Neue Power aus Milwaukee

Die Wiedergeburt von Harley-Davidson

von Moritz Weinstock

Harleys erstes Elektromotorrad, die LiveWire, ist endlich Realität und wird Ende 2019 auf den Straßen rollen. Ganz elektrisch. Ein Novum für das Traditionsunternehmen aus Milwaukee und ein Versuch, die Abwärtsspirale der letzten Jahre hinter sich zu lassen.

Vor wenigen Tagen ging eine Legende von uns: Peter Fonda, der Weltstar, Schauspieler und Drehbuchautor des Kultfilms „Easy Rider“. Wer den Film nicht kennt, hat Nachholbedarf, ist er doch ein Paradebeispiel für den Zeitgeist der 1960er und 70er Jahre in Amerika. Free Love, Freiheit, Vagabundentum. So wie Wyatt und Billy, die beiden Hauptdarsteller des Roadmovies, auf ihren bollernden Harley-Davidsons durch die Lande ziehen, muss ein Motorrad-Trip durch die Staaten aussehen.

Kaum vorstellbar, das Ganze auf einem Elektromotorrad zu erleben. Es fehlt das Motorengeräusch, der Geruch von verbranntem Benzin – und die Plackerei beim Anwerfen der Maschine mit einem beherzten Fußtritt auf den Kickstarter. Einfach draufzuhopsen, den Startknopf zu drücken und geräuschlos davonzuziehen ist modern, aber herzlos. Der Maschine fehlt die Seele, der Herzschlag, so wie auch wir ihn haben.

Harley macht den ersten Schritt

Und dennoch: die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Gewohnheiten von Traditionsunternehmen wie beispielsweise Harley-Davidson. Und sie müssen es auch, denn an Altbewährtem dauerhaft festzuhalten ist kein Weg Richtung Zukunft – und Richtung Umsatzsteigerung. Man muss umdenken, weiterdenken – was nicht gleich heißt, dass das Rad neu erfunden werden muss.

Harley ist nach Indian die zweitälteste Motorradmarke der Welt. Seit 1903 verlassen Motorräder die Werke in Milwaukee, Wisconsin, USA. Doch es gab schon bessere Zeiten. Seit 2017 befinden sich die Aktienkurse in einem steten Sinkflug. Derzeit liegt der Wert pro Papier bei knapp 30 Euro. Im März 2017 hättest du noch 58 Euro pro Aktie hinblättern müssen. Mit der Modelloffensive für das kommende Jahr und Ideen auch im Bereich elektrobetriebener Fahrräder (sog. Pedelecs)mitzumischen, soll der Abwärtsspirale ein Ende gesetzt werden und der Umsatz von zuletzt rund 5,7 Milliarden US-Dollar (2018) gesteigert werden.

Den Kopf aus der Schlinge ziehen

Bisher hielt man sehr stark an traditionellen Formen und Erscheinungen fest, Innovationen kamen eher aus Japan und Europa. Das soll sich nun ändern, wobei speziell bei Harley Vorsicht geboten ist, denn die Stammkundschaft liebt die Marke genau so wie sie ist. Harley-Fahrer grüßen auch keine Fahrer anderer Marken, es ist eine verschworene Gemeinschaft, geeint im Verlangen nach chromblitzenden, schweren, kraftvollen und laut bollernden Motorrädern. Harleys verbrennen Benzin und stecken nicht an der Steckdose – bis jetzt.

Neue Power aus Milwaukee

Die LiveWire von Harley ist das erste vollelektrische Motorrad eines namhaften Motorradherstellers und kostet mit 32.995 Euro fast so viel wie ein kleiner Tesla Model 3 (ab 45.000 euro). Klar, mittlerweile gibt es Unternehmen wie Zero oder Energica, die sich ganz auf Elektromotorräder spezialisiert haben. Doch kein Hersteller, der bisher mit Verbrennern punktete, hat aktuell ein reinrassiges E-Motorrad im Portfolio. Umso erstaunlicher, dass Harley den ersten Schritt unternimmt.

Ob die Rechnung aufgeht, wird sich spätestens an den Absatzzahlen der neuen Modelle und dem Aktienkurs zeigen. Das Ende des Lederkutten-Zeitalters ist aber noch lange nicht erreicht.

ein Artikel von
Moritz Weinstock
Moritz hat Kommunikationswissenschaften in Wien studiert und seine Leidenschaft fürs Schreiben mit nach Berlin gebracht. Nach lehrreichen Jahren als Redakteur bei einem Motorradmagazin, ist er nun als Channel-Editor für ZASTER tätig. Sein Zugang zur Wirtschaftswelt: er lebt auf zehn Quadratmetern und spart, was das Zeug hält.