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Auswandern: Was kostet das Leben in Schweden?

von Michael André Ankermüller

Pia Sternberg ist vor etwas mehr als drei Jahren von Hamburg aufs Land gezogen, um sich den Traum von Hund, Hühnern und eigenem Garten zu erfüllen. Nach einigen Monaten Pendeln wuchs der Wunsch nach mehr Flexibilität im Job. Es folgten rund zwei Jahre, in denen sie um jeden Tag Homeoffice verhandeln und beim Privatleben viele Abstriche machen musste. New Work war mehr Wunsch, als gelebte Realität. Aber es gibt ein Happy End: Seit drei Monaten arbeitet sie nun full remote auf der schwedischen Insel Gotland und kann ganz genau so leben, wie sie es sich immer gewünscht hat.

1. Warum bist Du nach Gotland gegangen und was hält Dich dort?

Im vergangenen Spätsommer habe ich meinen neuen Job bei der Full-Remote-Agentur hypr angefangen. Da ich nicht mehr an ein Büro gebunden war, eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten für mich, was den Wohnort betrifft. Mein Partner und ich haben uns dann im Herbst ein Haus auf Gotland angeschaut und den Trip nach Schweden mit ein paar Tagen Urlaub verbunden – und uns innerhalb von wenigen Tagen in die Insel verliebt. Was mich hier hält? 1.900 Sonnenstunden im Jahr, wenige Menschen und Autos, viel unberührte Natur, das immer nahe Meer und der klarste Sternenhimmel, den ich je gesehen habe. Ich bin hier die beste Version von mir selbst.

2. Was können die Deutschen von den Gotländern lernen? Und möglicherweise andersherum?

Ich bin begeistert vom schwedischen „Allemansrätten“ – dem „Jedermannsrecht“: Man hat das Recht auf freien Zugang zur Natur und ihren Früchten, unabhängig davon, wem das Land gehört. Auch die Gotländer haben eine besondere Beziehung zur Natur und ein hohes Umweltbewusstsein. Auch Kunst, Design und Handwerkskunst spielt auf der Insel eine große Rolle. Hier können die Deutschen definitiv noch etwas von den Schweden lernen. Anders herum fällt mir tatsächlich nichts ein, in dem die Deutschen eine echte Inspiration für Gotland oder Schweden sein könnte.

3. Welche 3 Tipps würdest du einem Deutschen geben, der auch nach Gotland auswandern will?

Wenn es um grundlegenden Rat zum Auswandern geht: Nicht auf Facebook-Gruppen, Hörensagen oder Einzelfall-Berichten hören, sondern sich gleich an die offiziellen Stellen wenden – nur so kann man sich ohne böse Überraschungen absichern. Mein zweiter Tipp: Einen Schwedisch-Kurs machen. Die meisten Schweden sprechen zwar sehr gutes Englisch, aber so richtig rein kommt man erst mit Schwedisch. Zudem ist der Schwedischkurs für Einwanderer (SFI) kostenlos, da die schwedischen SteuerzahlerInnen für die Ausbildung aufkommen. Sich von Anfang an einbringen: Mit den Nachbarn ins Gespräch kommen, sich zum Beispiel bei der Hundeschule anmelden oder sich ehrenamtlich engagieren. So lernt man die Sprache am schnellsten, kann nach Insider-Tipps in allen Lebenslagen fragen und neue Freunde finden.

4. Wie teuer ist das Leben auf Gotland im Vergleich zu Deutschland?

Wenn man bedenkt, dass man auf einer Insel lebt, finde ich die Preise absolut angemessen. Dass einem im direkten Vergleich zu Deutschland vieles teurer erscheint liegt vor allem daran, dass Nahrungsmittel in Deutschland (Index-Wert 101) quasi genau im EU-Durchschnitt (Index-Wert 100) liegen. Unter dem Durchschnitt liegen vor allem Länder aus dem Osten und Südosten Europas. Die meisten anderen Staaten aus Zentral- und Westeuropa liegen darüber: Schweden beispielsweise liegt bei einem Index-Wert von 114, Österreich bei 124 und die Schweiz bei 163.

5. Krankenversicherung, Steuern, Rentenversicherung? Wie wird das auf Gotland gehandhabt?

Was ich schnell gemerkt habe: in Sachen Bürokratie steht Schweden Deutschland wirklich in nichts nach. Gleichzeitig sind die Schweden aber deutlich besser gelaunt und hilfsbereit. In Schweden läuft vieles grundlegend anders, so gibt es beispielsweise kein Ehegattensplitting und das Gesundheitssystem ist vom Staat organisiert und wird nahezu ausschließlich aus Steuern finanziert. Als Deutsche fühle ich mich hier alles in allem genauso gut aufgehoben und abgesichert, wie in Deutschland.

6. Welchen geheimen Spartipp hast Du für das Leben auf Gotland entdeckt?

Es den GotländerInnen gleich zu tun und Zeit in der Natur zu verbringen – das kostet nichts. Mit FreundInnnen und Familie trifft man sich am Strand, alle bringen etwas mit. Es gibt dort teils atemberaubende Locations mit öffentlichen Grillplätzen.

7. Welches Produkt ist auf Gotland besonders teuer und welches Produkt sehr günstig?

Alkohol ist wie in ganz Schweden größtenteils deutlich teurer: je höher der Alkoholgehalt, desto höher der Steuersatz. Wirklich günstig ist hier nichts, da die Lebensmittelpreise generell etwas höher sind, als in Deutschland.

8. Wie sieht dein neuer Alltag auf Gotland aus? Was hat sich hier am meisten zum alten Leben verändert?

Der Berufsalltag ist ziemlich ähnlich, wobei mein Internet hier deutlich besser ist und ich in meiner Mittagspause meist zum Meer spaziere. Das ist schon sehr besonders. An den Wochenenden erkunden wir die Insel. Der größte Unterschied ist wohl das noch krassere Gefühl von Entschleunigung und Ruhe. Ganz Gotland hat gerade einmal 19 EinwohnerInnen je km².

9. Welche Rolle spielt Geld in der Gesellschaft auf Gotland? Was würdest Du sagen?

Es wird glaube ich, anders als in Deutschland, kein so großes Geheimnis draus gemacht. In Schweden sind private Gehälter, Kapitaleinnahmen und Schuldeneinträge öffentlich einsehbar. Wenn es ums Thema Bezahlung geht: Bargeld kommt hier kaum noch zum Einsatz, denn jede*r zweite SchwedeIn zahlt, wenn möglich, kontaktlos.

ein Artikel von
Michael André Ankermüller
Michael lebt in Berlin, beschäftigt sich gerne mit Wirtschafts- und Finanzthemen und arbeitet als Journalist, Blogger, Autor sowie Berater für Digitale Medien. 2014 gründete er das sehr erfolgreiche Blogazine Blog.Bohème.