Vom Papier auf die Leinwand

Wie MARVEL zum Milliarden-Imperium wurde

von Moritz Weinstock

Aus handgezeichneten Comics wurden computeranimierte Filme, die Millionen einspielen. Doch die Geschichte von Marvel war nicht immer von Erfolg gezeichnet. Wir haben uns auf die Reise begeben und unsere Superhelden von der Entstehung bis heute begleitet.

Avenger müsste man sein! Nicht im Film, im echten Leben würde völlig reichen. Denn wozu brauchst du schon Superkräfte, wenn du Geld zum Schweinefüttern haben kannst?

Es geht um die Schauspieler, die in Marvels aktuellstem Film Avengers: Endgame mitgewirkt haben. Denn zusammen haben Chris Hemsworth (Thor), Paul Rudd (Ant-Man), Robert Downey Jr. (Iron Man), Bradley Cooper (Rocket Raccoon), Scarlett Johansson (Black Widow) und Chris Evans (Captain America) rund 340 Millionen US-Dollar an dem Streifen verdient!

Und auch der Film selbst könnte erfolgreicher kaum sein. Mit aktuell rund 2,79 Milliarden US-Dollar eingespieltem Geld, hat Endgame Avatar nun auf den zweiten Platz verwiesen. Eine Entwicklung, die der Walt Disney Company, zu der Marvel seit 2009 gehört, sicher gefallen wird.

Zeichenblock und Fantasie

Angefangen hat alles natürlich um ein vielfaches kleiner. Im Oktober 1939 ruft Martin Goodman die Timley Publications ins Leben. Mit geliehenem Equipment entstehen erste Zeichnungen und erste Heldenfiguren in seinem New Yorker Büro. Wenig später veröffentlicht er Marvel Comic #1 und alle 80.000 Kopien werden ihm wie warme Semmeln aus der Hand gerissen. Zu dieser Stunde erleuchten „Human Torch“, „The Angel“ und „Namor the sub-mariner“ die Kindergesichter beim heimlichen Lesen unter der Bettdecke.

Vom ersten Erfolg beflügelt, entsteht 1940 eine zweite Ausgabe, die sich nun schon 800.000 Mal verkauft. Spätestens jetzt wird es Zeit für Expansionen. Goodman benennt die Firma in Timley Comics um, akquiriert diverse kleinere Magazine und baut sich so ein erstes Comic-Netzwerk auf. 1941 entstehen die berühmten Figuren Captain Marvel und Captain America. Der Zeitpunkt für patriotische Superhelden hätte besser kaum sein können. In Europa kämpfen die USA gegen Nazi-Deutschland, in der Heimat kämpft Captain America im Comic gegen Hitler und seine Gefolgschaft. Realität vermischt sich mit Fiktion, die Leute liebe es.

Stan Lee, Autor mit Visionen

Während Film-und Fernsehproduktionen Anfang der 1950er erste Marvel-Helden über die Bildschirme flimmern lassen, zeigen sich Ärzte und Bildungseinrichtungen in den USA zunehmend über die Wirkung von Comics auf Kinder und Jugendliche besorgt. Sie würden einen schlechten Einfluss auf Heranwachsende haben, Gewalt und Horror seien zu präsent. Statt das Feuer um Heldengeschichten dadurch weiter anzufachen, schwindet das Interesse an Comics maßgeblich. Erst gegen Ende der 1950er-Jahre geht es wieder bergauf. Der Autor und Kreativkopf Stan Lee kommt zu Marvel und wendet das Blatt zum Positiven. In Zusammenarbeit mit Jack Kirby entsteht die legendäre Heldengruppe Fantastic Four. Auch Hulk, Iron Man, Thor und die X-Men können auf ihr gemeinsames Kreativkonto verbucht werden.

In den 60er-, 70er- und 80er-Jahren wandern die Comic-Helden reihenweise ins Fernsehen und auf die Leinwand ab. Spider-Man ist beispielsweise erstmals schon 1977 im Fernsehen zu sehen. Dadurch schwinden die Absatzzahlen der Comics, was dazu führt, dass Marvel immer mehr Rechte an seinen Leitfiguren verkauft.

1989 wird Marvel von MacAndrews & Forbes Holdings für 82,5 Millionen US-Dollar übernommen. Zwei Jahre später geht Marvel an die Börse und veräußert 40 Prozent seiner Unternehmensanteile an Anleger.

Merchandise

Obwohl es noch immer nicht besser läuft, kauft Marvel 1993 46 Prozent des amerikanischen Spielwarenherstellers ToyBiz. Mit der Produktion entsprechender Fan-Artikel zu erfolgreichen Comics und Filmen hofft das Unternehmen auf neue Einnahmen. Dennoch müssen vorerst weitere Rechte abgetreten werden, um neues Geld einzuspielen. So wandern beispielsweise Iron Man, Hulk, Black Panther und die X-Men zu Paramount Pictures.

1997 wird Stan Lee zum Chairmen von Marvel Studios. Er entwickelt Langzeitpläne für Filmproduktionen zu Daredevil, Elektra, und Fantastic Four. Außerdem entsteht der erste eigene Marvel-Film: Blade. Der Fantasy-Thriller wird ein voller Erfolg und spielt 70 Millionen Dollar in den USA und 131 Millionen in Kanada ein.

Blade (1998) pic.twitter.com/HrqvHgWAS3— Jon Aro (@papichombo) October 15, 2018

Franchise

2004 übernimmt David Maisel als CEO das Ruder von Marvel Entertainment. Und er hat einen Plan für die kommenden Jahre. Doch dafür braucht er erstmal Geld. Marvel nimmt einen Kredit über 525 Millionen US-Dollar bei der Merrill-Lynch-Bank auf, einer Tochtergesellschaft der Bank of America. Was damit passieren soll? Rechte an alten Superhelden zurückkaufen. Iron Man, Thor und Black Widow kehren 2005 zurück zu Marvel und mit ihnen neuer Erfolg. Einen besonderen Schub bekommt das Unternehmen aber erst im Jahr 2007, als Kevin Feige Präsident von Marvel Studios wird. Er hat das richtige Händchen für die Vermarktung der Marvel-Helden. Es kommt zur Gründung des Marvel Cinematic Universe, dem heute größten Franchise-Unternehmen der Filmbranche. Derzeitiger Marktwert: rund 17 Milliarden US-Dollar.

Zudem sprengt Iron Man mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle alle Erwartungen und wird nicht zuletzt auch aufgrund der treffenden Wahl des Hauptdarstellers (übrigens eine Entscheidung von Kevin Feige) ein echter Kassenschlager. Der Film spielt insgesamt mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar ein.

Mickey Mouse schlägt zu

Dass sich bei Marvel was tut, bleibt nicht unbemerkt. 2009 wird die Walt Disney Company neugierig und macht Marvel Entertainment ein Übernahmeangebot, dass sie nicht abschlagen können. Für satte vier Milliarden US-Dollar wandert die Heldenschmiede in den Warenkorb des Branchenriesen, zusammen mit den Rechten an den Avengers und der Produktion von Iron Man 3, der übrigens 1,3 Milliarden US-Dollar weltweit eingespielt hat!

Seither profitieren die Marvel-Geschichten von der enormen Größe, dem Geld und der Marktmacht von Disney. Nahezu jeder Superhelden-Film landete in der Liste der 50 erfolgreichsten Superhelden-Filme in Bezug auf das eingespielte Geld. Zudem werden die Filme von den absoluten A-Promis der Hollywood-Schauspieler getragen, was ein weiterer Grund für den Erfolg der Filme ist. Uns soll es recht sein, denn was gibt es schöneres, als Bradley Cooper und Scarlett Johansson gemeinsam auf der Leinwand zu sehen?

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.