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Firmengründung

Ein Start-up starten – Traum oder Trauma?

von Kirsten Reineke

Endlich sein eigener Chef sein! Von einer genialen Geschäftsidee bis hin zum erfolgreichen Unternehmen ist es aber ein beschwerlicher Weg. Häufig platzt der Gründertraum bereits am mangelnden Startkapital. Ist es in Ordnung, die Bank anzupumpen, und was muss man dabei beachten?

Als Josephine Gaede vor neun Jahren im Urlaub einen kleinen Laden am Comer See entdeckte, in dem es gelbgraue Capes aus feinster Lammwolle gab, ahnte sie noch nicht, dass sie auf ihre berufliche Zukunft gestoßen ist. Zurück in Göttingen, trug die damalige Studentin das neue Teil während der Jura-Vorlesungen – ihre Kommilitonen waren verzückt. Gaede lieh sich 2.000 Euro von ihrem Vater, kaufte dem italienischen Lädchen rund 100 Capes ab, die sie innerhalb weniger Wochen mit einem Gewinn weiterveräußerte. Der Start einer Erfolgsgeschichte: Heute hat „Das Cape Mädchen“ seinen Sitz in Berlin, mehrere Mitarbeiter, eine eigene Kleider-Linie und einem Umsatz von mehr als 100.000 Euro. Im Monat.

Die meisten Gründer können von so einer Geschichte nur träumen. Denn mangelndes Startkapital ist noch immer einer der Hauptgründe fürs Scheitern. Für die Umsetzung vieler Geschäftsideen müssen Gründer sogar eine sechsstellige Summe aufbringen – sie kommen also häufig nicht drum herum, einen Kredit aufzunehmen. Unternehmensberater Steffen Ehlert meint: „Jede Finanzierung ist anders, und es hängt immer von den persönlichen Umständen des Gründers ab – bei einem Finanzierungsvolumen von einer Million ist die Laufzeit des Kredits natürlich länger als bei 20.000 Euro.“

Wie hoch die Belastung bei hohen Finanzierungskosten eines Start-ups ist, weiß Gundula Cöllen. Sie eröffnete 2016 das Berliner Fitnessstudio „BeCycle“. Dort können Sportbegeisterte Kurse in Spinning, Yoga und Barre (ein Ganzkörper-Workout) belegen, mit cooler Musik, ohne monatliche Gebühr. Durch die exponierte Lage, hohe Material- und Personalkosten und vor allem dem Umbau der Immobilie zu einem hippen Boutique-Studio türmten sich die Kosten gleich zu Beginn. Cöllen sagt zu ZASTER: „Der Druck ist enorm hoch. Beim Umbau gibt es viele Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Am schwierigsten ist es, eine genaue Kostenaufstellung des Projekts zu kalkulieren, da es viele Unbekannte gibt. In der Regel wird alles doppelt so teuer. Ich hatte viele schlaflose Nächte, weil ich nicht wusste, wie schnell wir Geld bekommen, um die Bauarbeiter zu zahlen.“ Der 35-Jährigen half in der Situation viel Sport, insbesondere Yoga und Meditation. „Meistens kann man alle Knoten irgendwie lösen, man darf nur nicht verzweifeln, denn dann überzeugt man auch nicht mehr gegenüber potenziellen Investoren“, erklärt sie.

Gemeinsam mit ihrer Mitgründerin hatte Cöllen sich für eine private Finanzierung entschieden. Und da ihr Fitness-Konzept in den USA schon länger von Erfolg gekrönt ist, konnten die beiden über ihr Netzwerk in New York Interessenten begeistern. Allerdings stellte sich nach drei Monaten Baustelle heraus, dass alles viel teurer wurde. Also sollte einen großen Teil der zusätzlichen Kosten ein Gründerkredit der KfW Bank decken.

Gundula Cöllen erzählt: „Der Antrag musste über unsere Hausbank gestellt werden, für die es auch das erste Mal war. Viele Banken kennen sich mit solchen Themen immer noch nicht aus. Unsere eigene Recherche hatte uns dann sehr viel Zuversicht gegeben, dass wir für diesen Kredit alle Kriterien erfüllen. Doch was wir nicht wussten: Sobald man eine Eigentumswohnung besitzt, hat man keinen Anspruch mehr auf den KfW-Gründerkredit. Somit wurde uns der Kredit nach dreimonatigem Warten abgesagt. Unsere Baustelle kam ins stocken, Firmen mussten bezahlt werden.“ In der Not konnte das Duo dann doch noch weiteres Investment über Kontakte sichern. Nach Cöllens Meinung ist Durchhaltevermögen sowieso eine der wichtigsten Eigenschaften eines Gründers. Und natürlich Leidenschaft, man muss für seine Idee brennen. Sie lächelt und sagt: „Know-how lässt sich dagegen einkaufen.“

Interview: „Jeder Einzelfall ist anders“

Steffen Ehlert, unabhängiger Finanzexperte aus Hamburg, beantwortet ZASTER die wichtigsten Kreditfragen:

ZASTER: Worauf muss ich achten, wenn ich einen Kredit für mein StartUp aufnehme?

Steffen Ehlert: Wenn es irgendwie geht, sollte man nach Möglichkeit ohne einen Kredit auskommen. In vielen Fällen aber brauchen Gründer/innen zumindest eine Überbrückungsfinanzierung. Der Kredit sollte in jedem Fall mit einem Puffer berechnet werden, so dass eventuelle Fehlschläge und unvorhersehbare Ausgaben einkalkuliert werden. Außerdem sollte die Laufzeit lieber etwas länger gewählt werden, sonst bekommt man Probleme mit der Folgefinanzierung.

Kann jeder Gründer einen Kredit aufnehmen?

Grundsätzlich ja. Aber es hängt natürlich von der jeweiligen Bank beziehungsweise dem Kreditgeber ab. Allgemein bekommt nur derjenige einen Kredit, der dafür ausreichende Sicherheiten stellen kann. Diese könnten sein: Sparguthaben, Sparbriefe, Wertpapiere und Aktien. Außerdem Lebensversicherungen, Bausparverträge sowie Bürgschaften durch Dritte. Jeder Einzelfall ist anders. Es hängt dabei auch viel von den Kontakten, dem Know-how und der Persönlichkeit des Gründers ab. Manche Menschen sind für die Selbstständigkeit eben nicht geboren.

Was passiert, wenn mein Unternehmen scheitert?

Gegenüber der Bank haftet der Gründer in der Regel gesamtschuldnerisch – hier greifen dann die Sicherheiten wie Bausparverträge etc. Zur Not springen die staatlichen Träger wie die KFW-Bank oder die Bürgengemeinschaften ein, je nachdem, welche Sicherheiten die Bank individuell vereinbart. Aber auch die staatlichen Träger werden sich die Darlehen von dem Gründer zurückholen.

Sollte ich mir das Geld lieber privat leihen, falls ich die Möglichkeit habe?

Hier gibt es kein schwarz oder weiß. Private Finanzierungen machen viele Sachen einfacher, die Konditionen sind auch meistens deutlich besser als bei der Bank. Zudem ist der Förderungsdschungel meist kompliziert und beschwerlich. Doch viel Start-ups stehen unter einem zeitlichen Druck und müssen dynamisch agieren. Bei einer privaten Finanzierung sollte sich aber die Familie niemals für ein Projekt verschulden. Deswegen ist eine externe Beratung wichtig, damit der Gründer das Kapital richtig einsetzt.

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ein Artikel von
Kirsten Reineke
Kirsten Reineke, Jahrgang 1983, ist freie Journalistin in Hamburg.