Der Schein meines Lebens

Eine Nacht in Prag und 100 Euro ärmer. Fast.

von Jonas Rüffer

Im Laufe unseres Lebens bekommen wir diesen einen Schein, diesen bestimmten Betrag. Den uns jemand schenkt, den wir finden, gewinnen oder den wir jemandem abluchsen – und: an den wir uns für immer erinnern, weil er uns gerettet, berührt oder beschämt hat. Hier erzählen regelmäßig Menschen die Geschichte vom Schein ihres Lebens.
Heute: Wie Student Elias K. in Prag den Pub Crawl entdeckte und ihn das im Anschluss fast 100 Euro kostete.

Herbst 2017: „Ich reise mit meinen zwei besten Freunden nach Prag. Die tschechische Hauptstadt hatte uns schon länger gereizt. Wir sind Mittelalterfans, deshalb freuten wir uns auf die zahlreichen Barockgebäude an der Moldau, die große Burganlage und die Kneipen in alten Gemäuern, die nur darauf warteten, von uns besucht zu werden. Zu den „Must-Do’s“ in der altertümlichen Stadt gehört ein Pub-Crawl.“

Kneipentour auf Tschechisch

„Ein Pub-Crawl ist nichts anderes als eine geführte Kneipentour. Ziel: So viele Bars wie möglich besuchen, denn man bekommt mit der Tour Rabatt und Freigetränke. Die Spezialität der Tschechen sind Kräuterliköre und das bekannte Pilsener-Urquell Bier. Wir hatten an diesem Abend ziemlich viele Pubs abgeklappert, dementsprechend waren wir etwas angeschossen. Um 5 Uhr morgens torkelten wir in Schlangenlinien zurück zum Hostel. Dann die große Frage:

Wer hat den Zimmerschlüssel?!

Abgesehen davon, dass meine Freunde kaum einen geraden Satz mehr herausbringen konnten, waren sie der festen Überzeugung, ich hätte den Schlüssel. Hatte ich aber nicht. Dann dämmerte es uns: Wir hatten all unsere Sachen, inklusive Zimmerschlüssel, vorsichtshalber in meinem Spind verschlossen, denn wir wollten sie in dem heruntergekommenes Hostel nicht unbewacht herumliegen zu lassen. Das Problem war nur, dass wir erst recht nicht wussten, wo wiederum der Schlüssel für den Spind abgeblieben war.

Und jetzt?!

„Ich fasste ich mir ein Herz und klingelte bei der Rezeption. Ein älterer Herr namens Oleg linste nach dem zweiten Klingeln verärgert durch eine Hintertür in die Lobby. Ich versuchte umständlich, ihm unsere Lage zu erklären. Oleg sagte die ganze Zeit nichts, sondern schaute mich streng über seine Brille an. Als ich endlich fertig war, verschwand er kurz in seinem Kabuff und kam kurz darauf mit einem großen Schraubenzieher zurück. Was dann folgte, war kaum zu glauben. Mit brachialer Gewalt und mächtig Lärm brach er kurzerhand das Schloss auf. Okay, dachte ich mir, das hat er sicher nicht zum ersten Mal gemacht!“

Die Rechnung

„Nun konnten wir endlich an unsere Sachen ran. Währenddessen erklärte mir Oleg, dass ich das Schloss bezahlen müsse. Vielleicht war von meinen Freunden etwas Unterstützung zu erwarten, dachte ich, aber grundsätzlich würde das bestimmt teuer werden. Als Student war mein Urlaubsgeld knapp bemessen und wir hatten noch fünf Tage Urlaub. Ich sah ich mich schon meine Eltern anrufen und um Geld betteln.“

Happy End

„Ich setzte also meinen besten Hundeblick auf und erkundigte mich, wieviel ich denn nun bezahlen müsse. Mit starkem tschechischen Akzent brummte Oleg: „One-Hundrrrrred!”. Okay, der Urlaub war im Eimer – wegen so einer Dummheit. Für einige Sekunden war es totenstill in der Lobby. Dann schob Oleg ein „Crrrrowns“ hinterher und brach in brüllendes Gelächter aus. Spätestens jetzt musste das gesamte Hostel wach sein. Ich benötigte noch ein paar Sekunden mehr, um zu begreifen, dass einhundert Kronen umgerechnet nicht einmal vier Euro sind. Ich grinste breit und bedankte mich bei dem immer noch lachenden Oleg. Das Schloss habe ich bis heute als Souvenir für einen unvergesslichen Urlaub.“

ein Artikel von
Jonas Rüffer
Jonas Rüffer (Jahrgang 1991), ist seit Februar Teammitglied der Zasterredaktion. Vorher hat er seinen Master in Politik abgeschlossen. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Servicethemen wie Kryptowährungen oder Geld- und Finanzpolitik.