Die dunkle Seite des Geldes

Pablo Escobar – Der Drogenbaron

von Christoph Masurek

Zwischenzeitlich soll Pablo Escobar 80 Prozent des weltweiten Kokain-Handels verantwortet und damit 1,5 Millionen US-Dollar am Tag verdient haben. ZASTER wirft einen Blick auf den Werdegang des wohl reichsten Verbrechers aller Zeiten.

Nicht nur in Kolumbien ist noch das Wirken Pablo Escobars präsent, weltweit lebt der Mythos des 1993 getöteten Verbrechers. Zuletzt erfuhr seine kriminelle Karriere wieder große Aufmerksamkeit durch die erfolgreiche Netflix-Serie „Narcos“. Auch in vielen kolumbianischen Städten, insbesondere Medellín, verdient man noch gutes Geld an „El Patrón“: Unter Touristen sind Souvenirs wie T-Shirts oder Tassen mit dem Konterfei Escobars besonders beliebt und an seinem einstigen Luxus-Wohnsitz in Puerto Triunfo steht heute ein Escobar-Theme Park. Der Grat zwischen Glorifizierung und Verurteilung des Terroristen bleibt also noch heute schmal.

Blutige Jugend

Pablo Emilio Escobar Gaviria, so sein vollständiger Name, wurde 1949 in Kolumbien geboren. In einer Zeit, in der der südamerikanische Kontinent fast vollständig feudale Strukturen aufwies: Wenige Reiche herrschten über Bodenschätze, Arbeitsplätze und Vermögen, während der Rest unter den elendigen Verhältnissen litt. Escobar wuchs als Sohn eines Viehzüchters und einer Lehrerin in einem vergifteten Klima der Brutalität auf, bedingt durch gewaltsame Konflikte zwischen Landbevölkerung und Regierung.

Als Jugendlicher schmiss er die Schule, begann mit massiven CannabisKonsum und ungesunder Ernährung. Auf den Straßen Medellíns trieb er sich mit seinem Cousin durch die Rotlichtbezirke und lernte dabei Persönlichkeiten der Unterwelt kennen, die ihm lehrten, dass ein gutes Leben auch ohne anstrengende Arbeit möglich sei. Escobar war begeistert, legte sich Schusswaffen zu und erntete deshalb auch trotz seines Übergewichts und seiner Größe großen Respekt unter den Dealern. Sein Einstieg gelang ihm mit dem Schmuggel und Handel von Marihuana und Marlboro-Zigaretten.

Image des Robin Hood

Sein selbstkreiertes Image als Robin Hood von Kolumbien wusste Escobar früh zu inszenieren. Er stahl schon als 20-Jähriger Luxuskarosserien der Reichen, zerlegte sie und hehlte mit den Einzelteilen. Anschließend beteiligte er sich an Entführungen von Vermögenderen, erpresste Lösegeld und wurde so schnell zu einem wohlhabenden und gefürchteten Mann zugleich. Insbesondere die Entführung eines unbeliebten Industriellen, den er tötete, obwohl er Lösegeld erhalten hatte, sorgte für Sympathien in der Bevölkerung.

Später buhlte er weiter um die Gunst der kolumbianischen Bürger – schließlich verstand er sich selber als einer, der es aus der Unterschicht nach Oben geschafft hatte, ohne dabei seine Wurzeln zu vergessen. Mit dem Bau von Krankenhäusern, Schulen und bezahlbaren Wohnungen für die Ärmeren erschlich sich der Mörder, Schmuggler, Entführer und Drogenhändler ein Image des besseren Politiker – mit nicht zu vernachlässigendem Erfolg.

Kokain machte ihn reich

Die Spuren von Escobars vermeintlich sozialen Engagement, finanziert durch Drogen- und Blutgelder, sind noch heute in Medellín zu sehen und sorgen oft für eine Verklärung des brutalen Sadisten. Als in den 1970er-Jahren die Droge Kokain das Marihuana ablöst, beginnt sein Aufstieg zum Multi-Millionär. Dabei ist er so etwas wie ein Pionier, setzt fast als allererster auf die neue Droge und erkennt insbesondere den „Absatzmarkt“ im Norden: die Vereinigten Staaten. Dort ist das weiße Pulver fast das dreifache wert, einzig im Schmuggel liegt die große Gefahr. Escobar lässt es zu Beginn durch einige Piloten von Sportflugzeugen nach Miami einfliegen, später hat er ein ganzes Vertriebsnetzwerk, dass sich um den Versand der Drogen kümmert.

In den Regenwäldern Kolumbiens errichtet er sein Labore, lässt das Kokain herstellen und industrialisiert quasi die Produktion der Droge. Polizisten und Beamte die ihn dabei hindern, stellt er vor nur eine Wahl: „Blei oder Geld“. Wer sich nicht bestechen lässt, muss sterben. Er vereinigte tausende Kriminelle unter sich, errichtete ein Imperium und wurde auch in den USA zum „Staatsfeind Nummer Eins“ (George Bush). In Folge versuchte sowohl die kolumbianische als auch die amerikanische Regierung das Handeln Escobars zu beenden – Jahre blutiger Auseinandersetzungen folgen.

Dann bot Escobar Anfang der 1990er Jahre der kolumbianischen Regierung einen Deal an: Er beendet den Krieg und geht dafür ins Gefängnis. Jedoch nicht in irgendeins, sondern in eines, dass er selber baut. Noch verrückter: Die Regierung stimmt dem Vorhaben zu. Er errichtet „La Catedral“ samt Fußballplatz, Disco und Wasserfall. Von dort steuerte er weiterhin die kriminellen Aktivitäten des Medellín-Kartells und lädt Prostituierte und Freunde zu kleinen Partys ein. Er blieb einziger Insasse und liess sich von seinen Leibwächtern im Anwesen beschützen. Manch anderer würde für die Art des Gefängnis viel Geld bezahlen.

Zahlen, Zahlen, Zahlen

Am einfachsten lässt sich Escobars Leben in Zahlen ausdrücken. Sie verschaffen einem erst einen Überblick über die Dimension seines Schaffens: Zu seiner erfolgreichste Zeit verschiffte er rund 15 Tonnen Kokain am Tag in die USA, verdiente dabei in der Woche etwa 385 Millionen Euro und stand deshalb von 1987 bis zu seinem Tod 1993 jedes Jahr auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt; 1989 mit 2,7 Milliarden US-Dollar sogar auf Platz 7. Zu Lasten tausender Menschenleben: Alleine 30 Richter und 475 Polizisten ließ Escobar töten, sein engster Vertrauter und Auftragsmörder „Popeye“ töte wohl allein auf seinen Wunsch mehr als 300 Menschen. Insgesamt ist Escobar wohl für rund 4000 Tote verantwortlich.

Doch nicht nur auf Menschenleben legte er wenig Wert, auch die immensen Summen an Geld interessierten ihn immer weniger. Als seine Tochter in einem Versteck in den Bergen fror, zündete er einfach Bargeld in Höhe von rund zwei Millionen US-Dollar an. Auch die bloße Menge an Scheinen überforderte ihn und sein Kartell, so dass sie das Geld einfach vergruben – und es dabei in Kauf nahmen, dass sie vergassen wo. So ließ das Kartell einfach pauschal jedes Jahr 2,1 Milliarden US-Dollar abschreiben. Buchhaltung muss eben nicht kompliziert sein.

Tod von Escobar

Nach dem die kolumbianische Regierung ein Auslieferungsgesetzt in die USA für Drogenhändler durchsetzte, gelang der Drogenkrieg zu seinem Höhepunkt. Escobar führte ihn gegen den Staat, zahlte für jeden toten Polizisten 500 bis 1000 US-Dollar und tötete durch Bombenanschläge in Bogota zahlreiche Journalisten und Politiker. Dabei mischten sich weitere kriminelle Parteien dazu, die den Moment ergreifen wollten, um Escobars Vorherrschaft zu beenden. Insbesondere das Cali-Kartell half der Regierung dabei, Labore zu zerstören und Leibwächter zu ermorden und nahm im Anschluss den Platz von Escobar ein.

In Folge wurde es immer schwerer das Personal zu bezahlen. Die Regierung forderte seinen Umzug in ein anderes Gefängnis, Escobar musste fliehen und wurde auf der Flucht von einer Elite-Einheit erschossen. Ein Telefonat mit seinem Sohn gab den Behörden Aufschluss über sein Versteck.

Trotz der vielen Morde und Verbrechen hält der Mythos des fairen Robin Hood bis heute an. Escobar war und bleibt so ein Medienphänomen und Publikumsliebling. Immerhin wurde sein Wunsch zu Lebzeiten erfüllt: „Lieber ein Grab in Kolumbien als eine Gefängniszelle in den Vereinigten Staaten“. Zu seiner Beerdigung kamen mehr als 20.000 Menschen.

ein Artikel von
Christoph Masurek
Christoph studiert Politikwissenschaften in Wien und sucht noch immer vergeblich nach der Geschäftsidee, die sein Leben sowohl erleichtert als auch bereichert.