EURO, DOLLAR, SCHILLING – WAS DEN FINANZMARKT DIESE WOCHE BEWEGT HAT

Die etwas andere Narrenzeit

von Philipp Grabowski

Am 11. November um 11:11 Uhr begann die Narrenzeit, doch aufgrund der Corona-Pandemie ist an ein Karnevalsfest derzeit nicht zu denken. ZASTER-Kolumnist Volker Schilling blickt dennoch auf eine Woche mit einem unverhofften Kamelleregen an der Börse.

Die Narren wollen raus, dürfen aber nicht

Der Karneval, Fasching, Fasnacht fällt dieses Jahr aus. Am 11.11. um 11:11 Uhr übernehmen nicht die Narren das Geschehen, strömen keine Jecken auf die Marktplätze. Wirklich nicht? Einen Marktplatz haben diese Woche die Narren übernommen: Die Börse! Ich habe zwar letzte Woche den Start der Jahresendrally angekündigt, dass es aber dann doch so schnell ging, kommt einem unverhofften Kamelle-Regen gleich. Die Ankündigung von Pfizer und BionTech, dass ein Impfstoff mit 90-prozentiger Wirksamkeit die Zulassungsphase 2 abgeschlossen hat, rief die Narren des Zufalls auf den Plan. Innerhalb einer Woche wurden alle Titel, die vorher in der Coronakrise abgestraft wurden, um bis zu 30 Prozent nach oben gepusht, während die bisherigen Gewinner, allen voran viele Techtitel, bis zu 30 Prozent verloren. Diese irrationalen Ausschläge oder wie ich es nenne, der Karneval an der Börse, schob den Dow Jones Index bis fast an 30.000 Punkte und den S&P an sein Allzeithoch.

Mein Ausblick: Kurzfristig erst einmal Katerstimmung, aber am Jahresende stehen die Börsen deutlich höher.

Mittendrin die Clownerie in den USA:

Der Narr muss raus, will aber nicht

Letzte Woche habe ich vom Rückzugsgefecht von Donald Trump gesprochen. Und nach der Philosophie eines Donald Trump kann das nur heißen: Verbrannte Erde! Überspitzt könnte man es vielleicht so formulieren: Bei Zusage von lebenslanger Immunität vor gerichtlicher Verfolgung und dem bescheidenen Versprechen von lebenslanger Steuerfreiheit wäre der aktuelle Präsident vielleicht bereit, das Weiße Haus zu verlassen und mit etwas gutem Zuspruch auch noch das Wlan-Passwort herauszurücken. Ansonsten bleibt die Haltung wohl eher, wie es US-Außenminister Mike Pompeo diese Woche formulierte: „Es wird einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung geben.“ Helau oder Alaaf möchte man bei diesem Zitat gleich hinterherrufen, gepaart mit einem ordentlichen Karnevalstusch.

Derweil richte ich mein Augenmerk auf den 5. Januar, denn da stehen Stichwahlen zum US-Senat an. Und so wie es aussieht werden die Republikaner dort die Mehrheit behalten. Und das ist kein Scherz: Das wäre die bestmögliche Situation für die Börsen. Denn unter einem demokratischen Präsident, der nicht die Mehrheit im Senat hat, haben die US Börsen ihre besten Zeiten erlebt.

Apropos beste Zeit:

Alles muss raus, geht aber nicht

Wer kennt sie nicht die Schaufensterzeile: Alles muss raus! Am liebsten würden Amazon & Co das auch auf ihre virtuellen Windows schreiben und einmal im Jahr tun sie das tatsächlich. Black Friday heißt das dann zum Beispiel. Weniger bekannt ist dagegen der „Singles Day“ aus China. Das Symbol des Singles Day sind die Einser, der Single, weswegen der 11.11. als Tag für Alleinstehende in China gefeiert wird. Früher waren das mehr Partys und Karaoke-Veranstaltungen, inzwischen ist es eine landesweite Superverkaufsshow. Vor allem online – und davon profitiert der Platzhirsch: Alibaba.

Warum erwähne ich das alles? Trotz sehr erfolgreicher Verkaufszahlen am Singles Day ist die Alibaba-Aktie weiter unter Druck. Da sind immer noch die Nachwirkung des abgesagten Börsenganges der Finanztochter ANT-Group und die verstärkte staatliche Beobachtung des Konzerns der Grund. Und politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine, weshalb sich die neuen Rekordzahlen aus meiner Sicht derzeit im Kurs nicht wiederfinden. Man muss also kein Narr sein, um diese Gelegenheit zu ergreifen. Die Anglizismen des virtuellen Shoppingfaschings nehmen mit Black Friday, Cyber Monday, Boxing Day und jetzt Singles Day allerdings langsam überhand. Ich starte dann mal meinen Relaxing Day.

Bis nächste Woche,

Ihr Volker Schilling

ein Artikel von
Philipp Grabowski