Wie glücklich macht Geld?

Lunch for One: Warum Hans immer für zwei bestellt, aber alleine is(s)t

von Moritz Weinstock

ZASTER-Kolumnist Frank Behrendt beobachtet einen Restaurant-Besucher, der alles doppelt bestellt. Dahinter versteckt sich eine zu Tränen rührende Geschichte.

Ich saß ihm im Restaurant schräg gegenüber. Fein hatte er sich gemacht, mit weißem Hemd, gestreifter Krawatte und dunklem Sakko. Die Kellner kannten ihn, sie unterhielten sich, der ältere Herr mit der Goldrandbrille lachte. Dann kam das Essen: Zwei Vorspeisen: Büsumer Krabben und ein Carpaccio. Dazu zwei kleine Bier.

Ich blickte mich um, erwartete eine zweite Person, die mit dem Mann am Fenster speiste. Aber er blieb allein. Er aß erst von dem einen Teller, dann vom zweiten. Nachdem das erste Bier ausgetrunken war, setzte er das zweite Glas an. Ich genoss meinen Ceasar’s Salad und schaute immer wieder zu ihm rüber.

Der Kellner kam und brachte zwei Tassen Espresso

Der Herr am Fenster blickte oft hinaus, verfolgte das bunte Treiben auf dem belebten Platz. Zwischendurch lächelte er vor sich hin. Der Kellner kam und brachte zwei Tassen Espresso. Jeweils mit einem Keks. Wieder das gleiche Spiel: Erst wurde der eine Espresso geleert und der beiliegende Keks gegessen, dann folgte das zweite Set.

Die Ermittler-Seele in mir pochte, ich schaltete in den Drei-Fragezeichen-Modus und fragte in freundlicher Justus-Jonas-Attitüde, ob ich mich zu ihm setzen durfte. Ich durfte. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass seine Frau vor zwei Jahren verstorben war. Die beiden hatten als Ritual einmal in der Woche mittags in dem Restaurant gespeist.

Sie hatte die Krabben geliebt, er nahm immer das Carpaccio. Bei einem kleinen Bier hatten sie stets auf ihre lange Beziehung angestoßen. Sie fehlt ihm und als er von ihr sprach, glänzten seine Augen. Voller Liebe. Wenn er an „ihrem Tisch“ saß und das traditionelle Gedeck für beide zu sich nahm, war sie wieder ein bisschen bei ihm.

Den Keks zum Espresso hatte er ihr früher immer abgetreten, weil sie „Knusperkram“ so liebte. Nun isst er beide. Er hat eine gute Rente, es geht ihm gut. „Aber ich würde alles hergeben, wenn sie wieder bei mir wäre“, sagte er zum Schluss und ich spürte seinen Schmerz. Ich spendierte uns noch einen weiteren Espresso. Seinen Keks hat er mir abgetreten. Und dabei gelächelt.

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.