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Fußball-WM

Spielerfrau 4.0 – Strafraumluder war gestern

von Marcus Schwarze

Früher Goldgräberinnen und Gucci-Gang, heute Sprungbrett-Sucherinnen für die eigene Influencer-Karriere: Berufsziel Spielerfrau im Instagram-Zeitalter.

Die WM 2018 ist gestartet, #DieMannschaft nach dem Auftakt gegen Mexiko noch punkt- und torlos und das auf „Sommermärchen Reloaded“ hoffende Brutto-Inlandsprodukt erst mal bedient. Die Hoffnung auf Umsatz-Rekorde bei Fanartikel-Merchandisern und Kneipenwirten hat sich ausgemüllert. Wirtschaftliches Glück und Pech liegen während einer WM nah beieinander. Hätten Özil, Müller, Hummels, Boateng und Co wenigstens ansatzweise Normalform erreicht, wäre Deutschland womöglich schon in einen euphorisierten WM-Freudentaumel verfallen. Der macht das Volk leicht regierbar und vor allem großzügig. Die Umsätze steigen.

Spielerfrau – ein krisenbeständiges Phänomen

Das Team von Jogi Löw allerdings patzt und lässt Politik und Einzelhandel im Stich. Lange Gesichter im Kader, vor den Fernsehern und auf den Tribünen. Ungetrübt bleiben nur die VIP-Logen mit den Spielerfrauen. Da ist die Begeisterung ungebrochen. Nicht nur, weil sie anders als ihre Gatten bereits im WM-Modus sind. Zahllose Support-Postings auf Instagram sprechen da eine eindeutige Sprache. Sondern vor allem, weil ihr privates Wohlergehen nicht vom WM-Ausgang abhängig ist. So sieht es jedenfalls das Klischee. Für das gemeine Volk ist die Spezies Spielerfrau ja der Prototyp der Goldgräberin. Und dieser der WM ja eher ein Dorn im Auge. Muss die klassische Spielerfrau doch im Tross mit mehr oder weniger innig geliebten Spielerfrau-Kolleginnen einen ganzen Monat lang durch Russland touren, anstatt mit ihrem Fußball-Lover an exotischen Stränden den Urlaub zu genießen und ihre Follower auf Instagram mit einem Feuerwerk heißer Bikini-Bilder davon zu überzeugen, dass sie mehr drauf hat, als bloß das Geld ausgebende Anhängsel eines kickenden Millionärs zu sein.

WAGs (Wifes and Girlfriends)

Spielerfrauen sind heute nicht mehr nur durch ihre Männer finanziell gut abgesichert, wie es in den Generationen um Claudia Effenberg oder Bianca Illgner war. Im Windschatten der Popularität ihres Boyfriends können sie eigene Social-Media-Marken aufbauen. Stellt man es halbwegs schlau an, generiert man so schnell sechsstellige Followerzahlen. Immerhin die neue Währung am großen Werbemarkt.

Das forciert auch die immer weiter steigende Sehnsucht junger Mädchen, Spielerfrau zu werden. Eine wunderbare Zeit, solange es läuft. Nobel-Boutiquen und Luxus-Hotels als natürlicher Lebensraum. Aber auch die Chance, sich durch geschickte Inszenierung als Influencerin zu etablieren und somit unabhängig zu machen. Ohne richtiges Talent gelingt das heutzutage ja fast nur noch als erfolgreiche Kandidatin bei „Germany’s Next Topmodel“ – oder eben als Spielerfrau.

Von Primark zu Louis Vuitton und zurück

Und so ändert sich das Berufsbild Spielerfrau in meiner Generation. Sobald sich früher der Fußballstar sattgesehen hatte an seiner jungen Gespielin, beim Beischlaf mit einem Groupie erwischt wurde oder ein jähes Karriereende nahte, stand die Spielerfrau plötzlich mittellos da. Die Zeit der Louis-Vuitton-Taschen (immer noch das Statussymbol Nummer eins auf Stadiontribünen) war dann vorbei. Es ging zurück in den Job als Kosmetikerin oder an die Berufsschule.

Heute ist das anders. Würde sich Mario Götze von Ann-Kathrin Brömmel trennen oder Mats Hummels von seiner Cathy, die Damen würden keinesfalls in ein wirtschaftliches Fiasko schliddern. Längst sind sie selber Social-Media-Stars und generieren auf dem Boulevard der Likes und Selbstinszenierung hohe Umsätze. Früher von den Verkäufern in den Nobel-Boutiquen ob ihres neureichen Proll-Stils belächelt, verkehren sie heute auf den Fashion Weeks direkt mit den Designern. Vom Strafraum in den Haute-Couture-Olymp.

Was heißt eigentlich Fliegenfänger auf brasilianisch?

Alleine im Ensemble der Spielerfrauen des aktuellen WM-Kaders gibt es einige Kandidatinnen, die sich vor den Einnahmen ihrer Männer nicht zu verstecken brauchen. Izabel Goulart beispielsweise, Freundin von Ersatz-Ersatz-Torhüter Kevin Trapp, hat bis zu 400.000 Likes auf ihren Instagram-Bildern. Gut, auf den meisten trägt sie Brasilien-Trikot. Das liegt aber nicht daran, dass sie ihrem Boyfriend keinen Erfolg im Job wünschen würde, sondern dass sie in São Paulo geboren wurde. Kevin Trapp übrigens im 29.000-Einwohner-Örtchen Merzig im Saarland. Insofern ist eigentlich nicht Goulart Spielerfrau, sondern Trapp Supermodel-Mann. Immerhin war sie bereits Victoria’s Secret Angel, als Trapp noch Ersatzmann beim 1. FC Kaiserslautern war. Die älteren Fußballfans unter den Lesern werden sich an diesen Verein erinnern. Er brachte Stars wie den WM-1990-Helden Andy „Die Brasilianer sind ja auch alle technisch serviert“ Brehme hervor. Und halt Trapp.

Auf dem Weg zu Chanel kann man sich nur schwer verdribbeln

Daher ist die Karriere als Spielerfrau heute begehrter als jemals zuvor. Der Einstieg in die Welt der finanziellen Sorglosigkeit ist das Ziel vieler junger Frauen. Daran ist nichts Verwerfliches. Der Katalysator Spielerfrau für die eigene Popularität ist nämlich kein Garantieschein. Ann-Kathrin Brömmel hat ihre 930.000 Follower nicht ausschließlich gesammelt, weil sie die Freundin von Mario Götze ist. Sie arbeitet als Model und Designerin. Sie beherrscht die Social-Media-Klaviatur und zeigt sich ihrem Publikum vornehmlich in knappen Bikinis. Das versuchen aber viele andere auch. Der Content und die eigene Leistung müssen schon stimmen. Das Herumhocken auf VIP-Tribünen alleine reicht nicht aus. Das trauen sich mittlerweile aber viele Mädchen zu.

Olli Schulz, die Spielerfrau des Kabarett-Rocks

Sehr schön zusammengefasst hat das auch der Star-Stürmer der U40-Auswahl Hamburg Eidelstedt und nebenberufliche Sänger Olli Schulz in seinem Song „Spielerfrau“:

Verzweifelt hältst du Kinder aus der dritten Welt im Arm
Engagierst dich für Dialoge zwischen Bibel und Koran
Machst dich stark für den Tierschutz
Warst im Playboy nackt zu sehen
Und hast ganz offen geredet in jeder Talkshow dieses Landes
Über dein Bulimie-Problem

Natürlich bleibt es ein zweischneidiges Schwert, darüber zu philosophieren, ob eine Spielerfrau der Menschheit (und sich selber) mit ihrer Jobwahl einen großen Dienst erweist. Das kommt immer auf die Perspektive an. Ist man Redakteurin bei der „EMMA“ oder schreibt Bücher mit der Vokabel „Aufschrei“ im Titel, ist man vermutlich der Meinung, alleine der Begriff „Spielerfrau“ sei herabsetzend.

Marie, das Zaster-Tinder für Spielerfrauen

Klar, als Spielerfrau gibt man der Gesellschaft weniger als beispielsweise eine Krankenschwester. Das gilt aber für beinahe jeden Job. Man kann eine junge Frau nicht dafür verurteilen, sich nach glamourösem Lifestyle und finanzieller Absicherung zu sehen. Spielerfrau ist kein Ausbildungsberuf, die Stellen werden nicht ausgeschrieben, und es gibt auch nur relativ wenige. Aber im Normallfall geht das Selbstverständnis der Protagonistinnen darüber hinaus, sich ausschließlich Gedanken zu machen, in welches Haute-Couture-Label sie ihr Haushaltsgeld diesen Monat investieren. Wenn ihr also einen brauchbaren Instagram-Account und auch sonst nicht viel vor habt, meldet Euch ruhig. Ich kenne einige Spielerfrauen und ich vermittle dann!

 

Fotos (von links nach rechts): 9EkieraM1, CC BY-SA 3.0, Georges Biard, CC BY-SA 3.0, 9EkieraM1, CC BY-SA 3.0

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Marcus Schwarze