© Razvan Chisu / Unsplash
Wie glücklich macht Geld?

MentorInnen: die klugen Köpfe hinter Karrieren

von Frank Behrendt

Als ich kürzlich bei einer Feierstunde in einem erfolgreichen Unternehmen zu Gast war, dankte das frisch berufene Vorstandsmitglied in einer Rede auch seinem Mentor: „Ohne ihn, wäre ich heute nicht hier. Seine Klugheit, sein wohlwollender Rat und seine Ohren, die immer für alle meine Fragen da waren, hatten und haben einen unschätzbaren Wert für mich“.

Der gelobte grauhaarige Mann mit dem freundlichen Gesicht lächelte und blickte zu Boden. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, es gab lautstarken Beifall. Beim anschließenden Umtrunk unterhielt ich mich angeregt mit ihm und er erzählte mir, dass der Begriff des Mentors ursprünglich aus der griechischen Mythologie und der Odyssee von Homer stammte. In dem alten Heldenepos bricht Odysseus in den trojanischen Krieg auf, seine Frau Penelope und seinen Sohn Telemachos vertraut er für die Zeit der Abwesenheit einem vertrauenswürdigen Freund an. Dessen Name: Mentor. Dieser kümmerte sich, gab Ratschläge, nutzte seine Position und seine Reputation zum Wohle der ihm anvertrauten.

Fortan wurden kluge und wohlwollende Berater Mentoren genannt, die sich um Mentees kümmerten. Inzwischen sind es nicht nur weise ältere Herren, es gibt auch jede Menge weibliche Mentorinnen und ergraut müssen sie auch nicht sein. Wenn ich an meine eigenen Stationen zurückdenke, dann hatte ich auch des Öfteren einen Mentor an meiner Seite. Oft war ich jung in verantwortungsvolle Positionen geraten, in Branchen, von denen ich wenig verstand. Da war es mehr als hilfreich, dass ich einen erfahrenen Guide an meiner Seite hatte, der mir half, so manche inhaltliche, taktische und zwischenmenschliche Klippe zu umschiffen. Später, als ich selbst auf einen ansehnlichen Lebens- und Berufserfahrungsschatz zurückblicken konnte, habe ich diese Rolle für junge ambitionierte MitarbeiterInnen eingenommen. Oft habe ich mir die Mentees selbst gesucht. Es wurde für mich geradezu ein Sport, hochtalentierte Nachwuchs MitarbeiterInnen zu entdecken und sie entsprechend zu fördern.

Wenn sie sich entwickelten, immer besser wurden, aus gemachten Fehlern lernten und im Eiltempo vorankamen, freute ich mich wie ein Vater über die sichtbaren Fortschritte des eigenen Nachwuchses beim Sprechen, Laufen oder Fahrradfahren. Eine Portion Stolz schwang immer mit, denn der Erfolg der Mentees ist immer auch der ihrer MentorInnen. Der Lieblingsheld meines Vaters, einem begeisterten Fan des Schriftstellers Karl May, war immer der weise Lehrmeister des jungen Apachen-Häuptlings Winnetou – Klekih-Petra. In der fiktionalen Geschichte des Abenteuer-Erfinders May war er ein Lehrer aus Deutschland, den es in den Wilden Westen verschlug und dort dem Häuptling als Berater und dessen Kindern als Mentor diente. Die Nachwuchsführungskraft Winnetou bereitete er nicht nur auf die künftige Rolle als Leader vor, er vermittelte ihm auch jede Menge Werte und die Botschaft, dass Friede das höchste Gut sei. Seine Fürsorge bezahlte er am Ende mit dem Leben, denn er warf sich in den Schuß eines Banditen, der eigentlich seinen Schützling treffen sollte.

Meinen Vater hat diese Figur immer fasziniert, er führte sie in den Gesprächen mit uns Kindern immer an, wenn es um die Vermittlung von Werten und elterlicher Verantwortung ging. Auch Eltern sind am Ende MentorInnen, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen: Junge Menschen auf den Weg bringen, sie fordern und fördern oder wie meine Mutter es sagte: „Unsere Aufgabe ist es, euch alles mitzugeben, damit ihr gut durchs Leben kommt.“ Nichts anderes machen MentorInnen.

In zahlreichen Unternehmen gibt es dazu entsprechende Programme, in der eine Art Patenschaft zwischen einer jungen, vielversprechenden Führungskraft und erfahrenen ManagerInnen hergestellt wird. Mittlerweile gibt es im Zuge der Digitalisierung auch diverse Mentoring-Plattformen im Netz, die für ein Match zwischen MentorIn und Mentee sorgen. Bei einer der führenden Online-Anbieter schildert Nutzerin Esther-Marie ihre Erfahrung: „Meine Mentorin Kate gab mir Denkanstöße und hat mir Ängste genommen.“ Dazu bedarf es gegenseitiges Vertrauen, eine essentielle Basis für ein erfolgreiches Mentoring. Schließlich geht es geht nicht nur um Lob, Tipps und Tricks, sondern auch um Kritik. Offen und ehrlich. Viele Youngster wollen zu schnell zu viel, erfahrene MentorInnen helfen dabei, dass die talentierten Nachwuchskräfte nicht die Bodenhaftung verlieren. So definierte auch der erfahrene Manager und Mentor, von dem ich am Anfang dieses Beitrags berichtet habe, mit Blick auf seinen jung-dynamischen Mentee seine Rolle. Er sagte mir: „Ich war oft das Bremspedal, wenn er auf der linken Spur im absoluten Vollgas-Modus unterwegs war. Am Ende sind wir mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung besser gefahren und kamen vor allem unfallfrei ans Ziel.“

image_print
ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.