Meine Kulleraugen rollten ungläubig zwischen Eisladen, dem Geld in meiner Hand und dem lächelnden Gesicht meines Vaters hin und her. „Nun geh‘ ruhig und such dir welches aus“, sagte er freundlich. Ich war baff.

So viel Geld! Abgesehen von meinen Taschengeld bekam ich höchsten das ein oder andere 5-D-Mark-Stück, das meine Oma für mich gesammelt hatte. Aber drei große Scheine? Das war wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Ich sah mich schon durch den Spielzeugladen flitzen und mir alles aussuchen zu können, was mein Herz begehrte. Wie in der Kindersendung „Super Toy Club“, die in mehr als 100 Folgen bis 2005 bei RTL über die deutschen Bildschirme flimmerte: Da durfte das vierköpfige Gewinner-Team einen ganzen Einkaufswagen mit Spielsachen befüllen.

Ich suchte also endlich drei Eis am Stiel aus. Magnum Classic für meine Mutti, das mochte Sie gerne. Für meinen Papa fiel die Wahl auf ein großes, rot-grün geringeltes Ungetüm von Wassereis, das wahrscheinlich nach Kaktus-Waldmeister-Grenadine schmeckte. Ich glaube, ich habe mich damals verschätzt, was seinen Geschmack betrifft. Für mich gab es das anfangs erwähnte Kaugummi-Eis „Bum-Bum“. Geformt wie ein Tennis-Schläger, mit blauem Kaugummi-Stiel, mit Vanille-Eis und mit roter Erdbeer-Glasur überzogen. Der Name ist übrigens eine Anspielung auf Tennis-Star „Bum Bum Boris“ Becker. Aber das wusste ich damals noch nicht, und es wäre mir auch herzlich egal gewesen.

Lange Rede kurzer Sinn: Die Verkäuferin bat mich um alle drei Scheine und diese wanderten dann in ihre Kasse. Es gab nichts zurück. Gar nichts! Das Eis bekam ich natürlich mit einer freundlichen Bemerkung, die ich nicht verstand. Vielleicht sagte sie, ich solle nicht so ein betrübtes Gesicht machen und mein Eis genießen.

Ich war ruiniert, aber glücklich.

ein Artikel von
Hannes Lustermann