Im Einklang mit dem globalen Ölpreis weisen auch die Öl-Aktien erhöhte Volatilität im Handel auf. Doch nach einer kurzen Phase der Gewinnmitnahmen beginnen die Investoren in der zweiten Juni-Hälfte wieder angelsächsische Energiekonzerne im Portfolio zu akkumulieren. Man hat die vierteljährlichen Dividenden im Blick, sieht aber auch die Chance, dass die Quartalszahlen besser ausfallen als die niedrigen Prognosen der Analysten.
Was man grundsätzlich auch nicht unterschätzen darf, sind die starken Effizienzsteigerungen in den vergangenen Jahren. Noch im Jahr 2014 hatte das OPEC+ Kartell versucht, die unliebsame Konkurrenz in den USA zu dezimieren, indem man die Produktion erhöhte, was den Preis für Öl unter die Break-Even Preise der Fracking-Gesellschaften drückte. Die gaben schnell auf, kamen aber auch schnell wieder zurück. Denn:
Im Gegensatz zum klassischen Ölgeschäft ist Fracking sehr flexibel. Neue Bohrungen lassen sich innerhalb von Wochen etablieren, während die klassischen Bohrungen Monate bis Quartale benötigen. Der Versuch der OPEC+, die Konkurrenz loszuwerden, scheiterte damals, aber die Branche hat daraus gelernt und sich weiter verbessert. Heute ist man operativ noch schneller geworden. Was aber noch wichtiger geworden ist: Die Kostenstrukturen wurden noch einmal deutlich gesenkt. Und das ist entscheidend, denn der Break-Even Punkt bestimmt, ab wann die Zahl der aktiven Bohrungen expandiert bzw. schrumpft. Und dabei gilt natürlich: Je tiefer der Break-Even Punkt liegt, desto weniger kann ein Kartell wie OPEC+ etwas ausrichten.
Effizienzsteigerungen im Öl-Markt sind hoch
Doch nicht nur bei den Frackern, auch im klassischen Ölgeschäft hat man erhebliche Fortschritte gemacht. Ein aktuelles Beispiel sind die Tiefseebohrungen vor Guyana. Vor dem südamerikanischen Land liegen riesige Öl- und Gasfelder, die ein Förderpotenzial von 11 Mrd. Barrel haben. Die Vorkommen sind so groß, dass die amerikanische Energy Information Administration (EIA) Guyana als einen zukünftigen Schlüssellieferanten für den weltweiten Energiemarkt ansieht. Aktuell fördert man täglich mehr als 600.000 Barrel und die Amerikaner gehen davon aus, dass dieses Volumen sich bis Ende 2025 um ein ganzes Drittel steigern wird.
Beteiligt ist alles, was weltweit Rang und Namen hat. Deutsche Unternehmen sind nicht zu finden, aber die Amerikaner und Chinesen. Neben Chevron und ExxonMobil ist beispielsweise auch CNOOC (China National Offshore Oil Corporation) vor Ort. CNOOC ist der drittgrößte chinesische Energiekonzern. Die Krux ist jedoch nicht nur, wer alles gegen die Angebotsverknappung der OPEC+ arbeitet, sondern auch zu welchen Kosten. Und trotz Unterwasserbohrungen, die mehr als 2.000 Meter tief reichen, liegt der Break-Even Preis bei weniger als 30 US-Dollar / Barrel. Das ist ein echtes Problem für die OPEC+.
OPEC+ verfehlt ihr Hauptziel
Die Antwort der OPEC+ ist aber unverändert. Man will die Preise in die Höhe treiben, am liebsten in den dreistelligen Bereich. Doch man ist gleichzeitig auch nicht bereit, die Produktion noch stärker zu reduzieren. Man hat den Ausstoß nun schon seit vergangenem Jahr künstlich reduziert. Bisher mit bescheidenem Erfolg. Was man erreicht hat, ist Brent zwischen 72 und 91 US-Dollar je Barrel und WTI zwischen 65 und 88 US-Dollar je Barrel in weiten Seitwärtstrends zu stabilisieren. Man hat also einen gewissen Boden in den Markt eingezogen, aber das Hauptziel verfehlt. Was nicht ohne Wirkung bleibt.
Die ersten OPEC+ Mitglieder beginnen unruhig zu werden. Denn die Break-Even Preise bewegen sich im Schnitt zwischen 50 und 60 US-Dollar je Barrel. Weit genug unterhalb des aktuellen Niveaus. WTI notiert bei rund 81 und Brent bei rund 85 US-Dollar je Barrel. Aber der Preispuffer relativiert sich schnell, wenn man einkalkuliert, dass die OPEC+ inzwischen Kapazitäten in Höhe von 6,5 Millionen Barrel pro Tag leerlaufen lässt. Das Risiko für das Kartell liegt also darin, dass die Geschlossenheit der Gemeinschaft temporär auseinanderbricht.
Die Bullen akkumulieren wieder Öl-Aktien
Der Rest der Branche spielt derweil die Rolle des lachenden Dritten. Denn die großen Player erhöhen nach wie vor den Ausstoß. Man füllt Stück für Stück das Vakuum am Markt, dass die OPEC+ seit vergangenem Jahr künstlich geschaffen hat. Und verdient sehr gut dabei. Nichts im Vergleich zum Boomjahr 2022, aber das war eine Ausnahme und hat nichts mit den normalen Zyklen zu tun.
Die Börse sieht diese Konstellation und setzt wieder auf die amerikanischen und britischen Konzerne. Nach leichten Gewinnmitnahmen im Mai und der ersten Hälfte des Junis kehren aktuell die Bullen zurück und sammeln die Öl-Aktien auf. Das Interesse an den Majors muss natürlich auf vor dem Hintergrund der aktuellen Gewinnmitnahmen bei den Big Techs gesehen werden, die in der zweiten Juni-Hälfte sichtbar unter Druck geraten sind. Angeführt von Nvidia, die mit einem Abschlag von -16 % inzwischen offiziell in einer Korrekturphase sind. Warum nicht die Erlöse aus den Verkäufen im Öl-Markt zwischenparken?
Das Interesse im Energiesektor fokussiert sich unter anderem auf die unterbewerteten Aktien von BP und Shell. Aber auch in den USA verzeichnen alle wichtigen Player wie Chevron und ExxonMobil neue Nachfrage am Aktienmarkt. Interessant ist vor allem ConocoPhillips, die nach der Übernahme von Marathon Oil im Kurs deutlicher gelitten hatten und nun zu drehen beginnen. Wer mehr zu Investments in Öl-Aktien wissen möchte, liest gerne den Zürcher Finanzbrief.