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RENTENSYSTEM

Neue Regierung: Ist die Rente wieder sicher?

von Pauline Brinkmann

Die SPD präsentierte zusammen mit den Grünen und der FDP die ersten Ergebnisse ihrer Sondierungsverhandlungen. Das Parteitrio nennt sich selbstsicher „Die Zukunftskoalition“. Nimmt man das vorgestellte Papier jedoch genauer unter die Lupe so fällt auf, dass hier von Zukunft nicht die Rede sein kann.

Dabei wäre es gerade dieser Tage mehr als wichtig aus dem politischen Winterschlaf der vergangenen Jahre aufzuwachen und die Weichen neu zu stellen. Olaf Scholz ließ sich im Rahmen seiner Wahlkampftour auf diversen Dorfplätzen für seine Rentenpläne beklatschen, doch was ist de facto davon übriggeblieben? So philosophierte er noch im Sommer sorgenlos und gutgelaunt von einem stabilen Rentenniveau und der Lösung der aktuellen Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Fraglich bleibt, ob er sich das selbst abkauft und selbst wenn, steht im Raum, wie dies umzusetzen ist.

Feststeht: Im Laufe der nächsten Jahre wird die „Baby-Boomer-Generation“ ihr Zepter an die nachfolgenden Generationen übergeben und sich aus der Arbeitswelt verabschieden. Was uns auf Grund des demographischen Wandels dann blüht ist absehbar: Ein Fachkräftmangel und eine massive Welle der Altersarmut, auf die weder Politik noch Wirtschaft hinreichend vorbereitet sind.

Was für Verwunderung sorgt ist, dass Olaf Scholz im Rahmen seiner Tätigkeit als Finanzminister im Jahre 2019 selbst in einem BILD Interview gestand: „Ich mache das, was einem kein Anlageberater empfiehlt. Ich lege mein Geld nur auf einem Sparbuch, sogar auf dem Girokonto an – und da kriegt es, wie bei allen anderen, keine Zinsen.“ Ich muss zugeben, dass es mir fast schon Angst macht solche Sätze in Zeiten von Niedrigzinspolitik und wankenden Rentensystem aus dem Munde eines Finanzministers und eventuell baldigen Kanzlers zu hören. 

Es wäre fernab jeder fairen Debatte an dieser Stelle zu behaupten, dass Herr Scholz sich mit dem Thema Finanzen nicht zu Genüge auskenne, was man angesichts diverser Skandale wie Wire Card, Cum Cum oder Cum Ex jedoch zur Diskussion stellen darf.

Was jedoch unstreitig hinterfragt werden kann ist, ob Herr Scholz mit der Zeit gegangen oder in alten Strukturen hängengeblieben ist. Fakt ist: Er entstammt einer Generation in der Sicherheit großgeschrieben wurde. Doch davon wird es in Zukunft sowieso nicht mehr viel geben, denn spätestens im Jahre 2030 schlagen die Uhren anders, denn dann werden 53 über 65-Jährige auf 100 Arbeitende kommen. Wer denkt, dass dieses Ruder im Notfall auch in der nächsten Legislaturperiode noch rumgerissen werden könne, verkennt die Wucht, mit der unser Land auf diesen Felsen zusteuert. Versperren die saftigen Pensionsansprüche von Herrn Scholz ihm etwa den Blick über den eigenen Tellerrand? 

Doch ebenso wie Herr Scholz lassen 47 Prozent der Deutschen, dieser Tage ihr Geld auf dem eigenen Girokonto verdunsten. In Anbetracht sinkender Freibeträge für Negativzinsen und einer Inflationsrate von über 4 Prozent ist ein Wertverlust des Ersparten also vorprogrammiert. Nichtsdestotrotz rennt Deutschland mit Scheuklappen in ein Rentendesaster. Feststeht: Wer es sich nicht leisten kann, privat vorzusorgen wird in den nächsten Jahren mit aller Härte zu spüren bekommen, was politisches Versagen lostreten kann.

Im Jahre 2019 lag die Armutsquote für deutsche Senioren bei circa 16 Prozent. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Sommer 2021 wird sich diese Ziffer in den kommenden fünfzehn Jahren jedoch deutlich erhöhen.

Bei einer weiterhin negativen Arbeitsmarktentwicklung bis 2036 werden etwa 22 Prozent der Menschen ab 67 Jahren von einem Armutsrisiko betroffen sein. Damit würde jeder fünfte Rentner weniger als 60 Euro eines bedarfsgerechten, durchschnittlichen Nettoeinkommens zur Verfügung haben.      

Im Wahlkampf zog Herr Scholz immer wieder die „Schwedenkarte“, à la man wolle sich jetzt doch endlich mal an den skandinavischen Ländern orientieren und sich an neue Finanzierungsmodelle heranwagen. Dies ist ein gern genommener Joker in der Politik, der die Wähler mit einem Fortschritts- und Wohlstandsversprechen zum richtigen Kreuzchen locken soll.

Doch wie funktioniert das Rentensystem in Schweden?

Auch in Schweden wird das Rentensystem ähnlich wie in Deutschland über Umlagen finanziert. Die Skandinavier ergänzen allerdings das klassische Rentensystem durch eine kapitaldeckende Komponente. Arbeitnehmer zahlen in Schweden zusätzlich 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens in den sogenannten Vorsorgefonds ein.  Dadurch wird die gesetzliche Rente zusätzlich am Kapitalmarkt investiert. 

Hierbei kann zwischen circa 500 verschiedenen Fonds gewählt werden. Sollte ein Arbeitsnehmer sich für keinen dieser Fonds entscheiden, so landet er zwangsläufig im staatlich gemanagten Modell. Bis zu einem Alter von 55 Jahren fließen die Beiträge zu 100 Prozent in den Aktienfonds. Im Anschluss findet eine schrittweise Umschichtung in einen konservativen Rentenfonds statt, der sich im Wesentlichen auf schwedische Anleihen mit ausgezeichneter Bonität konzentriert. Etwa 40 Prozent der Schweden nutzen den sogenannten AP7 Aktienfonds. Dieser ist mit umgerechnet 80 Milliarden Euro bestückt. Die Kosten dafür belaufen sich im Jahr gerade mal auf 0,14 Prozent. 

Außerdem wird bei unseren nordischen Nachbarn Transparenz großgeschrieben, denn alle Rentensparer, die ihr Geld in diesem Fonds investiert haben, erhalten einmal pro Jahr einen Auszug mit wichtigen Informationen und einer Performanceanalyse des AP7 im Vergleich zum Durschnitt. 

Rentensystem Deutschland: Kann die öffentliche Hand Aktien und Anleihen?

Doch auch in Deutschland zeigt man sich mittlerweile offener für ein solches System. So sind im jüngsten Sondierungspapier der Ampel folgende Worte zu lesen: “Wir werden zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der Gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen.” 

Damit sieht das Trio vor, künftig Erträge aus dem Finanzmarkt zur anteiligen Deckung der Rentenbeiträge zu nutzen. Damit könnten etwaige Subventionen aus dem gebeutelten Bundeshaushalt minimiert werden. Dafür soll die Rentenversicherung bereits 2022 zehn Milliarden aus dem Haushalt bekommen. Feststeht, dass es beim Thema kapitalbasiertes Rentensystem definitiv mehr Expertise bedarf, als die eines klassischen Berufspolitikers. 

Um der toxischen Beziehung zwischen Staat und der kapitalbasierten Geldanlage ein Gesicht zu geben, ergibt es Sinn, sich den Fonds zur Vorsorge der Beamtenpensionen näher anzusehen. Hier investiert der Staat jährliche erhebliche Summen Geld, davon wandern 80 Prozent in Anleihen und 20 Prozent in Aktien. Fatal ist jedoch, dass dieser Fonds nicht einmal den in Folge der Inflation entstehenden Verlust abdecken kann.

Wer es sich irgendwie leisten kann, privat fürs Alter vorzusorgen sollte dies dringend tun. Jeder noch so kleine Beitrag kann am Ende einen Unterschied machen und im schlimmsten Fall vor Altersarmut schützen. Wichtig ist es nur genau zu überlegen, wie und wo man das Geld anlegen möchte. Eine solide Sparmöglichkeit mit jährlichem Wertzuwachs sind nach wie vor ETFs und Aktien großer Unternehmen, die bereits mehrere Krisen überstanden haben und nach wie vor zukunftsträchtige Produkte herstellen.

An diesem Punkt lässt sich festhalten: Es bleibt abzuwarten wie das Rentensystem unter Scholz schlussendlich ausgestaltet werden wird. Hoffen wir, dass uns ein erneutes SPD-Rentendebakel wie das der Riester-Rente unter dem Kabinett Schröders erspart bleibt. Feststeht auch: Die im Rahmen der Sondierungsgespräche festgeschriebenen Pläne der Ampel klingen nach einem Schritt in die richtige Richtung. Doch wie heißt es so schön: Papier ist geduldig, also lassen wir den Worten Taten folgen.

ein Artikel von
Pauline Brinkmann
Pauline studiert in Potsdam und Lausanne Rechtswissenschaften. Ihr besonderes Interesse gilt jedoch nicht Mietverträgen, sondern politischen und gesellschaftlichen Prozessen.