Der Schein meines Lebens

Sechs 500-Euro-Scheine? Nehm ich!

von Jonas Rüffer

Im Laufe unseres Lebens bekommen wir diesen einen Schein, diesen bestimmten Betrag. Den uns jemand schenkt, den wir finden, gewinnen oder den wir jemandem abluchsen – und: an den wir uns für immer erinnern, weil er uns gerettet, berührt oder beschämt hat. Hier erzählen regelmäßig Menschen die Geschichte vom Schein ihres Lebens.
Heute: Wie Student Eduard B. aus Friedrichshafen einmal sechs 500-Euro-Scheine in der Hand hielt und sich damit einen Traum erfüllte.

„Im Sommer 2013 hatte ich endlich mein Abitur in der Tasche. 13 lange Jahre hatte ich die Schulbank gedrückt, Hausaufgaben gemacht, Klausuren geschrieben, Referate gehalten. Nun wurde ich endlich in die ,große, weite Welt‘ entlassen.

Und jetzt? Da stand ich nun mit einem Notendurchschnitt von 2,1 und wollte unbedingt Humanmedizin studieren und Arzt zu werden. Einen Platz an einer staatlichen Uni konnte ich mir mit dem Ergebnis abschmieren oder ewig auf einen Platz warten.

Da half nur eins: stramm stehen und ab zur Bundeswehr.

Wehrpflicht gab es schon nicht mehr, also musste die Bundeswehr Freiwillige rekrutieren und lockte dementsprechend mit guten Konditionen. Sie versprachen mir, dass ich nach der Grundausbildung an der Bundeswehruniversität studieren könne und während der gesamten Zeit Sold, also Bezahlung erhielte. Dafür müsste ich bloß: Waffen putzen, 20 Kilometer lange Orientierungsmärsche mitten in der Nacht absolvieren, Biwaks bauen, Wache stehen und immer schön salutieren, wenn ein Ranghöherer meinen Weg kreuzt. Easy, oder?

Dieser Deal klang trotz einer Verpflichtung auf 13 Jahre nicht schlecht und ich meldete mich freiwillig. Tatsächlich war die Grundausbildung genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Ich wurde hauptsächlich angeschrien, noch schneller, noch härter und noch länger zu trainieren.

Nachdem ich die ersten drei Monate überstanden hatte, war es dann endlich so weit. Ich fing bei den Sanitätern der Streitkräftebasis an. Und damit endete auch der Traum vom bezahlten Studium.

In der Sanitätsausbildung lernte ich meinen schwachen Magen kennen, der sich bei der Begutachtung jeder noch so kleinen Wunde schockartig zusammenzog. Hinzu kam, dass ich intensiven Kontakt mit Sanitätern hatte, die aus gröberen Einsätzen kamen. Viele waren traumarisiert und hatten grausame Dinge erlebt.

Ich habe den Dienst nach elf Monaten quittiert – immerhin um einige wertvolle Erfahrungen und 3000 Euro Sold reicher. Ich wollte das Ganze auf einen Schlag abheben, um mich für die Selbstgeißelung zu belohnen und nach dem geplatzten Traum vom Medizinstudium erstmal auf Reisen zu gehen. Doch so viel Geld spuckte der Bankautomat gar nicht aus. Am Schalter bekam ich dann sechs 500er-Noten, das war schon eine Hausnummer.

Wie der Zufall es so wollte, bekam ich einen Anruf von meinem ehemaligen Tauchlehrer Simon. Dazu muss man sagen, dass ich seit meinem 14. Lebensjahr tauche und nur wegen Abitur und Wehrdienst pausiert habe. Die Ruhe unter Wasser, die Natur und die Einsamkeit hatten stets eine entspannende Wirkung auf mich. Simon wusste noch gar nichts von meinem plötzlichen Reichtum, als er mich fragte, ob ich Lust auf einen dreiwöchigen Trip auf die Philippinen hätte: nach Mindoro in Sabang – einem der beeindruckendsten Tauchgebiete der Welt. Ich war jung, hatte Zeit und ausnahmsweise auch einmal Geld. Das war eine „Once-in-a-lifetime-opportunity“ und ich schlug zu!

Mein Tauchlehrer hatte nicht zu viel versprochen, als er ,viele‘ Tauchgänge sagte. In den drei Wochen bin ich fünfzigmal getaucht. Deshalb kam ich mit demselben bleichen Hautton zurück, mit dem ich hingeflogen war, obwohl die Philippinen ein Sommerparadies sind. Besonders das Tauchen in alten Schiffswracks war spannend und gruselig zugleich. Meine schönste Entdeckung war ein Langnasenbüschelbarsch. Ein schillerndes Tier mit langer Schnauze, das ziemlich flink unterwegs ist.

Seit diesem Urlaub habe ich viele weitere Tauchscheine gemacht und mehr als 250 Tauchgänge absolviert. Im vergangenen Jahr habe ich selbst meine ersten Schüler ausgebildet. Das waren die Scherereien bei der Bundeswehr allemal wert.“

ein Artikel von
Jonas Rüffer
Jonas Rüffer (Jahrgang 1991), ist seit Februar Teammitglied der Zasterredaktion. Vorher hat er seinen Master in Politik abgeschlossen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Servicethemen wie Kryptowährungen oder Geld- und Finanzpolitik.