© Iryna Petrunko / Unsplash: Mallorca, Port de Soller
Wie glücklich macht Geld?

Hybrides Arbeiten im Home Office away from home

von Frank Behrendt

Es ist noch gar nicht lange her, da waren viele Unternehmen gezwungen, ihre Arbeitsmodelle komplett umzustellen. Was jahrelang vermeintlich nicht gewollt oder gekonnt wurde, ging plötzlich, weil Home Office in Lockdown-Zeiten nicht nur sinnvoll, sondern sogar von der Bundesregierung empfohlen wurde.

Alle, die in diesen Zeiten die Vorzüge des Arbeitens an einem anderen Arbeitsort zu schätzen gelernt hatten, weil sich so Work und Life viel besser miteinander verzahnen ließen, fragten sich allerdings bald: Was würde passieren, wenn die Kontrolle über die Pandemie wieder ein weitgehend normales Leben und die Rückkehr der Angestellten in die Büros möglich machen? Die Antwort fällt unterschiedlich aus.

Bei uns in der Agentur dürfen die KollegInnen – wenn sie wollen – auch weiterhin einen Großteil der Arbeitszeit außerhalb der Büros erledigen. Dennoch ist durch einzelne Präsenztage sichergestellt, dass der Zusammenhalt durch reale Begegnungen nicht verloren geht, die Qualität von Live-Meetings und Brainstormings maximal genutzt wird. Anderswo, stöhnen manche, legen – vor allem traditionell tickende Führungskräfte – den Fokus wieder sehr stark auf persönliche und permanente Anwesenheit – „so wie früher“. Ein Urteil will ich mir gar nicht anmaßen, Tatsache ist aber, dass das hybride Arbeiten zu den Arbeitsmodellen der Zukunft gehört und von ExpertInnen intensiv diskutiert wird.

PersonalerInnen sagen zudem voraus, dass Unternehmen, die sich einer Flexibilisierung der Arbeit verweigern und „NewWork“ als „neumodischen Kram“ abtun zeitnah erhebliche Rekrutierungsprobleme bekommen. Gerade die digital tickenden, gut ausgebildeten Nachwuchskräfte „haben keine Lust mehr, nur am Schreibtisch angeschraubt zu sein“, wie mir ein befreundeter Personalberater beim Espresso erklärte.

Das Wort “Hybrid“ kennen viele von uns eigentlich eher im Zusammenhang mit den neuen Automobilen, „Hybrid Work“ ist wie beim Mix aus Verbrenner und Elektromotor eine Kombination, in diesem Fall aus arbeiten im Office und dem mobilen Arbeiten – egal wo.  Dieses flexiblere Arbeitsmodell – auch das haben wir während des Lockdowns gelernt – sorgt keinesfalls für schlechtere Ergebnisse, ganz im Gegenteil, wie diverse Studien belegen. Vielleicht liegt es auch daran, dass diese neue Form der Arbeitsgestaltung, die bei immer mehr Unternehmen auch mit einer individuellen Zeiteinteilung der MitarbeiterInnen einhergeht, mehr Raum für individuelle Bedürfnisse und Lebenssituationen lässt. Und die ändern sich bekanntlich.

Wer jung ist, vielleicht noch ungebunden, für den oder die sind KollegInnen eine Art (Ersatz)Familie. Mit vielen, mit denen tagsüber gemeinsam gearbeitet wird, unternimmt man auch gerne nach Feierabend etwas. Auch eine Art Work-Life-Integration. In meiner ersten Agenturstation stammten viele meiner Freunde aus dem direkten Umfeld im Büro, wir waren ein verschworener Haufen, beruflich und privat. Aber alles hat seine Zeit.

Später, wenn man eine eigene Familie gründet, ändert sich einiges – nicht nur das Schlafverhalten… Die Prioritäten verschieben sich, es gilt Verantwortung für den Nachwuchs zu übernehmen und das Family-Management kostet Zeit und Nerven – gerade wenn beide Partner, wie es inzwischen zum Glück immer häufiger vorkommt, ihre Karrieren nebeneinander machen. Die Digitalisierung und flexiblere Arbeitsmodelle sorgen allerdings erfreulicherweise dafür, dass man Job, Partnerschaft, Familie und persönliche Interessen inzwischen – wenn auch der Arbeitgeber mitspielt – viel besser unter einen Hut kriegen kann als zu Zeiten unserer Eltern.

Ich habe die Form, woanders zu arbeiten und parallel Zeit für die Familie zu haben, im Sommer und auch in den Herbstferien erfolgreich praktiziert. Wichtigstes Auswahlkriterium einer angemessenen Location ist inzwischen vor allem eine hervorragende WLAN-Verbindung. Mir geht es so, dass ich inzwischen in Sekunden vom Arbeits- in den Relax-Modus umschalten kann. Zudem inspiriert mich eine schöne Atmosphäre derart, dass ich bessere Ideen habe und selbst Standardarbeiten schnell und mit einem Lächeln optimal erledige.

Meine kleine Tochter Holly erklärte einer Freundin kürzlich zwar voller Begeisterung, dass ihr Papa eigentlich „immer im Urlaub“ sei, aber sie vergass dabei zu erwähnen, dass ich im Gegenzug auch immer stand-by im Arbeitsmodus bin. Schwamm drüber, irgendwie hatte und hat sie ja auch Recht. Als Selbstständiger ist diese Art des Switchens für mich sicherlich einfacher zu bewerkstelligen, als für Angestellte, aber auch da kenne ich viele, die inzwischen Arbeit und Leben neu für sich konfiguriert haben und damit extrem gut zurechtkommen. Als ich meinem letzten Lieblingsarbeitsplatz am Pool unter einer Palme auf dem Gelände einer malerischen Finca auf Mallorca postete, gab es viele nette Reaktionen in den Sozialen Netzwerken. Der geschätzte Branchenkollege und Top-Werber Stefan Oliver Schmidt antwortete mit einem lässigen Strandfoto und den Worten: „Willkommen im Club. Und im Home Office away from home.“

ein Artikel von
Frank Behrendt
Frank Behrendt

Frank Behrendt hat mit seinen „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man locker durchs (Berufs)Leben kommt“ die Arbeitswelt aufgeschreckt. Sein Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde direkt ein Bestseller. In seinem zweiten Buch „Die Winnetou-Strategie - Werde zum Häuptling deines Lebens“ erklärt er, wie ein moderner Leader agieren sollte. Frank lebt mit seiner Frau, drei Kindern und einer französischen Bulldogge mit Namen „Fee“ in Köln und hat eine wöchentliche Kolumne auf „Stern.de“. Er arbeitet als Senior Advisor für Deutschlands größte Inhabergeführte Agenturgruppe Serviceplan.