© Anja Thölking
Euro, Dollar, Schilling

Unheilig, Allerheilig, Scheinheilig

von Volker Schilling

ZASTER-Kolumnist Volker Schilling analysiert auch in dieser Woche wieder das Geschehen auf den Finanzmärkten.

Unheilig

Es ist soweit, der Brauchtumshybrid Halloween ist da und beschert auch den Anlegern Süßes und Saures. Süßes gab es von Alphabet und seinen Quartalszahlen, Saures von Meta und Morningstar und ihren Ausblicken. Bitteres gab es bei Volkswagen, die mit einem Gewinneinbruch von 64 % wirklich zum größten Grusel beitragen. Die deutsche Wirtschaft trägt das Kostüm eines Untoten und die Regierungsverantwortlichen werden nur noch als Zombies in den letzten Zügen wahrgenommen.

Das nahende Unheil klopft inzwischen immer fester an die Wohlstandstüre der deutschen Wirtschaft und die Ampel ist zum Walking Dead geworden. Totgesagte leben länger, heißt es, und so wurde der deutschen Wirtschaft in dieser Woche doch tatsächlich ein Wachstum von Plus 0,2 % im dritten Quartal bescheinigt. Endlich Süßes? Wohl kaum, denn gleichzeitig hat man das BIP des zweiten Quartals von Minus 0,1 auf Minus 0,3 % herunterkorrigiert. Doch Saures! Wussten Sie eigentlich, dass Halloween gar nicht so ein unheiliger Brauch ist, wie vermutet? Der Name leitet sich vom englischen „All Hellows Eve“ ab, was soviel bedeutet wie Allerheiligenabend. Apropos:

Allerheilig

An Allerheiligen gedenkt man der Toten. Es ist quasi der „Día de los Muertos“ der Katholiken, allerdings ohne Kostüme. Sinngemäß wurde diese Woche der Inflation in Deutschland und Europa gedacht, da sie als tot galt, aber, siehe da, wieder auferstanden ist. Mit 1,8 % hat man gerechnet, aber 2 % sind es geworden. Holy Shit! Dabei hatte die Europäische Notenbank doch hochheilig mit Zinssenkungen das Ende der steigenden Inflation verkündet.

Auferstehung feiern wir erst an Ostern, wollen wir hoffen, dass bis dahin die Inflationszahlen nicht noch höher stehen. Apropos höher: In den USA scheint derzeit alles etwas höher zu liegen: Das Verbrauchervertrauen diese Woche, welches deutlich höher als erwartet vermeldet wurde. Das Wirtschaftswachstum, das nach den US-Statistikbehörden aktuell bei 2,8 % aufs Jahr gerechnet liegt. Und die Wahlbeteiligung zur Präsidentschaftswahl, die sich jetzt schon als extrem hoch abzeichnet. Womit wir auch schon beim entscheidenden Thema sind:

Scheinheilig

Nächste Woche am Dienstag ist es soweit, der 47ste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird endlich gewählt. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich bin froh, wenn der scheinheilige Wahlkampf endlich zu Ende geht. Die beiden Protagonisten laufen im Wahlkampfendspurt wie die kleinen Kinder an Halloween durch die Gegend und verteilen wahlweise Süßes an die Bürger und Saures an den politischen Gegner. Dabei kommen einem die beiden selbst wie Süßes und Saures vor, wenn man ihren Aussagen zuhört. Die Börsen dagegen sind eindeutig.

Wenn man den aktuellen Entwicklungen Glauben schenken darf, dann ist Trump der Wahlsieger. Ich hatte bereits mehrfach an dieser Stelle geschrieben, dass den Europäern dieser Schreck anscheinend wenig bewusst ist, denn die Vorbereitungen darauf kann ich nicht erkennen. Vielleicht liegt es daran, dass man sich selbst auch etwas gruseln möchte.

Also warten wir es ab und blicken wie der Rest der Welt nächste Woche ganz gespannt auf unsere Bildschirme, um die Ergebnisse dieser Wahl mal mit Staunen, mal mit Schrecken und mal mit Erleichterung, je nach Gusto, zur Kenntnis zu nehmen. Und sind wir gespannt darauf, ob das Ergebnis eindeutig genug ist. Zu tun gibt es ja genug für den oder die Neue im Weißen Haus. Amtsantritt dann im Januar. Ich trete für heute erst einmal ab. Ihnen ein schönes langes Wochenende. Das ist schließlich auch heilig für viele.

Ihr Volker Schilling

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Volker Schilling
Volker Schilling

Volker Schilling ist Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG und Asset Manager bei Der Zukunftsfonds. Er ist regelmäßig gefragter Experte für Fernsehsender (n-tv, Bloomberg, ARD Börse) und viele andere Medien. In seiner ZASTER-Kolumne „Euro, Dollar, Schilling“ blickt er jeden Freitag auf die wichtigsten Themen des Finanzmarkts zurück.