DAS HÄTTE FRÜHER NICHT GEGEBEN

Helpling & Co. kämen unseren Eltern nicht ins Haus!

von Emina Benalia

Der ultimative Luxus beginnt mit der eigenen Raumpflegerin. Wenn die Zwei-Zimmer-Wohnung blitzt, glänzt aber noch lange nicht das Gewissen.

Immer, wenn er weg ist, ist dann ist da dieses Gefühl: ein bisschen Dankbarkeit, ein bisschen Scham. Denn alles fühlt sich gleichzeitig so erwachsen an, so kontrollierbar, so im Griff – und gleichzeitig ist die Ursache des Resultats das Gegenteil desselben. Womit ich meine: Wenn die Reinigungskraft da war, ist alles schick – halt nur mein Gewissen nicht.

Ich schleiche wie eine Fremde durch meine Wohnung – fasse alles an, was plötzlich sauber ist, so, als sei eine unsichtbare Mutter durch die Wohnung gegangen und hätte alles aufgeräumt, abgewischt, abgetrocknet, neu sortiert.

Meine Mutter heißt Gonzalo. Er kommt aus Spanien und zweimal im Monat in meine Wohnung, damit ich den Schein aufrechterhalten kann, eine erwachsene, selbstständige, überlebensfähige Person zu sein, die es schafft, so grundlegende Dinge wie Nahrungsbeschaffung, Wohnungshygiene, 60-Stunden-Woche und natürlich fancy soziales Leben unter einen Hut aus Verantwortungsbewusstsein zu quetschen.

Die Wahrheit ist: Ich scheitere, wie so viele, regelmäßig daran. Zwischen Deadlines, irgendwann auch mal länger als 6 Stunden schlafen, meine Freunde einmal im Quartal ganz kurz sehen und feste Nahrung aus mehr als Umami zu mir nehmen – stand ich immer wieder am Wochenende, wenn ich mal frei hatte, laut fluchend in der Wohnung, während ich die Hinterlassenschaft einer Person wegräumte, die unmöglich Ich sein konnte. Denn auf gar keinen Fall konnte jemand wie ich in so kurzer Zeit so viel Unordnung machen.

Jedes Mal, wenn ich darüber nachdachte, dass ich mit Ende zwanzig an dem Punkt war, an dem ich genug verdiente, um endlich eine Reinigungskraft anzustellen – war da diese laut lachende Stimme, die sagte: Du schaffst es nicht, eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Ordnung zu halten? Kann es sein, dass du eventuell doch besser wieder bei Mama und Papa einziehst, Süße?

Denn ich habe es nicht anders gelernt: In meinem Elternhaus gab und gibt es keine Reinigungskraft. Jeder macht den Kram weg, mit dem er zuvor rumgekramt hat und den Rest erledigte unsere Mutter. Für mich war das immer die Advanced Version von Erwachsensein: Keine Spülmaschine, keine Reinigungskraft, keine Ausreden. Jeder erfüllt eine Aufgabe, dann ist für alle und alles gesorgt.

Also quälte ich mich eben durch Putz-Wochenenden und gab für alle möglichen Dinge viel zu viel Geld aus – bis ich eines Tages nach der Arbeit noch eben schnell einen Pulli kaufte. Als ich ihn im Schlafzimmer-Ganzkörper-Spiegel betrachtete, sah ich es. Ich sah das Chaos auf dem Boden, die leeren Tee-Becher auf dem Nachttisch, die Teller vom Mitternachtssnack, die ausgelesenen Zeitungen auf dem Boden und im Bett.

Ich sah all das und ich sah meinen 80-Euro-Pullover und dann sah ich auch zum Glück endlich, was ich all die Jahre nicht gesehen hatte: dass dieser Pulli so viel kostete wie eine Reinigungskraft, die zweimal im Monat für 2,5 Stunden vorbeikommen könnte. Ich sah, dass ich bei allem völlig blind dafür gewesen war, dass früher zwar jeder seine Rolle übernommen hatte – ich aber heute, in diesem Leben, in dieser Zeit, ständig fünf Rollen gleichzeitig erfüllen musste oder genau das zumindest versuchte. Und scheiterte.

Immer, wenn Gonzalo weg ist, ist dann ist da dieses Gefühl: ein bisschen Dankbarkeit, ein bisschen Scham. Aber immer, wenn ich nach einem zehn-Stunden-Arbeitstag in eine Wohnung komme, die nicht im Chaos versinkt, ist da auch dieses Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Denn Erwachsensein bedeutet eben auch, dass man irgendwann lernt und versteht, wie viel man schaffen kann. Und wie viel einfach auch oft nicht.

Am Ende ist so allen geholfen: Ich schaffe es durch Gonzalo, dass das Chaos in zwei Wochen nicht Überhand nimmt. Er bekommt für die 2,5 Stunden 50 Euro und ist versichert.

Und ich habe Zeit für all die Dinge, die mich glücklich machen: lesen, früher schlafen gehen, Freunde anrufen. Und irgendwann lernt das mein schlechtes Gewissen auch noch. Und an genau diesem Tag bin ich vielleicht endlich so richtig erwachsen. Und falls nicht, sieht zumindest meine Wohnung wirklich sehr ordentlich aus.

ein Artikel von
Emina Benalia
"Wenn ich einmal reich wär", sang einst Anatevka in dem gleichnamigen Musical. Als Kind einer Musikwissenschaftlerin kannte Emina Benalia das Lied aus ihren Kindertagen. Viel mehr Wissen wurde ihr über Finanzen, Versicherungen und Geldanlagen zu Hause nicht vermittelt. Umso wichtiger ist es für sie, als ZASTER-Redakteurin diese Themen aufzuarbeiten und ihren Lesern verständlich zu vermittelt – sexy, fluffig, interessant, leidenschaftlich und informativ.