EURO, DOLLAR, SCHILLING – WAS DEN FINANZMARKT DIESE WOCHE BEWEGT HAT

Insert Coin: Die Gamification der Finanzmärkte

von Marcus Lucas

Der „Dogecoin“ steigt um 566%, Neo-Broker machen Traden zum Game und die Zocker-Community lässt die Hedgefonds ganz schön alt aussehen – diese Woche wurde wieder mit viel Geld gespielt!

Insert Coin

Jedes Spiel beginnt mit dem Einsatz. Insert Coin blinkte früher auf den Videospielautomaten, um die potentiellen Zocker zu locken. Diese pre-digitalen Dinosaurier haben in der Regel auch keine Coins mehr ausgespuckt. Ganz anders die neue Geldvermehrungsmaschine der „WallstreetBets“-Gruppe, ein Forum der Social Media Plattform Reddit. Dort werden die heißen Tipps an zumeist Junginvestoren rumgereicht. 4,6 Mio. Mitglieder sind im Forum registriert und haben damit nicht nur eine Heuschreckenjagd ausgelöst- dazu gleich mehr -, sondern auch schlafende Hunde geweckt. Konkret: der Dogecoin, eine bis dato nahezu unbekannte Rasse unter den Kryptowährungen, wurde gehypt. In dieser Woche stieg er von 0,006 Euro auf 0,04 Euro. Klingt nicht nach viel, ist aber ein Anstieg von 566%. Und die Jagd geht weiter, denn im Forum wird kräftig gepuscht. Ich kann nicht sagen, wie weit dies noch gehen wird, aber ich kann ziemlich genau sagen, wie es enden wird: Den Letzten beißen die Hunde.

Press Start

Die börsennotierten Unternehmen haben ihre Berichtssaison gestartet. Und die Zahlen sind wie erwartet durchwachsen. Allerdings waren die Erwartungen ohnehin im Keller, so dass der Ausblick mehr wert ist als der Rückblick. Besonders beäugt wurden natürlich wieder die großen Tech- Aktien. Und die haben geliefert: Microsoft, Apple und Facebook liefern fantastische Ergebnisse und Wachstum. Doch die Börse quittiert dies mit Ausnahme von Microsoft eher verhalten. Wie von mir vermutet, werden die großen Tech-Aktien weiter steigen, aber in Relation zur Gesamtmarktentwicklung schwächeln. Um im Bild dieser Ausgabe zu bleiben: Natürlich sind die Big Tech weiter im Spiel, aber die HighScores werden andere aufstellen. Apropos: Die neuen digitalen Broker, sogenannte Neo-Broker, sind tatsächlich inzwischen wie Videospiele programmiert. Wir haben eine „Gamification“ der nächsten Anlegergeneration. So wie sie ein Spiel an Konsolen zocken, so zocken sie derzeit auch an der Börse. Trading Plattformen, die eher an Instagram erinnern, sich Trade-Republic oder Robin Hood nennen und beim „eincashen“ von Gewinnen auch gerne mal ein Kassenklingelgeräusch produzieren: KA-CHING! Zu befürchten ist allerdings, dass viele der neuen Jungbörsianer bald eher folgende Worte lesen:

Game Over

In dieser Woche ist die Jagd auf die Short-Seller, also die Heuschrecken der Hedgefonds-Industrie, durch die neuen Nutzer der Neobroker eröffnet worden. Das Narrativ: David gegen Goliath oder die Demokratisierung des Aktienmarktes. Die Realität: Gier, Gier, Gier. Ja, man muss nicht für das Geschäftsmodell von Hedgefonds sein, ja es ist wichtig, dass die nächste Generation an Anlegern bereit ist in Aktien zu investieren, ja es darf auch Spaß machen an der Börse zu investieren. Aber, ja aber: Wer auf Pleitekandidaten wie GameStop, AMC Entertainment oder Bed , Bath and Beyond zockt, der sucht nicht den vernünftigen Vermögensaufbau, sondern den Thrill. Und wenn dieser Kick dann auch funktioniert, dann steht dem übertriebenem Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten kaum noch etwas im Wege. Die große Selbstlüge des „rechtzeitig verkaufen“ wird als guter Vorsatz am Ende stehen bleiben ohne jemals Verwirklichung gefunden zu haben. Und für die meisten Spieler wird es dann am Ende wieder lauten: Game Over!

ein Artikel von
Marcus Lucas